Die Puppenspieler Randi und Grigorij Kästner-Kubsch spielen den Sommer über im Augusto Sommergarten und der Theaterscheune Zschoner Mühle, bevor sie ab Ende September den Kulturhafen für die Vorstellungen ihres August-Theaters nutzen werden.
Das Ehepaar konnte in der Zeit der Corona-Beschränkungen acht Monate lang nicht auftreten, während es gleichzeitig um die Zukunft ihres Theaters im Pieschener Rathaus bangen musste. Die Dresdner zeigten ihre Solidarität in einer Petition mit über 1.100 Unterschriften und setzten sich damit für den Erhalt des Theaters ein. Nach weiteren öffentlichen Protesten und einem Stadtratsbeschluss musste sich die Verwaltung von dem Vorhaben verabschieden, aus der Spielstätte des Theaters im Rathaus Pieschen Büroräume zu machen. Nun müssen die beiden ihre Spielstätte nur für die Zeit der Sanierungsarbeiten verlassen.
Auf die Frage, wie er auf diesen außergewöhnlichen Beruf gekommen sei, meint Grigorij lachend, dass er, wie alle Handpuppenspieler, an den Händen gefroren habe. Die eigentliche Antwort ist die Liebe zum Theater und die reizvolle Verbindung zwischen Schauspiel und der Kunst der Figurenführung. Inzwischen stehen die gebürtigen Dresdner seit 38 Jahren mit ihren Puppen auf der Bühne und sind mit dem August-Theater fester Bestandteil der städtischen Kulturszene.
Das Puppentheater des Ehepaars ist wandelbar und so begeistern sie ihre Zuschauer mit verschiedensten Figuren, wie beispielsweise Stab- und Schlenkermarionetten aber auch Knautsch- und Schattenfiguren.
Mit diesen sind die Künstler jedoch nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern Europas unterwegs. Dabei treten sie sowohl gemeinsam als auch solistisch auf und verbinden Schauspiel mit modernem Puppentheater. Inzwischen sind die beiden in einigen Stücken bereits so routiniert, dass sie diese im Geiste proben und sich die Figurenführung vorstellen. Vergleichbar mit einem Geiger, der ohne sein Instrument übt.
Ihre Theaterstücke sind bereits für Kinder ab drei Jahren geeignet, wobei es nach oben hin keine Altersgrenze gibt. Das Kinder-Publikum ist dabei das Ehrlichere: Wenn den Kleinen langweilig sei, würden sie dies deutlich sagen. Außerdem würden sie die Puppenspieler stolz auf jede Panne aufmerksam machen. Doch egal ob sich kleine Fehler einschleichen oder nicht: Die Vorstellungen lassen Kinderaugen leuchten.
Das Kindertheater beginnt bereits vor dem eigentlichen Puppenspiel – so auch in dem Stück „Hase und Igel“. Auf die Frage, wer ganz lange stillhalten könne recken sich alle Kinderarme in die Höhe. Klein-Fritz wird unter neidischen Blicken ausgewählt die Glocke bis zum Ende aufzubewahren.
Glücklicherweise kommen bei den Kindervorstellungen auch Erwachsene auf ihre Kosten und so werden Späße gemacht, welche den Eltern und Großeltern ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Dabei sei laut Grigorij das Wichtigste, die Witze so einzubauen, dass es die Kinder nicht bemerken würden. So klimpert er während des Kinderstücks „Hase und Igel“ einmal mit einem Beutel voller Münzen und fragt die Kinder was denn das wichtigste im Leben sei. Einstimmig rufen diese: “Geeeld“. Der Puppenspieler zwinkert den Erwachsenen zu und meint die Kinder wüssten eben Bescheid. Als das Stück mit dem Glockenläuten endet, laufen die Kinder nach vorne und umarmen die Puppenspieler – die Frage, ob es ihnen gefallen hat, erübrigt sich.
Die Vorstellungen für Erwachsene sind selbstverständlich die größere Herausforderung und das Sahnehäubchen. Im Gegensatz zu den Kinderstücken, die bereits zu einer gewissen Routine geworden sind, lasse sich das Erwachsenentheater nicht so einfach aus dem Handgelenk schütteln.
Auf die Frage nach Grigorij‘s persönlichem Lieblingsstück schaut Randi ihren Mann fragend an. Sie liegt mit ihrer Vermutung jedoch richtig: Es ist Don Juan. Das Stück erfordere viel Reife und Erfahrung und Grigorij gibt zu, dass er es sich am Anfang seiner Karriere nicht zugetraut hätte, ein solches Puppentheater zu spielen.
Ebendieses Stück wurde im Augusto-Sommergarten das erste Mal unter freiem Himmel aufgeführt. Dabei verkörpert Grigorij verschiedenste Charaktere, vom verführerischen Don Juan bis hin zur Jungfrau Amaryllis. Egal, ob Mann oder Frau: mit jeder Figur ändert sich die Stimme des Puppenspielers. Auch die Puppenarten könnten unterschiedlicher nicht sein – mal sind es kindergroße geschnitzte Figuren, welche an den Schuhen des Künstlers befestigt werden, mal nur Masken, denen durch geschicktes Schauspiel Leben eingehaucht wird.
Daneben werden die anzüglicheren Szenen raffiniert als Schattenspiel dargestellt und die Silhouetten der Figuren zeichnen sich vor den beleuchteten Fenstern der Requisite ab. Die spanische Hintergrundmusik rundet die Atmosphäre perfekt ab und das Publikum fühlt sich wirklich wie in einer lauen Sommernacht in Sevilla.
Nach jedem Stück werden die Zuschauer, egal ob groß oder klein, eingeladen die Figuren aus der Nähe zu betrachten und die Puppenspieler beantworten geduldig die Fragen ihres Publikums. Nach „Don Juan“ möchte eine Zuschauerin wissen, wie man es schaffe, sich von seinen Figuren zu distanzieren, um in die verschiedenen Charaktere zu schlüpfen. Für Grigorij gibt es dafür einen einfachen Trick: Immer auf die Puppe schauen, mit der man gerade spielt. So beuge man vor, aus Versehen in den falschen Charakter zu schlüpfen – alles eine Frage der Konzentration eben.
Das Lieblingsstück von Randi ist hingegen „Ophelias Schattentheater“ von Michael Ende. Hierbei stellen der technische Aufwand und die auf die Sekunde getaktete Vorstellung eine besondere Schwierigkeit dar. Selbstverständlich haben die beiden auch unter den Kinderstücken besondere Lieblinge. Bei Rapunzel gehe es beispielsweise nicht nur um das physische, sondern insbesondere das psychische Eingesperrt sein. Indem sie versuchen in die Gefühlswelt der Prinzessin einzutauchen erhält das Stück eine reizvolle Tiefe.
Daneben gefällt es Grigorij, in die Rolle des Pettersson zu schlüpfen, während er gleichzeitig Findus als Puppe spielt. Dieses Stück wird neben viele anderen sehenswerten Vorstellungen in den kommenden Monaten aufgeführt. Leider gilt das Puppenspiel zu Unrecht immer noch als Kindertheater. Die Qualität und das schauspielerisch hohe Niveau machen einen Besuch für Erwachsene dagegen mehr als lohnenswert.
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