Am 12. Juni wird eine neue Oberbürgermeisterin oder ein neuer Oberbürgermeister für Dresden gewählt. Zur Wahl stehen eine Bewerberin und acht Bewerber. Gemeinsam mit dem Online-Magazin Neustadt Geflüster haben wir allen Kandidaten die gleichen Fragen gestellt. Die Antworten geben wir nun in umgekehrter Reihenfolge des amtlichen Stimmzettels hier wieder.
Verkehr
Der Radverkehr ist ein heiß umstrittenes Thema in der Stadt. Wie wollen Sie die Umsetzung des Radverkehrskonzeptes für Dresden deutlich beschleunigen?
Bürgerinnen und Bürger, Beschäftigte müssen schnell und sicher auf Arbeit oder zu Freunden und ieder nach Hause durch unsere Stadt kommen. Mein Anspruch ist es, den Stadtverkehr insgesamt zeitgemäßer, effizienter, digitaler und nachhaltiger zu organisieren, ohne individuelle Bedürfnisse der Dresdnerinnen und Dresdner gegeneinander auszuspielen. So kommen wir alle ans Ziel, ob zu Fuß oder auf der Schiene, mit zwei oder mit vier Rädern. Wenn wir bei unseren Rad- und Fußwegen, Straßen oder Schienen zwingend etwas verbessern können, dann muss die Stadtverwaltung handeln.
Der Ausbau und die Sicherung von Radwegen ist für mich eine Selbstverständlichkeit, die ich gemeinsam mit den Fraktionen im Stadtrat voranbringen möchte Wir haben in Dresden im Stadtrat ein tolles Radverkehrskonzept entwickelt, das auch endlich mal umgesetzt werden muss. Ein Erfüllungsstand von nur 16 Prozent ist nicht zufriedenstellend. Wir brauchen hier weniger großspurige Planungen und aufgeheizte Debatten, sondern endlich reale Verbesserungen. Eine Vielzahl von Maßnahmen ist eigentlich einfach umzusetzen und nicht einmal umstritten, wie z.B. die Geschwindigkeitsbegrenzung und Piktogramme auf der Bürgerstraße in Pieschen.
Ich werde Verwaltungsstrukturen und Diskussionen zielgerichtet vereinfachen – Ämterblockaden lösen, um notwendige Infrastrukturmaßnahmen schneller umsetzen zu können. Eine gesamtstädtische und übergreifende Umsetzungsstrategie ist für mich die Grundlage meines Handelns. Zusätzlich werde ich einen Mobilitätskoordinator im Geschäftsbereich des Oberbürgermeisters mit Entscheidungskompetenz etablieren und hierdurch auch die Umsetzung des Radverkehrskonzept beschleunigen. Das bestehende Radnetz muss sicherer und damit attraktiver werden. Dafür werde ich die Öffentlichkeit einbeziehen und auf die sich verändernden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eingehen.
Beim Parken auf der Straße gab es in der Vergangenheit erhebliche Preissteigerungen, gerade in der Äußeren Neustadt, was nun den Parkdruck in angrenzenden Stadtvierteln erhöht, in Pieschen zusätzlich durch eine zunehmende Lückenbebauung, sehen Sie eine Notwendigkeit da regulierend einzugreifen und falls ja, wie?
Der Freistaat Sachsen schafft gerade erst die Rechtsgrundlage, damit die Kommunen die Preise von Anwohnerparkausweisen selbst bestimmen können. Auch Dresden sollte natürlich prüfen, ob hier eigene bzw. abgestufte Regeln sinnvoll sind. Die deutliche Anpassung der Parkgebühren durch den Stadtrat im Jahr 2021 war vernünftig. Weitere Veränderungen schließe ich nicht aus, aber die Auswirkungen auf Einwohner und Gewerbe müssen dabei immer mitbedacht werden.
Es ist im Interesse aller Dresdnerinnen und Dresdner, den Verkehr in der Innenstadt zu entschleunigen und zu reduzieren. Aber alle müssen auch umsteigen können! Es muss für die Leute besser und nicht einfach nur teurer werden. Dazu gehört dann auch, die Innenstadt so attraktiv zu machen, dass die Leute dennoch ohne Auto in die Innenstädte kommen können und wollen.
