Thema: Globus

Wohnen am Alten Leipziger Bahnhof: Alle wollen mitreden – wie soll das gehen?

Der Alte Leipziger Bahnhof als Experimentierfeld – dazu wird das Areal seit zwei Wochen in einer Ausstellung im Zentrum für Baukultur Sachsen (ZfBS) im Kulturpalast gemacht. Zumindest theoretisch. Die Modellentwürfe von Architekturstudenten der TU Dresden ergänzt eine lebhafte Debatte am Mittwochabend. „Wer bestimmt eigentlich, wie wir wohnen?“ hat die Bürgerinitiative Wohnen am Leipziger Bahnhof ein bunt durchmischtes Podium gefragt. Dabei waren sich alle einig: Wenn das Unternehmen Globus mit seinen Plänen für einen großen SB-Markt tatsächlich an einen anderen Standort zieht, müssen Bürger an der Entwicklung der Brache beteiligt werden. Doch wie kann das aussehen?

Circa 80 Besucher waren vor Ort, um mit verschiedenen Akteuren der Stadtentwicklung ins Gespräch zu kommen. Judith Brombacher, Sprecherin der 2017 gegründeten Bürgerinitiative Wohnen am Leipziger Bahnhof, wohnt selbst am Areal und betont gleich zum Auftakt: „Es ist noch nichts durch!“ Zwar scheine es mittlerweile einen Alternativstandort für Globus zu geben, doch das Unternehmen ist noch immer Eigentümer zentraler Flächen des insgesamt etwa 40 Hektar großen Areals entlang der Leipziger Straße. Die Debatte solle dazu beitragen, Ideen für den attraktiven Standort mitten im Zentrum zu entwickeln. Das betont auch Moderatorin Irene Lohaus, Professorin für Architektur an der TU. „Im besten Fall entwickeln sich hier Ideen, die wir dann an die Stadt weitergegeben können.“

Stadtplanung aus verschiedenen Perspektiven

Wie laufen Planungsprozesse eigentlich ab? Die Frage beantwortet Manuel Bäumler, Professor für Architektur und Ausstellungsinitiator, zu Beginn. „Kommunen erstellen eine Bauleitplanung für neue Projekte, die für alle Beteiligten rechtsverbindlich ist“, erklärt er. „So können sie die Stadtteilentwicklung aktiv steuern und besitzen Planungshoheit.“ Mehr Bürgerbeteiligung, die zur sogenannten informellen Planung zählt, habe den Vorteil, flexibel auf äußere Umstände zu reagieren und verschiedene Aspekte städtebaulicher Entwicklungen berücksichtigen zu können. „Die Ideen und Bedürfnisse von Bürgern, Investoren, Eigentümern und Stadt können so als Grundlage für eine verbindliche Bauleitplanung dienen.“ Für den Leipziger Bahnhof heißt das konkret: Unter anderem die studentischen Modellentwürfe der Ausstellung könnten einmal die Diskussionsgrundlage für künftige Baumaßnahmen sein.

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Irene Lohaus, Manuel Bäumler, Anja Osiander, Thomas Cromm und Fritjof Mothes (v.l.n.r.) diskutieren vor circa 80 Besuchern. Foto: M. Skurt

Die Investorensicht vertritt auf dem Podium Thomas Cromm, Vorstandsmitglied bei Revitalis Real Estate. Mehr als 20 Jahre ist er an der Projektentwicklung bundesweiter Immobilien beteiligt. In Dresden baute das Unternehmen das Prager Carrée oder das Haus am Schauspielgarten. Cromm betont, dass der Alte Leipziger Bahnhof eine Seltenheit sei. In Innenstadtnähe gebe es keine Brache mehr wie diese. Einen Globusmarkt könne er sich auf der Fläche nicht vorstellen. Die missglückte Planung sei ein Beispiel dafür, dass Investoren Nachbarn und Interessierte von Anfang an einbeziehen müssen. ´

Von den Hufewiesen lernen?

