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Julie Steinert über Bücherboten und Büchertische: Leser brauchen uns da, wo sie sind

„Die, die uns brauchen, finden uns nicht. Und die, die helfen wollen, stehen Schlange“. Lena Schulz beschreibt ein Dilemma, dessen Lösung zu ihrem Beruf gehört. Sie ist die Koordinatorin für den ehrenamtlichen Bücherhausdienst der Städtischen Bibliotheken Dresden. Anfang November sind die Mitarbeiter der sozialen Bibliotheksarbeit vom World Trade Center in die Stadtteilbibliothek Pieschen umgezogen. Mit dem Bücherhausdienst, den Büchertischen, Ausleihstellen und der Fahrbibliothek sind jetzt alle mobilen Dienste der Dresdner Bibliotheken in der Bürgerstraße 63 vereint.

Warteschlange bei ehrenamtlichen Helfern

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Lena Schulz: Die Bücherboten besuchen rund einhundert Kunden. Foto: W. Schenk

Noch sind nicht alle Kisten ausgepackt. Aber das Register mit den etwa einhundert Lesern, die regelmäßig von ehrenamtlichen Bücherboten zu Hause besucht werden, hat Lena Schulz stets griffbereit am Schreibtisch. „Wir versuchen ständig, unser Angebot über die verschiedensten Wege publik zu machen“, sagt sie. Aber es sei schwer, die Menschen zu erreichen, die oft allein zu Hause seien und kaum noch Kontakte pflegen würden. Die persönliche Weiterempfehlung der Angebote sei meist besonders effektiv.

Die ehrenamtlichen Helfer, die mit Büchern, Hörbüchern, Musik oder Filmen die Hausbesuche machen wollen, kämen dagegen von ganz allein. „Wir haben sogar eine Warteschlange mit 60 Interessierten“, freut sie sich und man merkt ihr an, dass sie die gern beschäftigen würde. Unser jüngster Leser ist Mitte 30 und sehr krank, unsere älteste Leserin ist 103 Jahre alt. „Da ist die Bandbreite der Interessen so vielfältig wie die Menschen selbst“. Das klingt wie eine Allerweltsweisheit, ist aber für die Bücherboten immer wieder eine Herausforderung.

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Die Kunden der Bücherboten sind über die ganze Stadt verteilt. Foto: W. Schenk

Beim ersten Besuch, den Lena Schulz immer persönlich macht, werden das Angebot und die Regeln des Bücherdienstes beschrieben. Und sie will auch wissen, ob man die ehrenamtlichen Helfer dort zu einem Hausbesuch hinschicken kann. Es sei aber äußerst selten, dass die Zustände beim Kunden das verbieten würden. Manchmal könne dann auch der Sozialarbeiter helfen. Meist hat Lena Schulz am Ende des Gesprächs die wichtigsten Dinge auf einer Karteikarte notiert. Name, Alter, Adresse, Telefonnummer, auch die eines Verwandten oder Nachbarn, und natürlich die Interessen bei Lesestoff und Musik. Auch die gewünschten Besuchszeiten stehen auf der Karte. Später kommt dann der Name des Bücherboten hinzu. Auch auf Besonderheiten werde eingegangen. Ob zum Beispiel Bücher in Großdruck notwendig sind oder welche Angebote für geistig Behinderte am Besten passen.

Beim zweiten Besuch stellt Lena Schulz den Bücherboten oder die Bücherbotin vor. Und dann läuft es. „Das ist kein Hol- und Bringedienst wie Essen auf Rädern“, macht sie klar. Da werde miteinander geredet, über die Bücher, aber auch über alle anderen Dinge des Alltags. Das würde vielen fehlen, fügt sie hinzu. Der Bücherdienst erfülle eine wichtige soziale Funktion. Auch für die Boten selbst. Sie treffen sich zwei Mal im Monat zu Informationsveranstaltungen, Vorträgen oder gehen auf eine Exkursion – zum Beispiel zur Buchmesse nach Leipzig oder zur Messe Schriftgut in Dresden. Die Eintritte übernehme dann die Bibliothek. Dass ihre Arbeit auf diese Weise anerkannt werde, wüssten die Ehrenamtler sehr zu schätzen. Viele hätten hier schon neue Freundschaften geschlossen. Mitte Oktober wurde der ehrenamtliche Bücherdienst nach zwanzigjährigem Bestehen mit dem Sächsischen Bürgerpreis geehrt.

Büchertische im Sechs-Wochen-Rhythmus

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Julie Steinert zeigt ein Buch in Großdruck. Foto: W. Schenk

Zum sozialen Dienst der Bibliothek gehören auch die Büchertische und Ausleihstellen. „Unsere Büchertische finden sich derzeit in etwa 30 Senioreneinrichtungen“, erklärt Julie Steinert. Sie ist die Leiterin der sozialen Bibliotheksarbeit. Im Rhythmus von sechs Wochen werden hier Bücher und andere Medien ausgetauscht. Immer wieder müsse man sich Gedanken über passende Angebote machen. So hätten Ergotherapeuten nach Aktivierungsspielen gefragt, die bei der Betreuung von Demenzkranken eine gute Hilfe seien. „Dann machen wir uns auf die Suche nach entsprechenden Angeboten“, sagt Steinert. Derartige Spiele seien nicht gerade preiswert, der Bedarf danach sei steigend. Die soziale Bibliotheksarbeit habe ein Jahresbudget, aus dem entsprechende Einkäufe bestritten werden könnten. 15.000 Bücher, CDs, DVDs und Spiele gehören in den eigenen Bestand. Man könne aber auch auf das Gesamtangebot der Bibliothek zurückgreifen.

Die Ausleihstellen gibt es in der Justizvollzugsanstalt im Hammerweg und in den eingemeindeten Ortschaften. Diese würden von den 1999 abgeschlossenen Eingemeindungsverträgen profitieren. So können die Einwohner in Schullwitz, Rockau, Pappritz, Ockerwitz und Schönborn bis heute in eigene Kleinstbibliothen gehen. Der Bestand werde regelmäßig ausgetauscht, erklärt Julie Steinert.

Keine Öffnungszeiten

Für die ehrenamtlichen Bücherboten ist der Weg zum Büro der sozialen Bibliotheksarbeit jetzt weiter. Die Bücher und anderen Medien für ihre Leser suchen sie zwar in ihren Stadtteilbibliotheken aus. Aber für die Kontaktpflege wäre die neue Heimstatt der Bibliothek im Kulturpalast sicher attraktiver. Das werde sich einspielen, ist das Team der sozialen Bibliotheksarbeit zuversichtlich. Ohnehin gebe es einen fundamentalen Unterschied zur klassischen Arbeit der Bibliotheken, sagt Julie Steinert. „Wir haben keine Öffnungszeiten. Wir gehen zu unseren Kunden. Die brauchen uns da, wo sie sind.“

Eine Meinung zu “Julie Steinert über Bücherboten und Büchertische: Leser brauchen uns da, wo sie sind

  1. Gerda Koci sagt:

    Hallo, lieber Bücherdienst
    ich hätte ein Triominospiel und ein Sudokuspiel zu verschenken. außerdem könnte ich mich von einigen KlassikCD’s trennen. wird so etwas gebraucht? ich bin selbst Lesepate im Kindergartenund weiß, wie gut es ist aus großer Auswahl schöpfen zu können. wie schon gesagt: meine Angebote sind als Geschenk zu betrachten.

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