Von 1929 bis 1994 stand eine Frau am Beckenrand der großen Schwimmhalle im Sachsenbad: die Bronzeskulptur „Ballspielerin“ von Eugen Hoffmann. Durch einen Aktenfund kann jetzt beantwortet werden, wie sie ins Sachsenbad kam. Es ist eine kleine Kultur-, Finanz- und Politikgeschichte.
Der erste Auftritt in Dresden
Die mit etwa zwei Metern etwas überlebensgroße Skulptur des Dresdner Bildhauers und Grafikers Eugen Hoffmann (1892 – 1955) wurde vermutlich erstmals im Sommer 1928 in der Kunstausstellung der Dresdner Kunstgenossenschaft im Künstlerhaus der Öffentlichkeit präsentiert.
Damals war die Ballspielerin jedoch nur als Gipsmodell zu sehen, ein Bronzeguss war noch nicht erfolgt. Doch das Interesse der Kunst-Ankaufskommission der Stadt war geweckt und eine weitere Besichtigung im Atelier Hoffmann „zwecks eines Ankaufs für eine städtische Sportanlage“ (Sitzungsprotokoll der Kunst-Ankaufskommission, 19.10.1928. Dieses und alle weiteren Zitate stammen aus der Akte des Stadtarchivs Dresden, Bestand 2.3.1, Nr. 88) wurde geplant. Anfang November wurde dann vom „ganz ausgezeichneten künstlerischen Eindruck“ geschwärmt, den die Skulptur gemacht habe – „besonders auch im Hinblick auf ihre so geeignete Verwendung für die grosse Badeanstalt, zu der wir vorher im Hochbauamte die Planung besichtigt hatten“ (Robert Sterl an Oberbürgermeister Blüher, 5.11.1928).
Der Kauf der Frau
Eine Verwendung für das „Volksbad Pieschen“, später Sachsenbad genannt, lag aufgrund der Thematik der Skulptur und dem absehbaren Bauabschluss des großen Bäder- und Büchereikomplexes nahe. Und auch Stadtbaurat Paul Wolf stimmte zu.
Es ging nur noch um den Preis. Ursprünglich verlangte Hoffmann 9.000 RM, davon 2.000 RM für den Guß, doch nach Besichtigung des Modells des Volksbades zur Klärung des Aufstellungsplatzes einigte man sich auf die Zahlung von 6.500 RM. Die Stadt finanzierte den Ankauf mit Mitteln des Verschönerungsfonds der Dr. Güntzschen Stiftung.
Erster Auftritt in der Ferne
Jedoch hatte Hoffmann auf eine Anfrage aus Nürnberg hin die Skulptur bereits für eine dort geplante Ausstellung zugesagt. Der Bronzeguss, der nun für die Stadt angefertigt wurde, war daher erstmals in der Ausstellung „Sport in der Deutschen Kunst“ des Albrecht-Dürer-Vereins in Nürnberg zu sehen. Da die Fertigstellung des Volksbades mit Herbst 1929 avisiert wurde, war das für die Dresdner Stadtverwaltung unproblematisch. Eröffnet wurde das Bad dann tatsächlich am 2. November 1929 mit der Ballspielerin am Beckenrand.
Mystifikationen und erste Berührungen
Zwischenzeitlich hatten sich noch andere Probleme bzw. Anfeindungen ergeben. Der Vorgang des Ankaufs wurde scharf kritisiert. Vorgeworfen wurde Hoffmann, dass er unter Umgehung der Kommissionen und unter Inkaufnahme der Schädigung der Kollegen direkt an die Stadt herantrete, um Verkäufe tätigen zu können. Seine „tschechische Nationalität“ verschlimmerte dies in der Wahrnehmung des Beschwerdeverfassers noch einmal. (i. A. Schambach an Oberbürgermeister Blüher, 8.11.1928)
Der Angriff erfolgte anonym, da sich die Verfasserangabe als falsch herausstellte. Eine Identifikation des Drahtziehers, der sich durch die falsche Namensnennung laut Stadtschreiber Monse damit einer „Mystifikation“ bedient hatte, gelang scheinbar nicht.
Doch auch die Dresdner Kunstgenossenschaft beschwerte sich kurz darauf. Sie forderte die Abführung einer Verkaufsprovision von 10 Prozent ein, da die Ankaufskommission durch ihre Ausstellung erstmal mit der Skulptur „in Berührung“ gekommen sei (Martin Pietzsch an Oberbürgermeister Blüher, 12.01.1929). Monse wies dies jedoch zurück, die Kunstgenossenschaft ging leer aus (Monse an Eugen Hoffmann, 12.11.1929 und der Rat zu Dresden an Kunstgenossenschaft, 19.11.1928).
Keine Frau mehr am Beckenrand
Mehrere Jahrzehnte und mehrere Generationen von Dresdner Schwimmerinnen und Schwimmern begleitete die Frau am Beckenrand standfest. Doch die Friedliche Revolution mit ihren wirtschaftlichen Umbrüchen bedeutete dann auch für sie schwankenden Boden und schließlich den Rückzug aufs Trockene. Sie wurde zur Sicherung durch den Eigenbetrieb Sportstätten eingelagert.
Denn das Sachsenbad wies inzwischen einen sehr bedenklichen Zustand auf und wurde vermehrt das Ziel nächtlicher Partyeinbrüche. Kerzenreste auf der Skulptur legten davon Zeugnis ab. In diesem Zustand konnte sie die Autorin im Juni 2018 erstmal inspizieren. Sofort war klar, dass sie in der damals in Planung befindlichen Ausstellung zur Dresdner Moderne präsentiert werden – ja einen Ehrenplatz erhalten sollte. Dafür musste sie gereinigt werden und erhielt zum Schutz einen mikrokristallinen Wachsüberzug. 2019 erfolgten diese Arbeiten durch den Metallrestaurator der Museen der Stadt Dresden.
Frisch geputzt und gewachst wurde die „Ballspielerin“ in der Ausstellung zum beliebten Dreh- und Angelpunkt. Viele Besucherinnen und Besucher erinnerten sich beim Besuch, wie sie unter ihren wachsamen Augen den Kopf über Wasser gehalten hatten.
Seitdem wird die Skulptur als Dauerleihgabe von der Städtischen Galerie Dresden verwahrt. Zunächst war dies noch unter der Option einer Wiederaufstellung im Sachsenbad nach Sanierung vereinbart worden. Doch nach dem Verkauf des Gebäudes im November 2021 wird es keine Frau mehr am Beckenrand geben: Der Käufer plant bekanntermaßen den Umbau zu Büroflächen mit Gastronomieangebot.
Die Autorin:
Dr. Claudia Quiring ist Kustodin für Baugeschichte und Stadtentwicklung am Stadtmuseum Dresden. Der Beitrag für das Onlinejournal Pieschen Aktuell ist eine gekürzte Fassung des Beitrages vom 18. Juli 2022 im Blog des Stadtmuseums.
>> mehr Beiträge und Hintergründe zum Sachsenbad gibt es im Sachsenbad-Dossier