Die „Dresdner Nachrichten“, deren erste Ausgabe am 1. Oktober 1856 und die letzte am 14. März 1943
erschien, machte am 1. Juli 1897 das Folgende bekannt: „Vom heutigen Tage ab gehören nunmehr die beiden Landgemeinden Pieschen und Trachenberge der Vergangenheit an, ihre Fluren sind ein Theil des Gemeindebezirkes von Dresden, ihre Einwohner Zugehörige der Haupt- und Residenzstadt Dresden geworden.“
In diesem Zusammenhang musste rund die Hälfte der Pieschener Straßen wegen des Vorhandenseins
gleichnamiger Straßen in anderen Stadtteilen umbenannt werden. Das betraf auch die schon 1889 benannte Wasastraße, die seit der Eingemeindung Pieschens (1. Juli 1897) Rehefelder Straße heißt.
Der 1869 gegründete „Verein für die Geschichte Dresdens“ veröffentlichte 1905 das „Namenbuch der
Straßen und Plätze“ des Stadtchronisten Adolf Hantzsch (1841-1920). Darin schreibt dieser, dass die Wasastraße ihren Namen “zu Ehren der Königin Carola, der Tochter des Prinzen Gustav von Wasa“ erhalten habe. Letztgenannter war der älteste Sohn des schwedischen Königs Gustav IV. (1778-1837), dem man nach einem Staatsstreich 1809 des Landes verwiesen hatte. Gustav Prinz von Wasa, er lebte in Wien, starb bei einem Besuch seiner Tochter, der sächsischen Königin Carola, im August 1877 auf Schloss Pillnitz.
Namenspate für die heutige Rehefelder Straße ist das um 1870 errichtete königliche Jagdschloss Rehefeld im Osterzgebirge. Es ist ein Geschenk der damaligen sächsischen Kronprinzessin Carola (1833-1907) an ihren Ehemann, den 1871 aus dem „Deutsch-Französischen Krieg“ heimkehrenden Kronprinzen Albert (1828-1902). Nach dem Tode seines Vaters, des Königs Johann von Sachsen (1801-1873), bestieg Albert als sein Nachfolger den sächsischen Königsthron.
Das heute denkmalgeschützte Jagdschloss hat eine wechselvolle Geschichte. Es war unter anderem Erholungsheim der Dresdner Freimaurerloge „Zu den drei Schwertern“, Frontkämpferheim des Wehrverbandes „Stahlhelm“ und Reservelazarett der Deutschen Wehrmacht. „Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges diente es bis 1989 als Ferienheim der DDR. Danach nutzte es die Landespolizeischule als Fortbildungsstätte.“ (in „Schlösser Sachsens“). Das 2003 vom Staatlichen Liegenschaftsamt Sachsen übernommene und zum Verkauf angebotene Jagdschloss fand im Sommer 2023 einen neuen Eigentümer.
Die Rehefelder Straße gehört zu den ältesten Verkehrswegen des ehemaligen Dorfes Pieschen. Sie beginnt in unmittelbarer Nähe zum Pieschener Hafen und endet an der Brücke der im April 1839 für den Verkehr freigegebenen ersten deutschen Ferneisenbahn von Leipzig nach Dresden. In ihrem Verlauf kreuzt beziehungsweise tangiert sie sieben Straßen des Stadtteiles Pieschen.
In einer bis ins 17. Jahrhundert zurückgehenden Sammlung von Ortsgesetzen, dem „Rügenbuch von Pieschen“, wird sie als Viehtriebe, als Trift oder Triebe bezeichnet, „so breit, dass zwei Wagen gegeneinander wegfahren können.“ Wissenswert auch, und nachzulesen in der 1934 vom Pieschener Oberlehrer Max Klöß (1871-1957) veröffentlichten, fünfzehn Seiten umfassenden Schrift „Streifzüge durch Pieschen“, dass dieser „seit 1800 fast geradlinig von Süd nach Nord verlaufende Weg […] einst auch von den kurfürstlichen Jägern auf ihren Pirschgängen benutzt wurde.“
Einhergehend mit der vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmenden Industrialisierung sowie auf der Grundlage eines 1878 erstellten Bebauungsplanes für die Landgemeinde Pieschen setzte um 1890 eine rege Bautätigkeit ein.
„In den neu entstehenden Straßenzügen drängten sich in langen Reihen nun mehrgeschossige Mietswohnhäuser, wie sie auch heute noch das Bild vieler Pieschener Straße prägen. Mein Geburtshaus stand in der Rehefelder Straße und wurde um 1895 in den sogenannten Gründerjahren erbaut. […] Wir wohnten in der letzten Etage, praktisch unter dem Dach! Jedes der kleinen Zimmer hatte schiefe Wände. […] Auf der gewendelten Treppe stieg man nach oben, die Toiletten befanden sich zwischen den Wohnetagen und die Treppenfenster sahen zum Hof. Eine steile, knarrende Holztreppe führte auf den Boden. Dort oben, im finstersten Winkel des Hauses, stand auf einem alten Türschild unser Familienname.“
Diese Sätze stammen aus der Feder des heute im Radebeuler Seniorenheim „Am Weinberg“ lebenden
fünfundneunzigjährigen Johannes Weirauch. Seine schriftlich formulierten Erinnerungen an die eigene Kindheit und Jugend wurden auch von der „Pieschener Zeitung“ (Printausgabe 2000 bis 2021), der „Nordwest Rundschau“ (2006-2011) sowie den Broschüren zu den Pieschener Hafenfesten (1999-2007) veröffentlicht.
An der seit 1896 bis zur Leipzig-Dresdner-Eisenbahn ausgebauten und fast einen Kilometer langen
Rehefelder Straße stehen neben Wohngebäuden auch soziale Einrichtungen. Zu nennen sind das 2002 übergebene DRK-Altenpflegeheim Pieschen, die 1998 neu eröffnete Outlaw-Kita und die 1985 gebaute und 2008 sanierte Kita BIM BAM BINO.
Ergänzend der Hinweis, dass sich an der Rehefelder Straße auch ein Teil der in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre gebauten Wohnanlage der „Gemeinnützige Wohnungsbau-Aktiengesellschaft Dresden“ (GEWOBAG) sowie die nach einem Entwurf des Dresdner Architekten Alexander Tandler im Oktober 1910 geweihte katholische Pfarrkirche St. Joseph befinden.
>> zum Archiv von Brendler’s Geschichten
Das könnte Sie auch interessieren …
Mit freundlicher Unterstützung des Dresdner Kinokalenders präsentieren wir die Kinotipps der Woche für den Stadtbezirk Pieschen. >>>
Liebe Leserinnen und Leser, im Namen des Teams von Pieschen Aktuell wünsche ich Ihnen ein fröhliches Weihnachtsfest und ein paar besinnliche >>>
Die Radio-Initiative Dresden hat den Tod ihres langjährigen Mitglieds Peter Rother bekannt gegeben. Der Lyriker, Autor und Moderator >>>
Wenn am Heiligen Abend die Geschenke verteilt, die Lieder gesungen und die Gedichte aufgesagt worden sind, dann haben auch die Weihnachtsmänner >>>
Mit freundlicher Unterstützung des Dresdner Kinokalenders präsentieren wir die Kinotipps der Woche für den Stadtbezirk Pieschen. >>>