Zwischen dem Übigauer Dorfkern, bröckelnden Hausfassaden und luftigem Elbufer liegt ein kleines Werkstättenquartier direkt am Fluss. Früher wurden dort Lokomotiven hergestellt. Mittlerweile steht der alte Uferkran, der früher zu einem Schiffshebewerk gehörte, als verlassenes Relikt an der Elbe vorm Übigauer Schloss. Doch in den großen Hallen dahinter ist Betrieb.

Jan Beyer ist bereits seit 2002 in der Werkhalle auf der Rethelstraße tätig.
Der Tischler Jan Beyer führt in einer der alten Fertigungsstätten seine Tischlerei namens „Artefact“. „Ein von der Natur geformtes Holz ist zwangsläufig ein ‚Artefact'“, so der Unternehmer. „Außerdem habe ich mit der lateinischen Bedeutung von ‚Artefact‘ gespielt. ‚Arte‘ bedeutet ‚Kunst‘ und ‚Fact‘ meint ‚handgemacht‘. Der Name meines Unternehmens steht sozusagen für ‚Kunsthandwerk'“, erklärt Beyer.
Ausbildung, Walz und Ankommen in Dresden
Seit 1995 ist der gelernte Tischler selbstständig. Vorher war er drei Jahre auf der „Walz“, der Wanderschaft von Ort zu Ort als frisch ausgelernter Geselle. So bereist er Schottland, Rumänien, auch die Schweiz. Dort kauft er sich eine seiner ersten Hobelmaschinen für die Tischlerei. Er lässt sich in Dresden nieder, gründet sein „Artefact“. Dieses läuft mittlerweile wie ein Uhrwerk.

Beyer liebt das Handwerk und nutzt nur selten digitale Unterstützung bei der Holzbearbeitung.
Im Maschinenraum hobelt er, sägt, schleift, macht Staub. Stolz präsentiert Beyer die ehrwürdigen Gerätschaften, mannsgroße Maschinen mit Patina langer Handwerksgeschichte. Tischler werden wollte Beyer schon, seit er vier Jahre als ist. „Ich kann mir keinen schöneren Beruf vorstellen“, sagt er.

Beyer zeigt stolz eine CNC-Fräsmaschine. Für ihn bedeutet sie genaue und für die Hände sichere Holzbearbeitung.

Beyer zeigt das von einer CNC-Fräsmaschinepräzise gefräste Muster.
Es darf auch mal moderne Technik sein
„Für manche Projekte braucht man auch moderne Technik“, sagt Beyer und zeigt auf eine CNC-Fräsmaschine. Die nutzt er, um feingliedrige Gravuren und Muster aufs Holz zu bringen. Neben der Maschine steht ein Laptop, dort kann das Muster, hier für die Verzierung einer Haustür, einprogrammiert werden. „Durch zu viel Einsatz von Technik verliert das Handwerk an Wert, weswegen ich hier auch gut dosiere“, betont der Geschäftsführer. „Und generell sollen meine Arbeiten immer lange halten und ab- und wiederaufbaubar sein.“

Beyers Werkstatt verfügt über einen Maschinenraum, einen Fertigungsraum und Büro sowie ein Holzlager.
Historischer Arbeitsplatz
Früher wurde in der nun umfunktionierten Stahlbauhalle die erste Sächsische Dampflokomotive „Saxonia“ gebaut. „Ich stehe hier auf historischem Grund“, meint Beyer. „Außerdem kann ich Tag und Nacht laut machen“. Vor seiner Arbeitsstätte hat der Tischler mehrere Oleanderbäume unterschiedlicher Größe in alten Pflanzkübeln drapiert. Grün munkeln die Blätter in der Frühlingssonne, die auch durch die vielen kleinen Fenster der Werkstatt scheint. Das Licht ist bei Jan Beyer ein ganz besonderes, diffus, staubig und dennoch hell und fröhlich.

Ein Sekretär aus englischer Eibe und historischem Glas. Foto: Lothar Sprenger
Massivholztischlerei ist nachgefragt
Beyer macht nicht nur Möbel für sächsische Kundschaft. Europaweit wird er angefragt, reist auf Messen und ist generell gut beschäftigt. Vor kurzem installierte er eine wertvolle Holzarbeit, einen riesigen Einbaukleiderschrank, im Londoner Nobelviertel „Chelsea“. Zumeist fertigt Beyer für Privatkunden, das sind dann immer Massivholzmöbel als Spezialanfertigung. Türen, Kücheninseln, Kinderbetten sind dabei.

Hängeschrank mit dem Namen „Wien I“, angelehnt an das Werk eines Wiener Jugendstilarchitekten. Foto: Lothar Sprenger.
Detailliert beschreibt der Handwerker eines seiner Stücke, einen Schrank aus Kirschbaum. Dieses hat Beyer mit fragilen Einlegearbeiten verziert. In Schachbrettmuster gelegt, krönen kleine Würfel aus heller Flussmuschel und dunkler Mooreiche das feinsinnige Holzwerk.

Beyers Holzlager, sein „ganz persönliches Grünes Gewölbe“.
Kostbare Holzschau im Lager
Wenn der Geschäftsführer Besuch in der Werkstatt bekommt, zeigt er auch gern das Holzlager zur Inspiration. Zwar stehen im Werkraum bereits blank polierte Hölzer verschiedenster Farbe und machen Lust auf Bearbeitung dieses Materials. Doch im Holzlager von Jan Beyer stapeln sich neben dem herkömmlichen Eichen-, Lärchen-, Kirsch- und Birnbaumholz auch Flieder oder historisches und kaum mehr bestellbares Eibenholz. „Das hier ist mein ganz persönliches Grünes Gewölbe“, so Beyer. Im hinteren Bereich des Lagers steht ein knorriger, ausgehölter Olivenbaum. Beyer: „Dieser Olivenbaum ist ein Zufallsfund, er ist mehr als eintausend Jahre alt.“ Noch wartet das kostbare Einzelstück auf den passenden Interessenten.

Beyer zeigt vorgerfertigte Trommelringe, bereit, mit Leder bezogen zu werden.
Der Tischler kauft stets Stammware. Das sind auseinandergesägte Bäume, die sich wie ein Puzzle nahtlos wieder zusammensetzen lassen. Stammholz gibt es auf dem Markt zwar meistens, der Erwerb besonderer Hölzer wie Eibe ist jedoch Vertrauenssache. „Mittlerweile habe ich mir ein gutes Netzwerk im Holzhandel aufgebaut“, so der Geschäftsführer. „Manchmal werde ich angerufen und gefragt: ‚Wir ham‘ hier ’nen tollen Birnbaum. Woll’n Sie den ham‘?“.

Links und Mitte Eibe, rechts Olive – diese persönlichen Schätze bewahrt der Tischler in der Werkstatt.
Tischlerei Artefact, Inhaber Jan Beyer
- Rethelstrasse 51b, 01139 Dresden
- Telefon: 0351 8438464
- Im Internet unter tischlerei-artefact.de
- Öffnungszeiten nach Vereinbarungen
Serie: Kleine Unternehmen im Stadtbezirk Pieschen
Jeden Dienstag in Pieschen-Aktuell: Ein Portrait eines kleinen Unternehmens aus dem Stadtbezirk. Wir zeigen die unglaubliche Vielfalt im Stadtviertel, von Übigau bis Trachenberge. Wenn Sie auch einen kleinen Laden in Ihrer Nachbarschaft kennen, den wir gerne mal vorstellen sollen, schreiben Sie uns an redaktion@pieschen-aktuell.de
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