Der Stadtbezirksbeirat Pieschen hat gestern die Errichtung von Wohncontainern für die Unterbringung von Asylbewerbern in der Industriestraße in Trachau abgelehnt. Nach dreieinhalbstündiger Debatte, bei der auch viele der etwa 75 anwesenden Einwohner und Gäste zu Wort kamen, fand die Vorlage der Stadtverwaltung bei 8 Ja-Stimmen, 8 Nein-Stimmen und einer Stimmenthaltung keine Mehrheit. Änderungsanträge von AfD, Freien Wählern und Grünen waren zuvor abgelehnt worden.
Die Sitzordnung der Beiräte im Tagungsraum des Gymnasiums Pieschen war extra umgebaut worden, um deutlich mehr Platz für interessierte Zuhörerinnen und Zuhören zu schaffen. Auf allen Gästeplätzen lagen Informationsblätter mit Fragen und Antworten zum geplanten Übergangswohnheim in der Industriestraße. Thomas Grundmann, Leiter des Stadtbezirksamtes, sicherte den Besuchern zu, dass auch sie in der Debatte zu Wort kommen werden.
Sozialbürgermeisterin Kaufmann: „Nicht ob, sondern wie.“
Zum Auftakt erläuterten Sozialbürgermeisterin Kristin Klaudia Kaufmann (Linke), Sven Mania, Projektleiter Unterbringung und Philipp Schäfer, Abteilungsleiter im Sozialamt, die Pläne der Stadt für die Einrichtung von neun Wohncontainer-Standorten. Die Stadt stehe vor der Herausforderung, neben den rund 9.000 Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine im Laufe des Jahres 2023 weitere 2.300 Asylbewerber unterzubringen. Dazu sei sie gesetzlich verpflichtet. „Die Frage ist nicht ob, sondern wie wir die Aufgabe umsetzen“, sagte sie und wiederholte dies mehrfach im Laufe der anschließenden Diskussion.
Da die Unterbringungskapazitäten in Dresden begrenzt sind und die rund 3.000 Plätze in Wohnungen, etwa 1.000 Plätze in Heimen und knapp 500 Notplätze nicht ausreichen, habe die Stadt nach Lösungen für das zu erwartende Defizit von 1.600 Plätzen gesucht. Da man die Belegung von Turnhallen und Großunterkünften wie die Messe verhindern möchte, biete die Unterbringung in Wohncontainern eine Lösung, um das Defizit auf 800 Plätze zu reduzieren, ergänzte Projektleiter Sven Mania. Dafür habe man sich seit Oktober 2022 intensiv mit der Standortsuche beschäftigt, 29 mögliche städtische Grundstücke geprüft und neun geeignete ausgewählt.
Standort Industriestraße für 48 Asylbewerber
Im Stadtbezirk Pieschen mit rund 53.000 Einwohnern sollen 48 Asylbewerber in der Industriestraße untergebracht werden. Auf einer 2.510 Quadratmeter großen Brache neben dem Grundstück Industriestraße 15 sind zwölf Wohn-Container für jeweils 4 Personen sowie 13 kleinere Container für Sanitäranlagen, Küche und Verpflegung, Heimleitung, Sozialarbeit, Sicherheitsdienst und Lagerflächen geplant. Vor wenigen Tagen sei ein kleineres Nachbargrundstück angeboten worden, das nun ebenfalls geprüft werde. Die Kapazität von 48 Personen werde dadurch nicht erhöht, versicherte Mania.
Die Gesamtkosten für Aufbau und zweijährigen Betrieb aller Containerstandorte bezifferte Kaufmann auf rund 47 Millionen Euro. Die Stadt gehe hier auch in Vorleistung. Am Ende soll der kommunale Anteil an den Gesamtkosten 10 Prozent nicht überschreiten. Dazu gebe es jährliche Abrechnungen mit Land und Bund.
