Ein Vierteljahrhundert soziale Arbeit feiert das AWO-Familienzentrum Altpieschen am Montag. Seit dem 7. Januar 1993 kümmert sich das Team um Leiterin Heidrun Dubrau um hilfebedürftige Familien, um junge Eltern und deren kleine Kinder und zeitweise auch um Jugendliche, Senioren und Wohnungslose. 25 Jahre Zuhören und Unterstützen, 25 Jahre Eingehen auf unterschiedliche Persönlichkeiten, Bedürfnisse und Voraussetzungen, 25 Jahre auch Aushalten anstrengender Situationen. Dafür brauchen die Mitarbeiter nicht nur Einfühlungsvermögen, Durchsetzungsfähigkeit und beherztes Zupacken, sondern auch eine Menge Humor. „Das geht gar nicht anders“, meint die langjährige Mitarbeiterin Karla Hofmann, und ihre Chefin Heidrun Dubrau ergänzt: „Sonst hättense uns schon fortschaffen können in die Anstalt … “
Die beiden Frauen waren von Anfang an dabei und erzählen herzlich lachend so manche Anekdote aus den Anfangsjahren. Von der älteren Dame, die beim Müllwegbringen das Gleichgewicht verloren hatte und dann kopfüber in der Mülltonne steckte – „Was sind denn das für Geräusche? Was wimmert denn da so? “ – oder vom „Baron“, einem Bewohner der Wohnanlage Altpieschen 5–11, dem Anfang des 20. Jahrhunderts als Asyl für alleinstehende Männer und Obdachlose errichteten Karree.
Kopfrechnende Senioren und duschende Studenten
Dort im Erlweinhof, im Gebäude 5c, hat vor 25 Jahren alles begonnen. Im Erdgeschoss des dreistöckigen Gebäudes befand sich zu DDR-Zeiten eine Mütterberatungsstelle und in den oberen Etagen eine Kinderkrippe. „Als wir kamen, war im Keller sogar noch das Schwimmbad der Kinder“, erzählt Heidrun Dubrau. Der Arbeiterwohlfahrt-Kreisverband Dresden e. V. sanierte das Haus und richtete sein Sozialzentrum mit Familienberatung und -hilfe, Jugendberatung, psychologischer Betreuung und Schuldnerberatung ein.
Zu den Besuchern gehörten etliche Bewohner der umliegenden Häuser. Die Wohnanlage mit ihren Mini-Wohnungen und Kohleöfen war jahrzehntelang nicht saniert worden und befand sich in den 1990er Jahren in einem entsprechend schlechten Zustand. Wer dort wohnte, hatte wenig Geld und oft auch wenig Glück im Leben. „Mit den Senioren haben wir Kopfrechnen geübt, um das Gedächtnis zu trainieren. Und dann wohnten da auch einige Musikstudenten, die sind zu uns duschen gekommen“, erzählt Heidrun Dubrau.
Weil nach Sanierung und Verkauf des Erlweinhofs die Miete zu hoch wurde, suchten sich die AWO-Mitarbeiter 2012 ein neues Domizil – nur ein paar Hauseingänge weiter. Ein ehemaliges Architekturbüro im Erdgeschoss wurde umgebaut, später kamen noch mehrere Wohnungen im Haus dazu.
„Frau Hofmann, seinse doch mal gechillt! “
Im Mittelpunkt der Tätigkeit stand immer die Arbeit mit Familien. Bedürftige Familien erhalten Unterstützung bei Kindererziehung, Ämtergängen und Alltagsbewältigung. „Ambulante Hilfen zur Erziehung“ heißt das im Amtsdeutsch. Zwischen zwei und zehn Stunden pro Woche kommen Familienhelfer zu den Familien nach Hause. Gemeinsam wird besprochen, wo Schwierigkeiten liegen, was die Familien ändern wollen, und werden Handlungsschritte aufgestellt, um diese Ziele zu erreichen. „Man muss die Familien so nehmen, wie sie sind“, sagt Karla Hofmann, „und darf Ablehnung nicht persönlich nehmen. Das hat immer eine Ursache, und die versuche ich zu ergründen. “ Mitunter dauere es einige Zeit, bis Vertrauen aufgebaut ist, aber dann schätzten die meisten Familien die Unterstützung sehr – auch wenn von Jugendlichen mal Sprüche kommen wie „Frau Hofmann, seinse doch mal gechillt!“. Über die Jahre ist die stolze Summe von rund 900 betreuten Familien zusammengekommen.
Kompetente Eltern – glückliche Kinder
Bei der Familienarbeit haben die AWO-Mitarbeiter die Eltern besonders im Fokus, denn sie sind es, die den Alltag gestalten und die Kinder aufs Leben vorbereiten müssen. Deshalb fahren die Helfer seit 1997 jedes Jahr mit „ihren Familien“ eine Woche in den Urlaub – mit rund 70 Personen! Gemeinschaftliche Aktivitäten stehen dabei im Mittelpunkt – das beginnt schon beim gemeinsamen Essen, das viele Familien sonst nicht praktizieren. „Da lernen Sie die Familien noch mal aus einem ganz anderen Blickwinkel kennen“, so Dubrau und Hofmann.
Für werdende und frischgebackene Eltern halten die AWO-Mitarbeiter zahlreiche offene Angebote bereit: Krabbelgruppen, stundenweise Kinderbetreuung, Eltern-Kind-Turnen, Flohmärkte, Hilfe beim Ausfüllen von Eltern- und Kindergeldanträgen und vieles mehr.
„Wir haben mal rekonstruiert: Im Familientreff haben wir etwa 12.000 Familien erreicht“, sagt Heidrun Dubrau stolz.
Neu: Arbeit mit Jugendlichen und Wohnungslosen
Seit 2013 kümmert sich das Familienzentrum zudem um straffällig gewordene Jugendliche und Wohnungslose. Sie erhalten Beratung und praktische Unterstützung. „Unser Ziel ist es, die Obdachlosen wieder in eine Wohnung zu bringen und die Chancen der jungen Leuten auf ein straffreies und selbstbestimmtes Leben verbessern“, so Karla Hofmann.
Als 2015 die große Flüchtlingswelle Dresden erreichte, stampften die Mitarbeiter innerhalb eines halben Jahres zwei Wohngruppen für unbegleitete minderjährige Asylsuchende aus dem Boden. Junge Afghanen, Syrer, Kurden belegten die sechs Plätze – und mittlerweile auch deutsche Jugendliche. „Angesichts der rückläufigen Flüchtlingszahlen denken wir derzeit darüber nach, wie wir das Wohngruppen-Angebot umgestalten“, beschreibt Heidrun Dubrau die aktuellen Überlegungen.
Geburtstagsparty am Montag
Aber erstmal wird gefeiert: Am 19. März zwischen 13 und 18 Uhr stehen die Türen zur Geburtstagssause offen. Das Familienzentrum präsentiert seine vielfältigen Angebote und seine Geschichte. Auf Plakaten mit zahlreichen Fotos lassen die Mitarbeiter jedes einzelne der 25 Jahre Revue passieren. Die jungen Besucher können kreativ werden, sich schminken lassen oder am Glücksrad drehen. Und natürlich werden auch knurrende Mägen gefüllt.
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