Verkehrsberuhigungsmaßnahmen und einzelnen autofreien Straßen stehe ich sehr offen gegenüber. Das ist aber vor allem auch Sache der einzelnen Stadtbezirke und muss die Bedürfnisse der Bevölkerung berücksichtigen. Ich finde hier auch das Konzept des shared space – zum Beispiel in den Pieschener Melodien – für manche Straßen spannend, gerade auch bei vielen Fußgängerinnen und Fußgängern und kleiner Gehwegbreite.
- geboren 1980, verheiratet, drei Kinder, evangelisch
- bis 2014 Polizeibeamter, zuletzt in der Kriminalpolizeiinspektion in Dresden
- Mitglied in der SPD seit 2004
- von 2009 bis 2015 Stadtrat für die SPD
- seit 2014 Landtagsabgeordneter für die SPD, verantwortet in seiner Fraktion vor allem die Themen Innere Sicherheit sowie Wohnungspolitik
- seit Anfang 2020 Vorsitzender der SPD Dresden.
- mehr über Albrecht Pallas auf seiner Webseite
- mehr zur OB-Wahl in Dresden 2022
Wohnen
Im Juni soll über die Mietpreisbremse im Sächsischen Landtag entschieden werden, sollte diese in Dresden eingeführt werden?
Ich habe seit Jahren für die Einführung der Mietpreisbremse gegen hartnäckigen Widerstand der CDU im Landtag gekämpft. Auch Dirk Hilbert lehnte diese übrigens vehement ab. Jetzt haben wir uns durchgesetzt. Die Mietpreisbremse ist beschlossen und wird für Dresden gelten. Das reicht aber noch nicht: wir müssen alle Kräfte bündeln, um die Mieten bezahlbar zu halten!
Die Mietpreisbremse verlangsamt den Mietanstieg bei Neuvermietung. Im Zusammenspiel mit dem Mietspiegel und der bereits jetzt wirksamen Kappungsgrenze für Bestandsmieten gewinnen wir Zeit, bis ausreichend bezahlbare Wohnungen verfügbar sind.
Soll Ihrer Ansicht nach die städtische „WiD Wohnen in Dresden“ gestärkt werden? Soll das Unternehmen Wohnungen vom Markt – zum Beispiel von der Vonovia – erwerben?
Als Mitglied der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag habe ich mit dafür gesorgt, dass wir in Sachsen überhaupt wieder sozialen Wohnungsbau betreiben! Dirk Hilbert hat 2006 zusammen mit der CDU, FDP und PDS (jetzt die LINKE) für den Totalverkauf des kommunalen Wohnungsbestands der WOBA gesorgt. Ein fataler Fehler, der jetzt gezwungenermaßen und teuer korrigiert werden muss.
Ich werde daher als Oberbürgermeister nicht nur die neue städtische Gesellschaft “Wohnen in Dresden” (WiD) stärken, indem ich eine Strategie für neue Bauflächen vorlege. Ich unterstütze zusätzlich die Pläne, mindestens 3.000 Wohnungen aus dem Bestand der Vonovia zu kaufen, ausdrücklich. Die von Dirk Hilbert bisher ausgehandelten Verhandlungsergebnisse sind aber vage und enttäuschend. Der Ankauf
muss bis Ende 2022 erfolgen. Bei der Verteilung der Belegrechte muss eine klare Grenze gezogen werden, wie viele belegungsgebundene Wohnungen maximal in einem Stadtteil sein dürfen. Schutzrechte für Mieterinnen und Mieter aus der ausgelaufenen Sozialcharta müssen wieder in Kraft treten.
Im Zentrum steht aber auch die Frage: Wem gehört Grund und Boden: Der Stadtrat hat auf SPD-Initiative einen Grundstücksfonds in Dresden beschlossen, der allerdings von der Verwaltung bislang noch nicht umgesetzt wurde. Hier werde ich eine hohe Priorität bei der Umsetzung einfordern. Er ist die Chance für Dresden, wieder in eine aktive Wohnungs- und Flächenpolitik einzusteigen, nicht nur um Wohnungen zu schaffen, sondern auch wegen fehlender Flächen für Gemeinbedarfseinrichtungen, Infrastruktur und gewerbliche Ansiedlungen.
Ich will einen solchen Fonds nutzen, um Wohnungen für die WID und auch Gewerbeflächen selbst als Stadt zu entwickeln und ggf. weiter zu verkaufen, um über die Erlöse neue Flächen kaufen zu können. Wir müssen wieder bedarfsgerechter bauen und damit vor allem Menschen mit niedrigen Einkommen und Familien unterstützen, die zunehmend keinen angemessenen und bezahlbaren Wohnraum finden. Bei jedem
größeren Quartier, das in unserer Stadt entstehen wird, werde ich daher konsequent gemeinwohlorientierte Unternehmen, wie die WiD oder die Dresdner Wohnungsgenossenschaften einbinden.
