Das Haus mit Ladengeschäft an der Platanenstraße 24 besteht seit mehr als hundert Jahren. Dank zweier Bäcker wurde der Laden nach dem Niedergang Anfang der 1990er Jahre immerhin drei Jahrzehnte lang gerettet. Nun hat der letzte Inhaber, Bäckermeister Karsten Stephan, das Geschäft geschlossen. Ein kleiner Blick in die bewegte Geschichte des Lädchens in Trachau.
Das Hauptgebäude an der Platanenstraße 24 ist wahrscheinlich 1924 entstanden, auch der Baustil deutet darauf. Im Dresdner Adressbuch sind leider erst in späteren Ausgaben bereits die Baustellen registriert.
Als erster Eigentümer wird 1925/26 Zimmermeister Friedrich Hermann Jäckel erwähnt. Jäckel muss bereits vor 1929 verstorben sein, die Ausgabe selbigen Jahres nennt Jäckels Erben als Eigentümer und einen Viehhändler Oskar Hegewald als Mieter.
1930 kommt Großschlächter Max Ende ins Spiel, der dem Eintrag nach zu dieser Zeit noch einen Gewerbetrieb auf der Wächterstraße 49 unterhält. Er war erstmals 1920 im Adressbuch als Erdgeschoss-Mieter unter dieser Anschrift aufgetaucht, wobei er sich noch bescheiden Fleischer nennt. Das Adressbuch 1927/28 führt ihn erstmals mit dem Titel Großschlächter. Die Vermutung liegt nahe, dass der einfache Fleischer 1926 in den neuen Großschlachthof im Ostragehege einzog. Das eigene Geschäft auf der Wächterstraße gab er daraufhin auf.
Mit dem kleinen Vermögen, das Ende inzwischen erwirtschaftet haben könnte, lag es nahe, ein Geschäft auf eigenem Grund und Boden zu gründen. Der Viehhändler Hegewald und Ende waren berufsverwandt, Hegewalds Erben könnten Max Erbe beim Grundstückserwerb auf der Platanenstraße begünstigt haben.
Der Anbau für das Ladengeschäft wirkt seltsam fremd neben dem Haus, sicherlich ist er nicht mit dem Hausbau entstanden. Anfang der 1930er Jahre wird der der Fleischerzunft entstammende neue Eigentümer das Ladengeschäft angebaut und einen Pächter gesucht haben. Die Fleischerei wurde in einem Nebengebäude überm Hof eingerichtet, in seiner äußeren Gestalt ist es noch heute gut zu erkennen.
Fleischerei Curt Gräbel
Im Adressbuch von 1933 taucht Fleischermeister Curt Gräbel auf. Max Ende hatte wohl im Großschlachthof genug zu tun. Darauf deuten die Vermerke ab 1937 im Dresdner Einwohnerverzeichnis hin. War Ende 1932 noch mit dem Geschäftsraum Platanenstraße 24 gemeldet, steht ab 1933 nur noch eine Anmerkung ohne genaue Anschrift für einen Geschäftsraum „GR Schlachthof“. Wo sich dieser befand, erhellen die Adressbücher, die ab 1937 die Hauptpostamtsbezirke angeben. Der Eintrag zu Max Ende wird ergänzt um „Großschlächter: GR A5 Schlachthof“. A5 steht für den Hauptpostamtsbezirk Altstadt 5, das das Ostragehege umschloss.
Eine Privatadresse von Max Ende in Dresden ist ab 1933 nicht mehr zu finden. Der Geschäftsmann ist anscheinend nach außerhalb verzogen. Im letzten Dresdner Adressbuch, Ausgabe 1939, sind weiterhin er als Eigentümer von Grundstück und Geschäftsraum Platanenstraße 24 und Gräbel als Mieter erwähnt.
Mit Kriegsbeginn wurden die Adressbücher eingestellt. Was mit Eigentümer und Geschäftsinhaber geschah, wäre in den Dresdner Melde- und Sterberegistern, Handwerksrollen, Handelsregistern und beim Grundbuchamt zu recherchieren. Erinnerungen von älteren Zeitgenossen würde die Nachbarschaft sicherlich sehr erfreuen.