Dass sich Bürger ihr Recht auf Mitsprache aber auch erkämpfen können, ohne erst auf ein Entgegenkommen des Investors zu warten, weiß Anja Osiander. Die frisch gewählte Grünen-Stadträtin erzählt vom Erfolg auf den Hufewiesen in Alttrachau. Zwar konnten Anwohner mit ihrem Protest das Gebiet noch nicht sichern, aber einen Kompromiss bei der Bebauung erwirken. Damit von vornherein Investoren, Stadtplaner und Bürger ins Gespräch kämen, brauche es Menschen wie Fritjof Mothes, erklärt Osiander.

Mothes, Initiator des Leipziger Planungsbüros StadtLabor, komplettiert das Podium. Er wird als unabhängiger Berater in Stadtentwicklungsplanungen hinzugezogen, soll vermitteln und versöhnen. Ihn beauftragen Investoren und die Stadt Leipzig. Wichtig für Mothes: „Alle auf Augenhöhe zusammenzubringen. Nur so kann die Breite der städtischen Interessen abgebildet werden.“ Dazu gehöre auch, Eigentümerinteressen frühzeitig einzubeziehen. Auf dem Areal zwischen Leipziger Straße und Großenhainer Straße, das von der Eisenbahnstraße und der Erfurter Straße begrenzt wird, sind zwölf verschiedene Eigentümer, mehrere Gewerbebetriebe und Kultureinrichtungen ansässig.

Inspirationsort Leipziger Bahnhof: In der Austellung werden Meinungen und Ideen gesammelt. Die Austellungsmacher möchten diese am Ende der Stadt übergeben. Foto: M. Skurt

Das wünschen sich Anwohner

Ein Stolperstein aus seiner Erfahrung: Bei der Planung neuer Stadtviertel wie etwa am Alten Leipziger Bahnhof müssen Alteingesessene nicht selten weichen. Der Wagenplatz könnte ein Beispiel für einen solchen Verdrängungsprozess sein. Das verdeutlicht der Sprecher der Initiative Frank Dresig aus dem Publikum heraus. „Uns ist bewusst, dass wir ein rotes Tuch für Investoren sind“, sagt er. „Allerdings besteht in Dresden ein Bedarf an dieser Wohnart. Wir bekommen jede Woche Anfragen von Menschen, die gern bei uns wohnen wollen. Zudem sind wir dankbar, vom Eigentümer auf diesen Flächen geduldet zu werden.“ Er hoffe, dass das so bleibt.

Auch ein anderer Gast formuliert zum Ende eine Hoffnung: Um dem Radverkehr am Alten Leipziger Bahnhof eine Chance zu geben, könnte das Areal mit einer modernen Brücke die Stadtteile Pieschen, Neustadt und Hecht verbinden. Bäumler greift diesen Gedanken abschließend auf. Das Areal sei nicht nur ein Ort in exzellenter Lage, sondern auch einer mit echtem Nischencharakter. Hier könne frei von Zwängen ein Stadtquartier entwickelt werden. „Wir müssen kein barockes oder modernes, sondern können ein gutes Stück Stadt entwickeln.“

Service:

WAS: Ausstellung „Inspirationsort. Alter Leipziger Bahnhof Dresden – Was wäre, wenn. . .?
WANN: noch bis 17. August 2019, dienstags bis samstags von 13 bis 18 Uhr; offene Vernissage am Donnerstag, 18 Uhr
WO: Zentrum für Baukultur Sachsen, im Kulturpalast Dresden
>> mehr Informationen zur Ausstellung

Eine Meinung zu “Wohnen am Alten Leipziger Bahnhof: Alle wollen mitreden – wie soll das gehen?

  1. Sascha Möckel sagt:

    Von Kunst&Kultur ist leider nicht die Rede obwohl mehrere Kreditinstitutionen wie die Blaue Fabrik und die Hanse 3 auf dem Gelände beheimatet sind. Ein lebendiger Stadtteil braucht Kultur und Freiräume.