Fragerunde der Stadtbezirksbeiräte
Die Fragerunde der Stadtbezirksbeiräte eröffnete Alexander Wiedemann (AfD). Er hinterfragte die Auswahlkriterien und wollte wissen, warum der Alaunplatz in der Neustadt nicht genutzt werde. Außerdem interessierte ihn das Sicherheitskonzept, da in der Nähe eine Kita, eine Grundschule und eine Oberschule seien. Sein AfD-Kollege Rolf Jörg Poppe meinte, dass ihm „die gesamte Art und Weise missfällt“. Er fühle sich erpresst. Wenn die Ursachen für die Fluchtbewegungen nicht beseitigt werden, gehe das auch in Zukunft so weiter, sagte er und fügte hinzu. „An der Vorlage ist vieles nicht spruchreif“, das lehne ich ab. Ausserdem forderte er eine konsquente Abschiebepolitik. „Mich schüttelt es bei den Kosten“, erklärte Tino Jasef (Freie Wähler). Woher kommen diese Gelder? Wie soll der Unterricht der ankommenden Kinder gesichert werden, wenn jetzt schon 170 Lehrkräfte in den Schule fehlen.
Franziska Lordick (Grüne) begrüßte, dass die Stadt auf eine dezentrale Unterbringung setzt und findet es gut, dass hier vorausschauend geplant wird. Rebecca Overmeyer (SPD) erinnerte daran, dass viele Asylbewerber nicht freiwillig ihr Land verlassen und auch nicht freiwillig nach Deutschland und nach Dresden kommen. Der Ruf der Willkommenskultur in der Stadt habe sich inzwischen herumgesprochen.
Fragerunde der Gäste
Nach der ersten Fragerunde der Beiräte hatte die Gäste die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Statements abzugeben. Sie stellten sich mit Namen vor und nannten den Stadtteil, in dem sie wohnen. Rederecht, darauf hatte Amtsleiter Grundmann hingewiesen, hätten nur Einwohner des Stadtbezirkes. Mehrfach betonten die Redner, dass die Menschen vor Ort bei diesen Entscheidungen nicht gefragt würden. Es gehe um die Ängste der Anwohner, die hier leben. Wie könne die Sicherheit der Kinder auf dem Schulweg und den Spielplätzen gesichert werden. Statt Sozialarbeitern sollten mehr Polizisten vor Ort sein.
Ein anderer Redner fühlte sich bei der Vorgehensweise der Politik an DDR-Zeiten erinnert. Es waren aber auch andere Stimmen zu hören. So seien die Hürden bei der Anerkennung der Ausbildung der Geflüchteten, insbesondere aus Syrien, zu hoch und zu bürokratisch. Asylbewerber mit pädagogischen Kenntnissen könnten als Ehrenamtler in den Schulen eingesetzt werden.
Maria Meißner, seit anderthalb Jahren Leiterin des Polizeireviers Dresden-West, zu dem auch der Stadtbezirk Pieschen gehört, betonte, dass man den Standort wenn er kommt, in den Streifenplan aufnehmen werde. Sollte es Probleme geben, werden die Beamten vor Ort sein, sicherte sie zu.
CDU-Beiräte folgen der Position ihrer Stadtratsfraktion
Kaufmann betonte, dass man kein Gefängnis für die Asylbewerber errichte. Diese seien frei und könnten sich auf frei bewegen, zumindest innerhalb der Stadtgrenzen. Sie verwies darauf, wie viele nach Dresden Geflüchtete inzwischen in den verschiedensten Dienstleistungsbranchen beschäftigt sind uns sagte. „Schauen Sie mal in die Logistikbranche oder bei Reinigungsfirmen, wer dort beschäftigt ist.“
Christoph Böhm (CDU) meinte, er habe ein massives Problem mit dem Vorgehen der Stadtverwaltung. Die Vorlage sei so nicht entscheidungsreif. Er finde es wichtig, als Kommune ein Zeichen in Richtung Land und Bund zu setzen, dass es so nicht weitergehe. Damit folgte er der Position der CDU-Stadtratsfraktion, die sich gegen die Container-Standorte ausgesprochen hatte. Raphael Grübler (Grüne) widersprach der Äußerung eines Gastes, das es hier wie zu DDR-Zeiten zugehe. „Wir leben definitiv nicht in einer Diktatur“, sagte er. Er wohne in der Nähe des geplanten Standortes und fühle sich nicht in einem moralischen Dilemma, wenn er der Vorlage zustimme. „Wir sollten menschlich entscheiden“, plädierte Thomas Sawatzki (parteilos).
