Viele derer, die auf dem Pieschener Markusfriedhof ihre letzte Ruhestätte fanden, waren in besonderer Weise mit der Geschichte des Dresdner Nordwestens verbunden. So auch der 2004 kurz nach Vollendung seines 101. Geburtstages verstorbene Albert Teichmann. In Trachau geboren und unmittelbar neben dem Hof der Trobischs aufgewachsen, kannte er nicht nur den 1918 verstorbenen „Kirchenlandstifter“ Johann Heinrich Trobisch, dessen Sohn Adolph sowie Enkel Alfred, sondern auch Hilma, die letzte Bäuerin auf dem Hof.
Noch heute können einige Alttrachauer über die freundliche und emsige rackernde Hilma dies und das erzählen. Viel Wahres, aber auch so manches, was ins Reich der Legenden gehört. So zum Beispiel, dass sie hin und wieder in einem Sarg „Probe liegen“ gegangen sei. Diesen hatte sie fürsorglich schon vor ihrem Ableben anfertigen lassen und in der eigenen Hofscheune abgestellt.
Wahr ist aber, was mir dereinst Albert Teichmann erzählte. In den 1970er Jahren habe Hilma beim Kramen in Schränken und Truhen das „Dresdner Adreß- und Geschäfts-Handbuch von 1896“ aus dem Besitz von Johann Heinrich Trobisch, dem Großvater ihres 1958 verstorbenen Ehemannes, gefunden. Von ihr gebeten, verkaufte es ein Hofnachbar der Sächsischen Landesbibliothek, die sich damals auf der Marienallee in der Dresdner Albertstadt befand. Und weil der Verkauf einen Erlös von 30 Mark erbrachte, lud Hilma ihn und seine Ehefrau zum Spargelessen ins nordwestlich von Meißen gelegene Diesbar ein.
Am Dresdner Terrassenufer hatten sie die „Diesbar “ bestiegen und auf dem Oberdeck Platz genommen. In Höhe der Kaditzer Kirche war über Hilma ein richtiger „sächs’scher“ Kaffeedurst gekommen. Da der 1883 in der Schiffswerft Blasewitz gebaute und bis 1926 unter dem Namen „Pillnitz“ fahrende Raddampfer keine Bewirtschaftung hatte, musste sie sich bis Diesbar gedulden.
Der dortige und schon seit 1856 bestehende Gasthof „Zum Roß“ bot wohl Kaffee an, ein Spargelgericht war auf der Speisekarte aber nicht zu finden. Also, zurück nach Meißen. Der Autobus, mit dem sie die Rückfahrt beabsichtigten, fuhr erst eine reichliche Stunde später. „Gehen wir ein Stück zu Fuß, kaufen unterwegs ein paar Stangen Spargel und steigen an einer anderen Haltestelle zu “, schlug Hilma vor. Da die einheimischen Spargelstecher aber viel zu weit von ihnen entfernt waren, begannen die drei Siebzigjährigen selbst in den Beeten zu stochern, und sie wurden fündig.
In der Domstadt Meißen angelangt, war ihnen nach Einkehr nicht mehr zumute. Die S-Bahn brachte sie nach Trachau, wo Hilma entschied: „Nehmt Ihr meinen Spargel mit, kocht Kartoffeln dran und macht Holländische Soße dazu.“ So hatten die drei Alttrachauer wohl den Gründonnerstag des Jahres 1975 gemeinsam verlebt, zum Spargelessen war es allerdings nicht gekommen.
Am 20. Januar 1985 ist Hilma Berta Trobisch im Krankenhaus in der Trachauer Industriestraße verstorben. Auf dem Kaditzer Kirchfriedhof wurde sie an der Seite ihres Ehemannes in aller Stille beerdigt.
Zehn Jahre später, am 17. Februar 1995, öffnete im ehemaligen Hof der Trobischs die Gaststätte „Trobischhof“ , in der man vor allem zur Spargelzeit Gerichte mit dem begehrten Gemüse verzehren konnte. Aufgrund der Einschränkungen während der Corona-Pandemie schloss das Restaurant 2019 und wurde am 1. April 2023 wieder eröffnet.
Das Adressbuch befindet sich noch heute im Archiv der Sächsischen Landesbibliothek, die seit 2002 ihren Sitz in der „Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek“ im Zelleschen Weg hat.
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2 Kommentare zu “Brendler’s Geschichten: Die letzte Bäuerin auf dem Hof der Trobischs”
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erster Besuch bzw. Versuch , Ein Aufsteller auf dem Fussweg lädt ein: Restaurant geöffnet. Also freudig und neugierig hinein spaziert, die Kellnerin freundlich hallo und die Chefin im vorderen Gastraum antwortet auf unser hallo sehr reserviert und fast schüchtern leise „guten Tag“. Wir setzen uns , fast am Tresen ,an einen Tisch und mustern das neue alte Restaurant Trobischhof.. So richtig kommen wir jedoch nicht dazu, da eilt schon die Kellnerin immer noch freundlich zu uns und verkündet, das Restaurant sei bereits seit 15.oo geschlossen, denn die Öffnungszeiten sind Sonntags von 12.00 – 15.00 Uhr. Es würde ihr auch wirklich leid tun für uns. Wir schauen uns trotzdem noch kurz um und finden das zusammengewürfelte Moliliar nicht schön und auch nicht wirklich einladend. Das Essen und Trinken konnten wir leider nicht genießen und werden es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch kaum in Zukunft tun.
überrascht nicht bei den pächtern :) kommen sie doch ab 29.4. in die Lindenschänke Übigau