Fleischer teilt sich Laden mit Uhrmacher
Sicher ist, dass Curt Gräbel den Fleischerladen durch Krieg und Nachkrieg bis weit in die DDR-Zeit hinein führte. Was unter den Verhältnissen der sozialistischen Planwirtschaft fast ein Ding der Unmöglichkeit war. Immerhin scheint das Geschäft nicht enteignet worden zu sein, wenn noch 1993 der Name Carl Gräbel über dem Eingang steht. Den Laden zu teilen, war da wohl die finanzielle Rettung, solange der Laden noch irgendwie lief. Das Foto aus der Deutschen Fotothek von 1993 vermittelt den Eindruck, dass das Uhren- und Schmuckgeschäft zwar auch schon leer steht, aber nach der Wende noch renoviert wurde und kurz vor der Aufnahme noch existierte. Die Aufschrift über dem Fleischerladen und der Zustand der Jalousie vor dem rechten Fenster hingegen sprechen davon, dass der Laden da schon lange dicht gemacht hatte.
Das Foto aus der Deutschen Fotothek von 1993 vermittelt den Eindruck, dass das Uhren- und Schmuckgeschäft zwar leer steht. Anscheinend wurde es nach der Wende aber renoviert, so dass es wohl kurz vor der Aufnahme noch existierte. Sieht man sich die verwitterte Aufschrift über dem Fleischerladen und die maroden Jalousien vorm rechten Fenster an, gingen hingegen im benachbarten Laden schon sehr lange keine Wurst- und Fleischwaren mehr über die Theke.
Ladengeschäft wiederhergestellt
Mit Sanierung des Wohngebäudes nahm das Ladengeschäft nach der Wende wieder seine ursprüngliche Form an. Ein Jahr nachdem die genannte Aufnahme entstand, habe im wiederhergestellten Laden zunächst die Bäckerei Laube aus Freital einen Backwarenladen eröffnet, sagt Karsten Stephan. „Für Laube war das Geschäft aber zu weit weg“, erinnert sich der Bäckermeister aus Medingen. „So haben wir den Laden 1998 übernommen.“ Das Geschäft sei recht gut gelaufen. „Wir hatten anfangs täglich auch nachmittags geöffnet. Anfang der 2000er Jahre hat dann entlang der Großenhainer Straße ein Supermarkt nach dem anderen aufgemacht“, so Stephan. „So mussten wir 2004 die Öffnungszeiten einschränken, wir haben seitdem immer nur vormittags verkauft.“ Unglücklich war sicherlich auch, dass eine größere Bäckerei aus der Nähe ausgerechnet auf der Großenhainer Straße gleich zwei Filialen eröffnete.
Nun sind die Ladenschilder der einzigen Filiale der Bäckerei Stephan abgebaut. Für die Anwohner völlig überraschend hat Karsten Stephan nach mehr als einem Vierteljahrhundert sein Dresdner Backwarengeschäft zum 31. November aufgegeben. Gesundheitshalber. „Wissen Sie, ich hab das alles vor allem allein gestemmt, das schaff‘ ich nicht mehr“, bedauert der Bäckermeister. Neben seiner beruflichen Tätigkeit setzt sich Karsten Stephan für kommunale Belange ein. Von 1993 bis 2024 war er Mitglied des Gemeinderats von Ottendorf-Okrilla, für den er bei der jüngsten Wahl nicht mehr kandidierte. Als Vertreter von WiR – Wählervereinigung im Rödertal e. V. gehört er weiter dem Ortschaftsrat von Medingen an. Schade, dass der Name dieses auch kommunal engagierten Mannes im Dresdner Stadtteil Trachau nun wohl in Vergessenheit gerät.
Auf die in traditioneller Handwerksarbeit hergestellten Brötchen, Brot und Kuchen der Bäckerei Stephan muss man indes nicht verzichten: Vom Wilden Mann bis nach Medingen sind es rund zwanzig Minuten über die Autobahn.
Ein Gastbeitrag von Andre Glöckner (www.wortform-dresden.de)
Ein Kommentar zu “Vom Fleischer- zum Bäckerladen”
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Ergänzung zu Friedrich Hermann Jäckel. Laut Sterberegister der Stadt Dresden, einsehbar bei Ancestry.com:
Geboren ca. 1867 in Gersdorf bei Leisnig
Gestorben 15.07.1928 in Dresden
Ergänzung zu Max Ende (Quelle wie oben):
Etwas unsicher, aber nicht ganz ausgeschlossen: ein Fleischermeister Max Eduard Ende stirbt am 15.08.1938 in Dresden an Darmkrebs. Als Wohnadresse ist Schoberstr. 6 genannt.
Infos zu den weiteren Personen lassen sich bei Interesse vermutlich noch online oder, soweit rechtlich zugänglich, in den Archiven finden.
Danke für diesen interessanten Artikel zur Stadtteilgeschichte!