„Ich bin älter als das Sachsenbad“. Als der 94-jährige Werner Fritzsche dort das erste Mal ins Schwimmbecken stieg, habe er schon schwimmen gekonnt, erzählte er am Sonnabend im Stadtteilhaus Emmers. Knapp 30 Zeitzeugen waren der Einladung der Bürgerinitiative „Endlich Wasser ins Sachsenbad“ gefolgt und berichteten bei Kaffee und Kuchen über ihre Erinnerungen an die Zeit in dem geschichtsträchtigen Bad.
Werner Fritzsche hat dort als Kind trainiert. „1936/37 bin ich Dresdner Schülermeister über 100 Meter Kraulen geworden. Damals hieß die Disziplin noch nicht Freistil“, sagte er. Das sei im Georg-Arnold-Bad gewesen, als es noch Güntzwiesenbad hieß. „Die Bahn war 100 Meter lang, die Strecke wurde ohne Wende geschwommen“, fügt er hinzu. Viele Jahre später sei er dann als Senior sogar Weltmeister und Europameister geworden – bei Wettkämpfen in München oder Göteborg zum Beispiel.
Von Wettkämpfen im Sachsenbad hat Klauß-Peter Scholz erzählt. „Dann wurde das Schwimmbecken mit Wasser aufgefüllt, damit es auch im Nichtschwimmerbereich tief genug war“, erinnert er sich. Der 74-Jährige hat im Sachsenbad als Kind Schwimmen gelernt und auch die Prüfung zum Rettungsschwimmer abgelegt. „Getaucht wurde damals im Sprungbecken. Das war vier Meter tief.“ Er sitzt mit Heidi Geiler an einem der Tische und berichtet über seine Erinnerungen.
An den Nachbartischen halten Dorothea Becker und Claudia Rüdiger die Berichte der Seniorinnen und Senioren fest. Alle drei sind von der Bürgerinitative „Endlich Wasser ins Sachsenbad“. Dorothea Becker ist Architektin und hatte zusammen mit Christine Swaboda, die die Zeitzeugen mit Kuchen und Kaffee umsorgte, Anfang 2016 im Ortsbeirat das Konzept der Wiederbelebung des Sachsenbades als Gesundheitsbad präsentiert. Inzwischen ist diese Idee der Bürgerinitiative zum Kern der Konzeptausschreibung der Stadt bei der Suche nach einem privaten Investor geworden.
Sogar einen Fotografen hat die Bürgerinitiative organisiert, um die Zeitzeugen zu porträtieren. „Wir bereiten für das kommende Jahr eine Ausstellung vor. Dann wird das Sachsenbad 90 Jahre alt“, erklärt Heidi Geiler. Erste Ergebnisse sollen schon in drei Wochen am Tag des offenen Denkmals präsentiert werden. Wie in den vergangenen Jahren wird die Bürgerinitiative am 9. September mit einem Infostand vor dem Sachsenbad in der Wurzener Straße über ihre Aktivitäten berichten. Erste Zeitzeugenposter sollen dann fertig sein. So wie der Bericht von Sven Fröde, den die Bürgerinitiative als Beispiel im „Emmers“ ausgehängt hatte. Er schildert dort seine Kindheitserinnerungen. Das Wichtigste neben dem Schwimmen sei damals der Handel mit den Stickersets aus der Bravo gewesen. Das habe sich in der Umkleidekabine abgespielt. Etliche Sticker hat er aufgehoben. Sie sind auf dem Poster zu sehen. „Ein Schwimmbad ist eben nicht nur ein Schwimmbad – es ist ein Ort des Austausches, des sich Begegnens, der Generationen“, heißt es in seinem Bericht.
Ein unvergessliches Erlebnis beschreibt Gabriele Francke im Gespräch mit Dorothea Becker. „Es waren die Weihnachtsfeiern direkt im Schwimmbad. Ich erinnere mich, dass in der Halle das Licht ausging und wir alle mit brennenden Kerzen in der Hand Runden schwimmen sollten.“ Das habe riesigen Spaß gemacht. Dann hätte der Weihnachtsmann Äpfel und Nüsse vom Sprungturm ins Wasser geworfen. Die Kinder seien dann vom Beckenrand gesprungen, um sich zu holen „was wir greifen konnten“. Am Ende sei der Weihnachtsmann dann in voller Montur vom Turm gesprungen. Gabriele Francke hat ihren DTSB-Mitgliedsausweis, Schwimmzeugnis und Schwimmabzeichen aufgehoben und am Sonnabend mitgebracht. „Die Aktion der Bürgerinitiative hat mich interessiert. Ich bin extra aus Leuben hierher gekommen“, sagt sie.
Klaus Tilger wird im nächsten Jahr 80. Auch er wollte seine Geschichte beisteuern. Er hatte sich das Schwimmen selbst beigebracht. „Ich habe mir das von anderen Kindern abgeschaut, bis ich mich über Wasser halten konnte“, erzählt er. 1949 hätte dann die Mutter seines Kumpels gesagt, dass wir jetzt jede Woche ins Sachsenbad gehen sollten. „Das bedeutete von Reick aus eine Stunde Straßenbahn und zehn Minuten Fußweg“, erinnert er sich. Viel wichtiger war jedoch der Tipp, den ihm der Bademeister gegeben hat. „Er hat mich aus dem Wasser geholt und gesagt: Du schwimmst falsch! Du musst die Arme vorn lassen, bis die Beine geschlossen sind“. Das habe er sich dann antrainiert und nie wieder das Vertrauen in seine Schwimmkünste verloren. Mit 40 sei er dann wieder regelmäßig schwimmen gegangen, fünf Jahre später sogar bei Wettkämpfen gestartet. Sein größter Stolz ist aber die mehrfache Teilnahme am Sundschwimmen in der Ostsee. Die 2,3 Kilometer lange Strecke führt von Altefähr auf Rügen nach Stralsund. „Das letzte Mal habe ich als 75-Jähriger mitgemacht und Platz 601 belegt“, berichtet er. Da hätte er mehr als 400 jüngere Schwimmer hinter sich gelassen. Er wohnt in der Lommatzscher Straße und würde sehr gern noch einmal im Sachsenbad schwimmen gehen.
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