Hochwasser trachau

Brendler’s Geschichten: Die Wassermassen gerieten außer Rand und Band

Im Dezember 1987 wurde der Vertrag über die Städtepartnerschaft zwischen Dresden und Hamburg von den damaligen Oberbürgermeistern Wolfgang Berghofer und Henning Voscherau (1941-2016) unterzeichnet. „Sie galt in den 1990er Jahren als Vorzeigemodell deutsch-deutscher Annäherung “, schreibt die Autorin und freie Journalistin Beatrice von Weizsäcker, Tochter des am 31. Januar 2015 verstorbenen früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, in ihrer 2010 erschienenen Publikation „Die Unvollendete: Deutschland zwischen Einheit und Zweiheit“. Und weiter: „Da war natürlich die Elbe, die Dresden und Hamburg von jeher verband, und mit ihr das gemeinsame Interesse am Umweltschutz. Schnell hatten aber auch die Menschen zueinander gefunden. […] Längst ist diese Partnerschaft in der Normalität angekommen.“

Pieschener Winkel

Am Sonnabend, den 17. August 2002 hatte die Elbe einen Pegelstand von 9,40 Meter erreicht. Am Pieschener Winkel war „Land unter“. Foto: Gunnar Grützner (Dresden)

Dieser vor drei Jahrzehnten abgeschlossene und nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten aktualisierte Vertrag wird bis auf den heutigen Tag vor allem durch den 1995 gegründeten „Freundeskreises Dresden-Hamburg e.V.“ mit Leben erfüllt. Als im Sommer vor fünfzehn Jahren die Wassermassen außer Rand und Band gerieten, die Weißeritz und Elbe fast 50 Quadratkilometer von Dresden überfluteten, halfen bei den Rettungsmaßnahmen und beim Wiederaufbau neben vielen anderen auch eine Reihe Hamburger Institutionen.

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„Nicht nur Worte, sondern auch Taten bestimmen die Partnerschaft zwischen Dresden und Hamburg“, so Ole von Beust (CDU), Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, der am 22. August 2002 nach Dresden gekommen war. „Über 4,5 Millionen Euro sind bei der Spendenaktion ‚Hamburg hilft den Flutopfern‘ bereits zusammengekommen“, berichtete er damals.

An diesem 22. August hatte Dresdens Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) den zehn Tage zuvor ausgerufenen Katastrophenalarm für die Landeshauptstadt Dresden mit Ausnahme des Weißeritzgebietes aufheben können. Am Vormittag des 26. August galt die Aufhebung dann für das gesamte Stadtgebiet.

Hochwasser Koetzschenbroder Strasse

Die Kötzschenbroder Straße in Mickten wurde ab 15. August 2002, 10.30 Uhr für jeglichen Verkehr gesperrt. Foto: K. Brendler

Während des sogenannten „Jahrhunderthochwassers“ waren in Dresden bis zu 5400 Einsatzkräfte aktiv, davon auch 650 Angehörige der Bundeswehr. Besondere Unterstützung kam vom Bayerischen Roten Kreuz, von Kräften aus Schleswig-Holstein und aus der Partnerstadt Hamburg.

Über 450 Feuerwehrleute der Hansestadt waren seit dem 14. August 2002 in Dresden im Einsatz. Sie hatten die notwendige Technik, komplette Abschnitte eigenständig zu übernehmen und sicherten unter anderem auch die Eisenbahnbrücke an der Leipziger Straße / Geblerstraße in Trachau.

Im Nachlass des Diplomhistorikers Horst R. Rein (1936-2006), Gründer der Geschichtswerkstatt Dresden-Nordwest und Initiator des Marktes für Dresdner Geschichte und Geschichten, findet sich dazu folgender Text: „Das Hochwasser kam aus Richtung Elbepark. Bald stand es mannshoch an der Eisenbahnunterführung Leipziger Straße. Trotz der vielen Helfer drückte es durch den Damm von rund 3.000 Sandsäcken.“