So lief die Abstimmung
In der anschließenden Abstimmung wurde zunächst der Antrag der AfD aufgerufen. Dieser lehnte den Standort Industriestraße ab und forderte den Oberbürgermeister auf, sich für die Abschiebung aller in Dresden ausreisepflichtigen Asylbewerber einzusetzen. Der Antrag wurde mit 6 Ja- bei 11 Nein-Stimmen abgelehnt. Der Antrag der Freien Wähler, auf der Grundlage der Bürgerbeteiligungssatzung eine Bürgerversammlung durchzuführen und über eine Bürgerempfehlung abzustimmen, fand bei 7 Ja- und 7 Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen ebenfalls keine Mehrheit.
Der Antrag der Grünen umfasste vier Punkte. So sollen die Bürger im weiteren Planungsprozess besser eingebunden und bereits beschlossenen Unterbringungsstandards (nicht mehr als 60 Personen pro Standort) eingehalten werden. Die Standort sollten auf eine Laufzeit bis 30.09.2025 befristet sein. Der Gemeindevollzugsdienst sollte in Zusammenarbeit mit der Polizei die Sicherheit vor Ort garantieren. Mit 7 Ja-Stimmen und 9 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung wurde auch dies abgelehnt.
In der abschließenden Abstimmung fand sich keine Mehrheit für die Vorlage der Stadtverwaltung (8 Ja-Stimmen, 8 Nein-Stimmen, 1 Enthaltung). Von den 19 Beiräten waren 17 anwesend, zwei Beiräte von den Linken fehlten. Möglich ist, dass deren Abwesenheit eine Mehrheit der Stimmen von Grünen, Linke und SPD verhinderte.
Ein achtköpfiges Team einer Sicherheitsfirma hatte am Eingang zum Gymnasium Personen und Taschen kontrolliert und auf die Ordnung im Saal geachtet. Die Atmosphäre während der Sitzung war angespannt, viele Gäste machten aus ihrer ablehnenden Haltung zu den Plänen der Stadtverwaltung mit Zwischenrufen und Beifallsbekundungen für Gleichgesinnte keinen Hehl. Nach dreieinhalb Stunden war der Tagesordnungspunkt abgearbeitet. Interesse am weiteren Verlauf der Beratung, auf der bis 23.35 Uhr noch vier weitere Themen behandelt wurden, gab es nicht.
Berichte aus dem Stadtbezirksbeirat Pieschen – eine Leistung der Redaktion von Pieschen Aktuell im Auftrag des Stadtbezirksamtes Pieschen der Landeshauptstadt Dresden.
Vielen Dank für diese detailreiche Wiedergabe der Debatte. Ich stand um Punkt 18 Uhr bei Glockengeläut vor dem Eingang des Gymnasiums und wurde nicht mehr hereingelassen, da der Saal überfüllt sei. Umso mehr bin ich froh über den Bericht.
Zur Sache:
Sich zu wünschen, es gäbe Millionen von Flüchtlingen auf dem Weg nach Europa einfach nicht, und sie würden schon verschwinden, wenn wir die Augen davor verschließen, kann man machen; es hilft nur nix.
