Seit 1897 steht die Werkstatt von Jehmlich Orgelbau in der Großenhainer Straße 32. Die Brüder Emil und Bruno Jehmlich haben damals auch gleich ein Wohngebäude für die Beschäftigten des Familienbetriebes errichtet. Da waren sie bereits die 3. Generation des 1808 gegründeten Orgelbaubetriebes. Mit der 5. und 6. Generation kam heute Kulturministerin Barbara Klepsch (CDU) ins Gespräch. Anlass für ihren Besuch ist das Jahr der Orgel. Die Landesmusikräte in Deutschland hatten die Orgel zum Instrument des Jahres 2021 gewählt. Die Orgel, so die Begründung, sei „ein komplexes musikalisches Wunderwerk aus Pfeifen und Tasten, das so leise wie ein Windhauch, aber auch lauter als ein ganzes Orchester klingen kann“.
Die Kulturministerin sieht den Orgelbau als einen „wichtigen Teil der sächsischen Kulturlandschaft“ und gestand ein, bei ihrem Besuch „sehr viel dazugelernt zu haben“. Horst Jehmlich, der das Unternehmen in 5. Generation zwischen 1972 und 2006 durch die Enteignung, Verstaatlichung, Reprivatisierung und marktwirtschaftliche Neuausrichtung gebracht hatte, erzählte nicht ohne Stolz, dass ein Gast zur 200-Jahr-Feier im Jahr 2008 die Information mitgebracht hatte, das es sich hier um den weltweit einzigen Orgelbaubetrieb handele, der von Gründung an in Familienhand sei. Seine Tochter Evelyn und ihr Mann Ralf Jehmlich bilden bereits die 6. Generation. Ralf Jehmlich hat nach seinem Studium als Diplomingenieur für Holztechnik noch eine dreieinhalbjährige Ausbildung zum Orgelbauer absolviert. Seit 2006 leitet er gemeinsam mit seinem Schwiegervater als Geschäftsführer das Familienunternehmen. Dabei kümmert es sich vor allem um technische Innovationen und neue Konstruktionsmethoden.
Auch bei einem so traditionellen Instrument wie der Orgel wird experimentiert. So hat das Unternehmen für die Leipziger Universitätskirche eine Orgel entwickelt und gebaut, die mit einer Midi-Anlage kombiniert ist. Damit kann die Orgel zum Beispiel die Primusstimmen elektronisch einspielen, während der Organist oder Orgelschüler selbst die Unterstimmen spielt. Oder auch gespielte Stücke einfach aufnehmen. Ein ganz anderes Instrument wurde für die Lalaport-Shopping-Mall in Yokohama in Japan gebaut. Das sogenannte Orgel-Carillon steht auf einer erdbebensicheren Stahlkonstruktion und stellt weltweit eine bisher einmalige Kombination von Porzellanglocken und Porzellanpfeifen dar, erläuterte Ralf Jehmlich. Die elektronische Steuerung könne sogar von Dresden aus bedient werden. Mit den seit 1808 bisher 1.165 gebauten Orgeln verfüge der Familienbetrieb über einen riesigen Schatz an Erfahrungen in seinem Archiv. Dennoch gibt es immer wieder Neues zu lernen. So habe man für eine Orgel in Polen eine längst vergessene Herstellungsweise für spezielle Schrauben wiederbelebt.
Derzeit könnten Projekte im Ausland allerdings nicht realisiert werden. Aufträge in Norwegen, Polen oder Taiwan müssten wegen der Corona-Pandemie verschoben werden. Auch bei den für den Orgelbau notwendigen Rohstoffen habe sich die Lage verändert. So seien die Zinnpreise inzwischen von 18 auf 30 Euro pro Kilogramm gestiegen. Bei etwa einer Tonne pro Instrument falle dies schon erheblich ins Gewicht, meint Jehmlich. Auch wenn das Unternehmen beim Holz sehr langfristig plant und vieles selbst lagert, würden die Holzpreise derzeit den Nachschub deutlich erschweren.
Einen Hinweis an die Ministerin, zu deren Landtags-Wahlkreis der Stadtbezirk Pieschen gehört, hatte Horst Jehmlich noch. Die Ausbildung zum Orgelbauer finde im theoretischen Teil an der Gewerblichen Schule im baden-württembergischen Ludwigsburg statt. Die Lehrlinge, bei Jehmlich Orgelbau sind es derzeit zwei, benötigen sowohl in Ludwigsburg als auch in Dresden Unterkünfte. Während Lehrlinge aus den Altbundesländern von den dortigen Kultusministerien Unterstützung bei Kosten für die Anreise und die Unterkunft bekämen, wurde dies in Sachsen bisher abgelehnt. Barbara Klepsch nahm dies als ein offenes Problem mit.
Ein weiteres ist die Frage nach Fördergeldern des Bundes für den Erhalt von Kirchen und Orgeln. Die Restaurierung einer Orgel sei gerade für kleiner werdende Kirchgemeinden ein großes Problem. Oft müsse dies über mehrere Jahre hinweg geplant und realisiert werden. Zum Glück gebe es im Osten noch viele alte Instrumente in den Kirchen, weil zu DDR-Zeiten einfach das Geld gefehlt habe. Aber, so warnt Ralf Jehmlich, „der Holzwurm wartet nicht“.
Beim Rundgang durch die Werkstatt stößt man in allen Ecken auf die lange Tradition der Orgelbauer. So werden Zinn und Blei in einem Ofen aus dem Jahr 1897 geschmolzen und dann zu Platten verarbeitet. Orgelpfeifen aus Metall und Keramik lehnen an den Wänden oder liegen in Regalen. Die kleinste Orgelpfeife misst gerade einmal sieben Millimeter, erzählt Horst Jehmlich. Sie erzeuge einen sehr hohen Ton mit 16.000 Hertz. Die größte Orgelpfeife ist dagegen zehn Meter hoch und bringt die Luft mit 16 Hertz zum Schwingen. Das sei das Spektrum, in dem das menschliche Ohr Töne wahrnehmen könne.
Die Handschrift des Familienunternehmens ist auch im Stadtbezirk Pieschen zu finden. So steht seit 1991 ein Orgelneubau in der Emmauskirche in Kaditz,
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