Einzelhandel
Viele Ladenflächen stehen leer und ungenutzt. Was wollen Sie zur Belebung des innerstädtischen Einzelhandels außerhalb der Altstadt tun, wie soll er wieder attraktiver werden?
Der Einzelhandel in der Innenstadt ist schon länger unter Druck, Konkurrenz durch Onlinehandel, gefühlte Gleichförmigkeit der Innenstadt, zu wenige spannende Orte. Eine Unterstützung der Stadt für z.B. die kulturelle oder öffentliche Zwischennutzung von Gewerbeeinheiten ist natürlich eine Option. Das Problem muss aber auch an der Wurzel gepackt werden. Ich werde als Oberbürgermeister gemeinsam mit allen Akteuren einen Masterplan Innenstadt entwickeln. Z.B. möchte ich zusammen mit dem Citymanagement und den Immobilieneigentümern Konzepte entwickeln, wie wir auch abseits der großen Ketten mehr kleinere Unternehmen für leerstehende Geschäfte gewinnen.
Die Leerstandsproblematik betrifft ja vor allem die B-Lagen in der Innenstadt, wohingegen die Top-Adressen und auch die Stadtteilzentren mit vielen inhabergeführten Geschäften gut durch die Krise gekommen sind. Wir müssen insgesamt mehr Anziehungspunkte in der Innenstadt schaffen – für Freizeitgestaltung und für die Wege des Alltags: Vielfältige Geschäfte und Gastronomie gehören genauso dazu, wie gut erreichbare Ämter und Dienstleistungen. Wir müssen die Innenstadt als Arbeitsort stärken, an geeigneten Stellen neuen Wohnraum schaffen und mehr Anlässe bieten, die Menschen ins Zentrum locken.
Wir müssen auch die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt erhöhen. Neue Bäume und Brunnen – Grüne Oase zum Verweilen – sind gerade an heißen Sommertagen unverzichtbar. Auch eine Offenlegung des Kaitzbachs könnte das Zentrum lebenswerter machen. Dazu ist mir wichtig, Freiräume im Herzen der Stadt, wie den Skatepark in der Lingnerstadt zu erhalten und die Robotronkantine als spannenden Ort wiederzubeleben.
Tempo in der Verwaltung
Wie kann die Verwaltung die Umsetzung bestehender Beschlüsse, vor allem beim Bauen und in der Stadtentwicklung beschleunigen? Der Stadtratsbeschluss zur Königsbrücker Straße zum Beispiel ist nun schon fast sechs Jahre alt. Die Entscheidung zum Sachsenbad hat fast 30 Jahre gebraucht.
Ich will gute Verbindungen in der Stadt schaffen, statt Grabenkämpfe darüber zu führen. Der derzeitige Amtsinhaber duckt sich in den zentralen Debatten weg, gerade auch bei schwierigen Entscheidungen und gibt keine Orientierung. Auch deshalb werden im Stadtrat immer wieder grundsätzliche Debatten geführt und je nach wechselnder Mehrheit Entscheidungen wieder geändert und rückgängig gemacht.
Ich werde mich mit den Beigeordneten und den Stadtratsfraktionen über Entwicklungsziele verständigen. Ich werde Verwaltungsprozesse und Diskussionen zielgerichtet vereinfachen – Ämterblockaden lösen, um notwendige Infrastrukturmaßnahmen schneller umsetzen zu können. Eine gesamtstädtische und übergreifende Umsetzungsstrategie ist für mich die Grundlage meines Handelns. Als erstes nehme ich dabei verschleppte Projekte wie das Stadtbahn-Programm und die Umsetzung des Radverkehrskonzepts in den Blick.
Digitalisierung – gibt es Bürgeranliegen, die nicht einfach und digital erledigt werden können? Was wollen Sie hier in den kommenden sieben Jahren bewegen?
