Die Flüchtlingsproblematik, Deutschlands angespanntes Verhältnis zu Russland und die immer mehr spürbar werdende soziale Ungleichheit: Es waren in erster Linie diese drei Themen, die anlässlich der von der SPD Sachsen organisierten Küchentischtour für reichlich Gesprächsstoff zwischen Dresdner Bürgern und den eingeladenen Politikern sorgten. Rund 300 Gäste fanden den Weg zur Wahlkampfveranstaltung der Sozialdemokraten am Freitagnachmittag ins Ballhaus Watzke.
Etwa ein Dutzend Personen machten vor dem Gebäude mit Buh-Rufen und Trillerpfeifen auf sich aufmerksam und taten mit Banneraufschriften wie „Volksverräter stoppen“ ihren Unmut kund. Bundesaußenminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), dem die Zurufe galten, antwortete seinen Kritikern bei seiner Ankunft in Pieschen mit einem entspannten Winken. Im Januar war es umgekehrt. Die Anhänger von Pegida und AfD strömten in den Ballsaal, um sich eine Rede des Thüringer AfD-Rechtsaußen Björn Höcke anzuhören, vor der Tür protestierten rund 250 Nope-Anhänger dagegen. Später wurde das Brauhaus mit Farbbeuteln attackiert.
Fehlende Polizei und mangelnde Sicherheit in Dresden
„Mir wäre es lieber, die Polizei müsste nicht wegen Leuten, die in den Bundestag gewählte Abgeordnete als ,Volksverräter‘ beschimpfen, vor dieser Tür stehen“, sagte Gabriel. Vielmehr würden die Einsatzkräfte an anderem Ort und anderer Stelle gebraucht. In diesem Punkt waren sich alle Teilnehmer einig: Die Dresdner Polizei habe gewaltige personelle Probleme. Christian Avenarius, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Dresdner Stadtrat und Direktkandidat für den Bundestag im Wahlkreis Dresden I, warf der sächsischen Regierung vor, sich innerhalb der letzten Jahre neben den Bereichen Schule und Justiz auch in puncto Polizei kaputt gespart zu haben. „Sachsen hat sich damit einen Teil seiner Leistungsfähigkeit kaputt gemacht“, so Avenarius. Zuvor hatte sich eine Dresdner Bürgerin bei den anwesenden SPD-Politikern über die immer geringer werdende Sicherheit in Dresden beklagt, allen voran in der Neustadt, rund um den Hauptbahnhof sowie in der Prager Straße.
Für die gesamte Veranstaltung galt: Wer mitdiskutieren will, muss am Küchentisch Platz nehmen. Die drei verfügbaren Sitzplätze zwischen Gabriel, Avenarius sowie Sachsens stellvertretendem Ministerpräsidenten und SPD-Landesvorsitzendem Martin Dulig und Richard Kaniewski, Bundestagskandidat im Wahlkreis Dresden II-Bautzen II, waren bei den Zuschauern heiß begehrt. Der Bitte der Moderatorin Eileen Mägel, sich kurz zu fassen, folgten die meisten Tischgäste zwar nicht, dennoch konnten zahlreiche Anliegen aus Themengebieten die von der Integration von Gehbehinderten bis hin zur Angleichung deutscher Rentensystemen reichten, ausführlich diskutiert werden.
Nachdem ein Diskussionsteilnehmer mithilfe einer eigens durchgeführten Umfrage verdeutlichen wollte, wie viele Personen in Dresden unter dem Flüchtlingsstrom litten, entgegnete Gabriel: „Es ist unbestreitbar, dass wir durch die Zuwanderungswelle viele Probleme haben.“ Das Problem dabei sei jedoch nicht die Flüchtlingszahl, sondern vielmehr den Migranten zu erklären, in welcher Gesellschaft sie sich befinden. „Wir haben eine Kultur, in der wir von Anfang an mehr dafür sorgen müssen, dass sich Flüchtlinge in die Mitte integrieren und nicht in die äußere Ecke gedrängt fühlen“, so der Bundesaußenminister. In diesem Zusammenhang verwies Gabriel immer wieder darauf, wie wichtig es sei, Fluchtursachen wie Bürgerkriege und Hungersnöte entgegenzuwirken, um einer weiteren Migrationswelle vorzubeugen. Den Vorwurf eines anderen Tischgastes, die deutschen Bundespolitiker redeten ausschließlich davon, etwas ändern zu müssen, anstatt selbst etwas dafür zu tun, wies Gabriel mit deutlichen Worten zurück: „Kommen Sie mir nicht mit dem platten Argument, die Politik tut nichts.“
Feste Tarifverträge anstatt Mindestlohn
Ein Dresdner Bäckermeister, der sich über die schlechte Bezahlung in seiner Berufsgruppe beklagte und das Nicht-Unterzeichnen von bereits versprochenen Tarifverträgen kritisierte, fand bei der Tischrunde Zustimmung. Gabriel betonte zudem, es eine Schande, dass man in Deutschland überhaupt einen Mindestlohn brauche. „Der Mindestlohn ist kein Lohn, sondern einzig eine Absicherung nach unten“, so der Bundesaußenminister. Entscheidend sei letztendlich, bessere Tarifverträge auszuhandeln und zu unterschreiben.
Am Sonntag startet das Online Journal eine Serie mit Kandidaten-Interviews. Gemeinsam mit dem Onlinemagazin Neustadt Geflüster haben wir acht Bewerber um ein Direktmandat im Wahlkreis Dresden II – Bautzen II unsere Fragen gestellt. Von sieben Kandidaten liegen die Antworten inzwischen vor.
Für reichlich Redebedarf sorgte schließlich das Anliegen eines 90-jährigen Rentners, welcher eine Normalisierung der politischen Beziehungen zu Russland forderte. „Je älter die Menschen sind und je weiter sie im Osten Deutschlands wohnen, desto mehr wollen sie gute Beziehungen zu Russland“, konstatierte Gabriel. Doch was die jungen Leute heute von diesem Land an Eindrücken aufnehmen, seien Dinge wie nicht vorhandene Pressefreiheit und Verfolgung von Homosexuellen. Nichtsdestotrotz seien die deutsch-russischen Verhältnisse ein wahrer Schatz, erinnere man sich allein daran, dass diese Beziehungen die Grundvoraussetzung für die Deutsche Einheit bildeten. „Am Ende des Tages werden wir Russland in anderen Konflikten wie in Syrien oder Nordkorea brauchen“, sagte der Vizekanzler.
Gabriel selbst hätte seiner Aussage nach eine komplette Stunde über die Thematik Russland reden können, doch fehlte am Ende die Zeit. Alle Gästen, die nach knapp zwei Stunden Küchentischgespräch nicht die Möglichkeit bekamen, in der Gesprächsrunde ihre Anliegen zu äußern, konnten eine Karte mit ihrer Frage und ihren Kontaktdaten bei den SPD-Politikern hinterlassen und dürfen nun auf eine schriftliche Antwort hoffen.
Kaffeeklatsch mit Siggi – peinlicher gehts kaum noch SPD.
Was ist daran peinlich?
Was ich peinlich finde: Andere Menschen nicht aussprechen lassen, indem man rumschreit oder pfeift.
@Franz die Überschrift ist schon peinlich „Sigmar Gabriel debattiert mit Dresdner Bürgern im Brauhaus Watzke” eigentlich wäre richtig -Sigmar Gabriel debattiert mit geladenen SPD Mitgliedern im Brauhaus Watzke.- Die ganze sogenannte Küchentischtour von Herrn Dulig ist nur verlogen. Es werden nur vorsortierte und Meinungstreue Bürger zugelassen.