Hochwasser feuerwehr

Feuerwehrleute aus Hamburg halfen beim Dammbau. Foto: K. Brendler

Als der Damm am Morgen des 17. August 2002 zu brechen drohte, trafen überraschend Hamburger Feuerwehrleute ein. Sie türmten die wenigen noch bereitliegenden Sandsäcke zu einem höheren Schutzwall. Auf dem an vielen Stellen unterspülten Damm stand ein erfahrener Feuerwehrmann mit grauem Haar. Es war Einsatzleiter Wolfgang Lindner, berichtete zwei Tage später das „Hamburger Abendblatt“. Beruhigend und mit Sachverstand begann er in breitem Hamburger Platt das Chaos zu ordnen. Die Helfer mussten die wahllos angefahrenen Sandsäcke nach Jutesäcken und Plastesäcken trennen. Eine Hochleistungspumpe wurde in Stellung gebracht und das durchbrechende Wasser über den Hauptdamm zurückgeschleudert. Das half und mit vereinter Kraft wurde der Damm erhöht und verstärkt.

Hochwasser Pumpen

Durchbrechendes Wasser wurde über den Damm zurückgepumpt. Foto: K. Brendler

Im Rücken der Helfer begann das Wasser aus der Kanalisation der Leipziger Straße auszutreten. Das Chemikalienlager des Li-il-Werkes und das Hotel Dresden Domizil mit seiner Bungalow-Anlage, beide auf der Geblerstraße, mussten geschützt werden. Weitere Dämme wurden gebaut.

Gegen Mittag kam Oberbürgermeister Ingolf Roßberg, um sich vor Ort zu informieren. Er konnte mitteilen, dass der Elbpegel von 9,40 auf 9,38 Meter gefallen war und die für das Wohngebiet hinter der Eisenbahnbrücke angekündigte Evakuierung zurückgenommen wurde.

Hochwasser Damm dicht

Am Nachmittag des 17. August ist der Damm dicht. Die Feuerwehrleute aus Hamburg und die einheimischen Helfer haben gewonnen. Foto: K. Brendler

Sieben Jahre nach dem Hochwasser von 2002 präsentierten die Dresdner Stadtplaner die Idee einer „Hafencity“, ähnlich der in Hamburg, nur etwas kleiner eben. „Das Gebiet zwischen Elbe und Leipziger Straße eignet sich hervorragend fürs Wohnen“, zitierte die Sächsische Zeitung im September 2009 den Chef des Stadtplanungsamts Andreas Wurff, der ein Jahr danach Dresden verlassen und in Mönchengladbach zum Baudezernenten gewählt wird.

Puschkinplatz

Der Alexander-Puschkin-Platz am 18. August 2002. Foto: Gunnar Grützner (Dresden)

Die „Hafencity-Idee“ aber wurde 2010 als Masterplan „Leipziger Vorstadt-Neustädter Hafen – Dresdens neue Adresse am Wasser“ von allen Fraktionen des Stadtrates beschlossen. Dieses Projekt stand jedoch schon im Jahr seiner Verkündung in der Kritik. Das Areal zwischen Elbe und Leipziger Straße und von der Marienbrücke elbabwärts bis zum „Puschkinplatz“ liegt bekanntermaßen im Überschwemmungsgebiet der Elbe.

Zudem wurde nach dem Hochwasser 2002 der Plan der Hochwasservorsorge für Dresden überarbeitet. Rund 200 verschiedene Maßnahmen sind hier auf 1.500 Seiten beschrieben und dokumentiert. Mit der Auswertung des Hochwasser vom Juni 2013 kamen weitere 70 Hochwasserschutzmaßnahmen hinzu. Für die Investoren in Dresdens neue Adresse am Wasser ergaben sich daraus neue Herausforderungen. Bekanntlich fanden Investoren und Stadtplaner dabei nicht immer eine gemeinsame Sprache.

Brendler’s Geschichten ist eine Serie, in der Klaus Brendler für das Onlinejournal Pieschen Aktuell in loser Folge an Orte, Ereignisse und Personen im Ortsamtsbereich Pieschen erinnert. Der Stadtteilhistoriker und Autor ist Vorsitzender des Vereins „Dresdner Geschichtsmarkt“ und Leiter der „Geschichtswerkstatt Dresden-Nordwest“. Er lebt in Dresden-Trachau.

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