Wir müssen als Verwaltung schneller und einfacher werden angesichts der großen Herausforderungen bei Infrastrukturvorhaben etwa beim Klimaschutz. Alle Dienstleistungen müssen wir auch digital nutzen können. Jeder Haushalt und jede Schule in Dresden muss einen gigabitfähigen Internetanschluss haben. Dresdner Schülerinnen und Schüler müssen die Möglichkeit haben, digitale Kompetenzen zu erwerben. Dazu gehören ausreichend viele, für alle kostenfrei zugängliche WLAN Access-Points. Ich will, dass Digitalisierung ein Vorzeigeprojekt Dresdens wird.
Die Menschen sollen durch Digitalisierung Zeit für andere Dinge des Lebens gewinnen. Schnellere Verfahren, mehr Dienstleistungen, weniger Aufwand, mehr digitale Partizipation sowie Informations-und Kommunikationstechnologien sollen v.a. dazu dienen, ökologische und soziale Verbesserungen zu erreichen. Das Online-Angebot der Stadt unter dresden.de ist ein guter Startpunkt, mit der “Dresdner Debatte” gibt es bereits eine gute und erfolgreiche Grundlage der digitalen Partizipation für Dresdnerinnen und Dresdner. Das Angebot muss aber insgesamt noch ausgebaut, übersichtlicher gestaltet und deutlich barrierefreier werden.
Mir ist wichtig, dass in einer digitalen Stadt alle mithalten können. Daher muss es auch weiterhin die Möglichkeit geben, mit Anliegen einen direkten Kontakt zu einer menschlichen Ansprechperson zu erhalten.
Schiefe Ecke
Das Verwaltungsgericht Dresden hat die Stadtverwaltung im Dezember aufgefordert, „geeignete polizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der den Schutz der Nachtruhe bezweckenden Verbote ihrer Polizeiverordnung vom 25. Januar 2018 zu ergreifen“. Es geht konkret um die Kreuzung Rothenburger, Louisen-, Görlitzer Straße. Welche Maßnahmen sollten Ihrer Ansicht von Seiten der Stadt unternommen werden?
Aus meiner Sicht ist die Lage am Assi-Eck vor allem dadurch entstanden, weil die aktuelle Stadtspitze nicht aktiv an Lösungen gearbeitet hat, bestehende Regeln (z.B. Lärmschutz bei Boom-Boxen) nicht durchgesetzt hat und zu viel einfach laufen gelassen wurde. Ausnehmen möchte ich das Stadtbezirksamt und den Stadtbezirksbeirat. Hier findet eine kontinuierliche Diskussion über die notwendigen Maßnahmen statt.
Auch Maßnahmen wie die “Nachtschlichter” gehen auf die Stadtteilverwaltung zurück. Junge Menschen leiden darunter, dass durch die zunehmende Verdichtung in unserer Stadt viele soziale Orte und Freiräume weggefallen sind. Die Zeit der Coronapandemie, wo Clubs, Bars und Ausgehmöglichkeiten geschlossen blieben, hat den Zulauf auf das Assi-Eck noch verstärkt. Ausbaden müssen das alles nicht nur die Anwohnerinnen und Anwohner, die unter dem Lärm leiden, sondern eben auch die Polizistinnen und Polizisten, die Nacht für Nacht wahre Sisyphos-Arbeit verrichten müssen.
Stadtverwaltung, Sicherheitsbehörden und Anwohnerinnen und Anwohner müssen gemeinsam langfristig sinnvolle und nachhaltige Lösungen finden. Bislang wird zu viel an Symptomen herumgebastelt. Ob ein Alkoholkonsumverbot die Lage befrieden kann, wage ich zu bezweifeln. Es wäre auch ein sehr harter Eingriff. Auch junge Menschen haben ein Recht auf eigene Orte. Solange keine echte Alternative für das Feier-Publikum da ist, würde ein vitaler Neustadt-Ort ausgetrocknet und die Probleme unkontrolliert an einen anderen Ort verlagert.
Ich kann mir unter diesen Bedingungen ein zeitlich befristetes Alkoholverkaufsverbot für die Neustadt vorstellen. Dann bleibt das Assi-Eck als Begegnungsort erhalten. Die Feiernden hätten aber ab 22 Uhr eine Motivation an andere Orte zu gehen (Club, WG, Bar o.a.). Aktuell brauchen wir neben einer engagierten Präventionsarbeit und der Durchsetzung von Lärmschutzregeln vor allem konkrete Flächen in der
Stadt als soziale Orte, die auch in den Abendstunden genutzt werden können sowie eine lebendige und attraktive Clubkultur.
Vielen Dank für die Antworten.