Mittwochnachmittag am Haus der Begegnung in der Großenhainer Straße. Vor der Tür der Kneipe Zeitgeist stehen vereinzelt Menschen, die nach und nach zu einer beträchtlichen Schlange anwachsen, während drin fleißige Hände Tische verrücken und Tüten auspacken: heute gibt die Tafel Dresden hier Lebensmittel aus, wie jede Woche um die Zeit.
Versorgung mit dem Nötigsten
Fünf Mitarbeitende braucht es, um alles vorzubereiten. Kistenweise übrig gebliebene Waren wurden teilweise direkt aus den Supermärkten abgeholt und hierher gebracht. Nun wollen Milchprodukte in den Kühlschrank geräumt, Obst und Gemüse überprüft und Säcke voller Backwaren ordentlich in Boxen einsortiert werden. 15 Uhr muss alles fertig sein, dann öffnen sich die Türen für die Kundschaft.
Etwa 25 bis 35 Menschen holen sich jede Woche hier Essen ab, hauptsächlich Rentnerinnen und Studenten. „Anmelden kann sich jeder mit einem Einkommen von unter 1.200 Euro monatlich. Pro Person, die im Haushalt lebt, erhöht sich diese Grenze noch einmal“, erklärt Holger Richter, der für die Dresdner Ausgabestellen der Tafel verantwortlich ist.
Das Ziel: Nahrungsmittel, die sonst weggeworfen würden, an Menschen abzugeben, die sozial benachteiligt sind. Bezahlen müssen sie hier lediglich eine Betriebskostenbeteiligung, mit der die Tafel die laufenden Ausgaben deckt, die überwiegend durch den Transport der Waren entstehen. Jeden Tag werden in zahlreichen Touren sechs bis zehn Tonnen Lebensmittel aus über 100 Geschäften abgeholt und auf die verschiedenen Ausgabestellen verteilt.
Zwischen Engagement und Pragmatik
Abgerechnet wird nach einem speziellen System: alle Produkte werden in Einheiten abgebildet, wobei eine Einheit immer 30 Cent kostet. Das ist dann zum Beispiel der Wert für zehn Kartoffeln, fünf Äpfel oder 500 Gramm Weintrauben. Ein Blumenkohl hingegen kostet drei Einheiten. Welche Waren wie vielen Einheiten entsprechen, steht auf einer Liste, nach der dann auch erfasst und abkassiert wird.
Diese Aufgabe gehört zu denen der Helferinnen und Helfer in Pieschen. Kein Problem für das eingespielte Team, zu dem unter anderem Frau Heichen gehört. „Ich mache das hier seit über zehn Jahren“, erzählt die Rentnerin, die jeden Mittwoch ehrenamtlich mit anpackt. Überhaupt funktioniert die Tafel hauptsächlich mithilfe von Ehrenamtlichen. Über 260 sind es in Dresden, dazu einige Bundesfreiwillige, über Maßnahmen des Arbeitsamts oder projektgeförderte Stellen, und schließlich eine Handvoll Festangestellter. „Wir können noch jede Menge Hilfe gebrauchen, vor allem im Bereich der Organisation“, sagt Alrik Schumann, der im Vorstand des Tafel Dresden e.V. sitzt, der keine institutionelle Förderung erhält und deswegen extrem bedacht wirtschaften muss.
Und das, obwohl viele Menschen in der Stadt auf das Angebot angewiesen sind, Tendenz steigend. „Im Moment haben wir zehnmal so viele Neuanmeldungen wie sonst“, weist Schumann auf die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine hin. Viele Geflüchtete kommen zur Zeit hier an und benötigen Unterstützung. Auch im Haus der Begegnung ist momentan eine ukrainische Familie untergebracht.
Wegwerfen als allerletzte Option
Die Tafel-Ausgabestelle in Pieschen ist eine von insgesamt sieben in Dresden. Die größte befindet sich in der Zwickauer Straße. Dort werden neben Lebensmitteln auch Produkte des täglichen Bedarfs abgegeben, wie Haushaltsgeräte, Kleidung und Kosmetika. Dort, in den Büros und den geräumigen Lager- und Kühlräumen, laufen auch die Fäden zusammen. Abgeholtes kommt an, wird sortiert und für Lieferungen an die einzelnen Tafelläden, soziale Einrichtungen und vereinzelt sogar Privatpersonen, die nachweislich in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, zusammengestellt.
Obwohl die Qualität der erhaltenen Nahrungsmittel nicht immer zum Verzehr geeignet ist oder die Mengen einfach zu groß sind, achtet die Tafel darauf, möglichst wenig wegzuwerfen. Übrig gebliebene Kleidung oder ein paar Paletten Marmelade gehen auch mal als Spende nach Osteuropa, ausgemustertes Gemüse oder zerdrückte Backwaren holen sich Bauern oder Bäuerinnen für ihre Tiere ab.
Nur einwandfreie Ware ist es dann, die mittwochs auf den Tischen im Haus der Begegnung landet und von 15 bis 17 Uhr abgeholt werden kann. Zusammen mit dem Laden auf der Rehefelder Straße 61, der samstags von 11:30 bis 12:30 geöffnet hat, ist Pieschen damit erst einmal versorgt.
Tafelladen im Haus der Begegnung
- Großenhainer Straße 93, geöffnet jeden Mittwoch von 15 bis 17 Uhr
- mehr Infos zur Tafel Dresden, Kunde oder Helferin werden unter www.tafel-dresden.de
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