Das in über 240 Veröffentlichungen vorliegende Gesamtwerk des wissenschaftlichen Archivars und Landeshistorikers Dr. Gerhard Schmidt (1920-2001) umfasst nicht nur Themen sächsischer Landes- und Kirchengeschichte, sondern auch Dresdner Stadtgeschichte. In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre hatte er unter anderem die 1983 vom Rat des Dresdner Stadtbezirkes Nord herausgegebene Geschichte der Stadtteile des Dresdner Nordwestens erarbeitet, wo er im Beitrag „Trachau und seine Wohnsiedlungen“ auf ein geschichtlich bemerkenswertes Gebäude hinwies: „Etwas abseits vom Dorf befand sich im 19. Jahrhundert eine Ziegelei. Ihr um 1830 errichtetes schönes Herrenhaus im Biedermeierstil steht noch heute an der Rietzstraße und trägt die Hausnummer 14.“
Zur Geschichte des Grundstücks und damit auch zu dessen Bebauung geben die 1867 im Flurbuch Trachau angelegten „Acten der Gemeinde Trachau bei Dresden“ detailliert Auskunft. So gehörte im 18. Jahrhundert der damals umfangreiche Grund und Boden zu einem Viertelhufengut, dessen Eigentümer der in Trachau ansässige Johann Georg Birkenzöller war. Im Jahre 1802 wurden auf eben diesem Grundstück ein Wohn- und Wirtschaftsgebäude sowie eines zum Ziegelbrennen errichtet. Als dann das Vorkommen geeigneten Ziegellehms offensichtlich erschöpft war, ließ der damalige Besitzer, ein Kapitän von Witzleben, um 1815 den Betrieb einstellen und Brennofen sowie Ziegelscheune abreißen.
Das Trachauer Flurbuch nennt zwei Jahrzehnte später einen Carl Heinrich Ferdinand von Petzinger als Eigentümer. Der zu den Begüterten in Trachau zählende Petzinger kandidierte für die erste Gemeinderatswahl im Juni 1839, wurde aber nicht gewählt. Um diese Zeit stand bereits das heutige, um 1830 auf einer kleinen Anhöhe und auf den Fundamenten eines weitaus älteren Gebäudes errichtete „schöne Herrenhaus im Biedermeierstil“. Hierher sollen während der Elbehochflut 1845 die Trachauer Bauern ihr Vieh in Sicherheit gebracht haben, sodass die Namen „Wasserschloss“ sowie „bei Petzinger“ aufkamen und sich lange Zeit im hiesigen Sprachgebrauch hielten.
Aus dem Flurbuch geht weiter hervor, dass in den folgenden Jahrzehnten das Haus nebst Wiese und Acker vererbt, verkauft, versteigert, in Parzellen aufgeteilt und diese mehrfach abgeschrieben wurden. Die Namen der Besitzer, Pächter und Verwalter wechselten in häufiger Folge bis 1876 der Berliner Fabrikant Aaron Simon Meyer das Grundstück erwarb. Von ihm erstand es im Jahr darauf der Dresdner Schenk- und Speisewirt Johann Heinrich Wilhelm Hensel. Seit 1865 im Gastwirtschaftsgewerbe tätig, war er von 1883 bis 1888 der Eigentümer der Gastwirtschaft „Zum Forsthaus“ in der Kleinen Brüdergasse Nr.2.
Im Trachau des beginnenden 20. Jahrhunderts, so die Überlieferung, sei immer von „Hensels Villa“ gesprochen worden, wenn die Rietzstraße Nr. 14 gemeint war. In ihr hatte der Privatier Hensel bis zu seinem Tode im Jahr 1905 auch gelebt. Den Namen trägt die Straße übrigens erst ab 1904. Um 1885 hieß sie Rosenweg und seit 1892 Rosenstraße. In den Jahren 1901/02 wohnte im Erdgeschoss des Hauses der Stukkateurgehilfe und Sozialdemokrat Wilhelm Buck (1869-1945), von 1920 bis 1923 Ministerpräsident des Freistaates Sachsen.
Nach Hensels Tod gehörte das Grundstück seiner Witwe und nach deren Ableben um 1940 den Erben des Ehepaares Hensel. Die Räume im Haupt- und Seitengebäude Rietzstraße Nr. 14 waren zeitweise von den Eigentümern oder durch eingesetzte Verwalter bewohnt und vermietet. Mit der Bebauung der heutigen Krantzstraße wurden 1937/38 die Seiten- und Nebengebäude von „Hensels Villa“ abgetragen und Grundstücksteile überbaut.
Zwischen 1939 und 1989 wohnten laut Hausbuch die Tietzes, Freunds, Markerts, Richters, Stephans, Rügers und Kratzschs in der Rietzstraße Nr.14. Da ein durch Unachtsamkeit verursachtes Feuer am 25. Juni 1951 das originale Walmdach, die aufgesetzten Mansarden und große Teile des Dachstuhls vernichtete, wurde das Gebäude 1952 mit einem Satteldach neu gedeckt.
Seit dem März des Jahres 1989 haben sich zwei bildende Künstler, seit längerem sind sie auch die Besitzer, im geschichtsträchtigen Gebäude häuslich eingerichtet. Es sind der in Königstein aufgewachsene Maler und Grafiker Eberhard Göschel, Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste, und die Portraitmalerin Sonja, die ihre Kindheit und frühe Jugend in Trachau verlebte. Das künstlerische Werk von Göschel und Sonja ist bemerkenswert. Davon zeugen eine Vielzahl persönlicher Ausstellungen, vor allem in Deutschland, und nicht zuletzt die Tatsache, dass einige ihrer Arbeiten in Galerien und Museen zu betrachten sind.
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