Die Übergabe des Rettungswagens an die Stadtverwaltung von Diyarbakir in der Türkei ist gescheitert. Obwohl die Initiatoren der Aktion „Ein Rettungswagen für Kobane“ alle bürokratischen Hürden für die Einfuhr des aus Spenden finanzierten Krankenfahrzeuges genommen hatten, scheitert die Aktion jetzt offenbar am Veto aus dem Türkischen Gesundheitsministerium. „Erst wurde behauptet, das Fahrzeug ist zwei Zentimeter zu lang, jetzt haben wir ein neues Schreiben erhalten“, erzählt Fettah Cetin, Vorsitzender des Dresdner Vereins Deutsch-Kurdischer Begegnung. Darin würde die Behörde erklären, dass geltende Zollbestimmungen eine Zulassung des Fahrzeugs in der Türkei nicht erlaubten. Werde der Wagen nicht innerhalb von 30 Tagen beim Zoll in Ankara abgeholt, würde man ihn verschrotten.
Schreck, Empörung und großes Unverständis. Die Akteure der Vereine Pro Pieschen und Kurdisch-Deutsche Begegnungen versuchten sich gestern Abend ein Bild zu machen. Das Schreiben mit der Androhung der Verschrottung hat sie wie aus heiterem Himmel getroffen. Die Vereine hatten die Spendenaktion initiiert, den Wagen gekauft, ausgestattet und umfangreiche Verhandlungen mit den türkischen Behörden und dem Generalkonsulat in Berlin im Vorfeld geführt. Als alle Genehmigungen eingeholt waren, konnte der Rettungswagen am 3. September seine 3.500 Kilometer lange Fahrt antreten. Neben Fettah Cetin machten sich Achim Thiele, selbst viele Jahre als Fernfahrer unterwegs, und Heidemarie Franzke als Repräsentantin von Pro Pieschen auf den Weg. Vorläufige Endstation in der Türkei war die Zollstation in Ankara. Von dort wollte die Stadtverwaltung aus Diyarbakir das Auto abholen. Papiere und Wagenschlüssel hatte die dreiköpfige Delegation aus Dresden feierlich dem Oberbürgermeister der Stadt, Firat Anli, übergeben.
„Wir sind offenbar in den Strudel der Reaktionen des türkischen Staates auf den Putschversuch im Juli geraten“, mutmaßt Anja Osiander , Sprecherin von Pro Pieschen. Mitte September, kurz nach der Schlüsselübergabe in Diyarbakir, hat die Regierung ihre Politik in den Kurdengebieten geändert. 28 demokratisch gewählte Bürgermeister wurden abgelöst und durch vom Innenministerium ernannte Verwalter ersetzt. Etliche Angestellte in den Stadtverwaltungen seien ebenfalls entlassen worden, heißt es in einem Bericht der FAZ über die Aktion. Und obwohl das türkische Generalkonsulat Ende August noch grünes Licht für den Spendentransport gegeben hatte, ist die Situation jetzt eine ganz andere. Hilfe für die Flüchtlinge im Kurdengebiet an der türkisch-syrischen Grenze scheint nicht mehr erwünscht.
Fettah Cetin ist selbst in der Gegend um Diyarbakir groß geworden und hatte die Idee mit dem „Rettungswagen für Kobane“ nach Dresden mitgebracht. Das Leiden der dortigen Bevölkerung konnte er aus eigenem Erleben schildern. Nachdem sich später herausgestellt hatte, dass das Fahrzeug nicht über die Grenze nach Syrien gebracht werden kann, fanden die Vereine Unterstützung bei der Stadtverwaltung von Diyarbakir. Das Auto sollte in den Flüchtlingslagern auf türkischem Gebiet zum Einsatz kommen. Allein in der Zeltstadt von Suruc nahe der syrischen Grenze leben mehrere tausend vor dem IS-Terror geflohene Syrer, viele von ihnen aus der grenznahen Stadt Kobane.
Beim Treffen gestern Abend im Deutsch-Kurdischen Verein ist die Ernüchterung handgreiflich zu spüren. Auch wenn Heidemarie Franzke Fotos von der Fahrt nach Diyarbakir zeigt und begeistert den Empfang durch die Stadtverwaltung schildert, wird die Debatte schnell wieder sehr ernst. Fest steht: Der Krankenwagen muss beim Zoll in Ankara wieder abgeholt werden. Neben Cetin wird dieses Mal auch Pro-Pieschen-Sprecherin Osiander mitfahren. Das Fahrzeug ist auf ihren Namen zugelassen. Wenn der Zoll den Wagen rausrückt und das Team die Türkei wieder verlassen hat, sollen weitere Entscheidungen getroffen werden. Schließlich, so Osiander und Cetin, sei man den Spendern verpflichtet.
Regelmäßig haben die Vereine im Blog „Dresden hilft Kobane“ über den Fortschritt der Spendenaktion berichtet. Hier ist auch der erste Teil des Reiseberichtes von Heidemarie Franzke zu finden. Ausführlich werden die Mühen mit der türkischen Bürokratie beschrieben. Auch den weiteren Fortgang der Geschichte um den „Rettungswagen für Kobane“ werde man hier transparent schildern, versprechen die Akteure beider Vereine.
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