Im Herbst 1890 war an alle Dresdner Vorortgemeinden ein unverzüglich zu beantwortender Fragebogen der Stadtverwaltung Dresden ergangen. Selbige wollte in Erfahrung bringen, ob „…gewisse Industriezweige in hervorragendem Maße oder in verhältnismäßig großer Anzahl…“ vertreten sind.
Carl Gottlieb Rump (1844-1920), seit 1878 Vorsitzender des Trachauer Gemeinderates, trug „Cigarrenproduktion“ in die entsprechende Spalte ein. Sein Eintrag nach vorherrschender Hausindustrie war gleichlautend, denn im April 1890 hatte die Zigarrenfabrik „A. R. Jedicke & Sohn“ als erstes in Trachau ansässige Unternehmen mit der Fabrikation „feinster Cigarren und Cigarillos“ begonnen.
Eigentümer waren die Kaufleute und Zigarrenfabrikanten Friedrich Otto und Hermann Jedicke, die ihr Unternehmen schon 1886 im Grundstück Erlenstraße Nr.1 in der Leipziger Vorstadt gegründet hatten.
Am 28. Mai 1889 richteten sie an die Amtshauptmannschaft zu Dresden-Neustadt sowie an den Trachauer Gemeinderat folgendes Schreiben: „Nachdem Endesunterzeichneten von Frau Amalie Therese Zimmermann in Trachau ihr Feldgrundstück, Parzelle No: 92, von derselben käuflich erworben haben, sind dieselben hiermit so frei, der hohen Behörde beifolgende Bebauungspläne zu einer Cigarrenfabrik & Ansicht zur geneigten Prüfung & Genehmigung zu übersenden. […] Nachdem wir erst vor drei Jahren in Dresden ein neues Grundstück zum Zwecke unserer Fabrication gebaut, jedoch durch die neuen Bestimmungen des hohen Bundesrates mit getroffen werden, sind wir zu diesem Bau veranlaßt. […] Einem baldgefälligen gütigen Bescheid gewärtig bleibend, zeichnen hochachtungsvollst Friedrich Otto Jedicke – Hermann Jedicke“
Im November 1889 erhielten beide die Genehmigung zum Bau eines Wohn- und eines Fabrikgebäudes auf dem für 16.500 Mark erworbenem Grundstück an der Leipziger Straße in Trachau.
Friedrich Otto und Hermann Jedicke waren Söhne des Oschatzer Nagelschmieds und Restaurateurs August Reinhold Jedicke (1833-1897), der ihnen die Gründung eines kleinen tabakverarbeitenden Unternehmens in Dresden finanziell ermöglicht hatte.
Anzumerken ist, dass Eduard Otto Jedicke (1840-1907), Mitinhaber und Prokurist der von 1869 bis um 1936 bestehenden und im Haus Bischofsweg Nr.57 gegründeten Zigarrenfabrik „Jedicke und Lange“, ein Bruder des August Reinhold Jedicke war.
Der am 2. Juni 1860 in Oschatz geborene Friedrich Otto Jedicke gehörte zu den Persönlichkeiten, die vor allem in den 1890er Jahren an der Entwicklung der Vorortgemeinde Trachau maßgeblichen Anteil hatten. So war er von 1894 bis 1902 Mitglied des Gemeinderates und zugleich Vorstandsvorsitzender des Trachauer Turnvereins „Frisch auf“, darüber hinaus Prokurist der 1898 in Trachau ins Leben gerufenen „Sächsischen Baugesellschaft GmbH“ sowie Vorsitzender des Schulvorstandes. Als solcher hatte er im Zusammenhang mit dem 1899 eingeweihten Schulhausneubau (heute 56. Grundschule Dresden, Böttgerstraße Nr.11) von Trachauer Gutsbesitzern das nötige Bauland für insgesamt 40.911 Mark erworben und den Baukostenvoranschlag in Höhe von 218.081,35 Mark ermittelt.
Des Weiteren wurde Friedrich Otto Jedicke im Februar 1892 als Leiter der Trachauer Postagentur eingesetzt, die kurze Zeit danach als erstes Trachauer Postamt in einem der von ihm erbauten mehrstöckigen Wohnhäuser Leipziger Straße Nr.153 bis 159 eingerichtete wurde. Bis zu seinem Tod war er Mitglied des 1903 gegründeten „Bezirksverein der Dresdner Nordwestvorstädte“. Friedrich Otto Jedicke, im Mai 1910 zum Kommerzienrat ernannt, verstarb am 10. Mai 1911 im Alter von 51 Jahren. Seine denkmalgeschützte Grabstätte befindet sich auf dem Kaditzer Kirchhof.
Die Zigarrenfabrik „A. R. Jedicke & Sohn“ verlegte 1929 ihren Firmensitz von Trachau auf die Holbeinstraße Nr.36 in Dresden-Johannstadt und produzierte dort bis 1933 unter gleichem Namen weiter. Eigentümer der Villa und des Fabrikgebäudes an der Leipziger Straße in Trachau wurde 1930 die Stadt Dresden. Sie richtete darin eine „Unterkunft für vorübergehend Wohnungslose“ ein, die auch nach 1945 und bis Anfang der 1990er Jahre Wohnzwecken diente. Von 2011 bis 2013 wurde die einstige Trachauer Zigarrenfabrik saniert, die Hauseingänge des Fabrikgebäudes an die Rietzstraße (Nr.34 a-c) verlegt und Balkone angebaut.
Ergänzend der Hinweis, dass es mit der für das Jahr 1900 im Handelsregister der Stadt Dresden eingetragenen und bis 1934/35 im Hintergebäude des Hauses Leipziger Straße 224 produzierenden Firma „Gebr. Jedicke“ eine weitere Trachauer Zigarrenfabrik gab.
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