Besonders wenig überzeugt mich das in den Fällen, wo wir als Bundesrepublik Deutschland selbst dazu beigetragen haben, daß diese Menschen fliehen müssen, sei es weil wir 2015 die Zuschüsse für die Flüchtlingslager im Nahen Osten zusammengestrichen haben, sei es, weil der Feldzug in Afghanistan mehr Probleme schuf als löste und der Rückzug HalsüberKopf viele Menschen zurückließ, die sich auf unsere Versprechungen verlassen hatten.
Ich kann die Not der Verantwortlichen in Dresden nachvollziehen, und ich habe großen Respekt davor, wie sie versuchen, dafür zu sorgen, daß wir eben nicht auf eine Zeltstadt zurückgreifen müssen.
Gleichzeitig geht es mir wie Tino Jasef: 47 Millionen für eine Unterbringung, von der alle wissen, daß es eben doch wieder Lager sind, nur in kleinerem Maßstab. Und das auch nur auf zwei Jahre. Was kommt dann? Und was passiert mit den Menschen, die womöglich darüber hinaus noch kommen?
Mich wundert: Wir reden nur über Logistik und über Kosten und über „Sicherheit“. Aber was wir erreichen müssen, ist doch soziales Ankommen (einschließlich, im besten Sinne: soziale Kontrolle) und Deutschlernen und Erwerbstätigkeit.
Was würde sich wohl ergeben, wenn wir mal versuchten, das Problem vom Ziel her anzugehen …?
ich bin über folgenden Beitrag sehr traurig. mit der Frage nach der Sicherheit, vor allem der Kinder. mit diesem einen Satz hat der Beitragende alle, wirklich alle Geflüchteten zu Gaunern gestempelt. die haben wir schließlich auch. jedes, ja jedes Volk setzt sich in der Mehrheit aus „ordentlichen“ Menschen und eben auch Gaunern zusammen. allein schon unsere Huligens sind keine Syrer oder Ukrainer!!! ich habe in den vergangenen Jahren so manches nette Erlebnis mit Nichtdeutschen gehabt. das will immer keiner hören. auch daß Menschen in Kriegsnot ihre Heimat ungern verlassen, glaubt keiner. fragt doch mal all die Menschen, die aus Pommern kommen mußten. sie jammern noch heute der Heimat hinterher. noch eins: wandern wir Deutschen nicht sogar aus, obwohl es bei uns gar keinen Krieg gibt? mehr Gehalt, bessere Lebensbedingungen, schönere Arbeit usw sind die Gründe oft. jeder von uns würde das Weite suchen, wenn es kein Brot für die eigenen Kinder mehr gibt, wenn das Dach über dem Kopf zerbombt ist, wenn die Familie getötet ist.
Liebe Gerda, du triffst den Nagel auf den Kopf.
Hallo Gerda, das sind von den Ukrainern abgesehen, keine Kriegsflüchtlinge, sondern Migranten. Wenn die Sicherheit wollten, müssten diese nicht um die halbe Welt reisen sondern würden diese auch in einem Nachbarland erhalten. Außerdem haben diese Migranten viele sichere Staaten durchquert, um Deutschland zu erreichen. Warum wohl, wenn es denen nur um Sicherheit gehen würde? Die Kriminalität steigt mit der Anzahl der Migranten überdurchschnittlich. Das ist einfach ein Fakt. Damit stempelt man auch nicht jeden Migranten zum Kriminellen. Ich arbeite mit einigen Ausländer auf Arbeit zusammen. Natürlich sind das auch nette Menschen und persönlich kann ich auch verstehen, wenn man sein Glück in einem bestimmten Land sucht. Wir können aber nicht die halbe Welt aufnehmen. Das schaffen wir von der wirtschaftlichen Stärke her gar nicht. Sozialstaat und offene Grenzen funktioniert nicht.
„Sozialstaat und offene Grenzen funktioniert nicht.“
Das ist leider der problematische Punkt. Menschen bekommen Sozialleistungen ohne dafür langjährig eingezahlt zu haben. Da muss das System zwangsläufig früher oder später kippen. In vielen, vielen Jahren ist evtl. ein Teil dieser Menschen integriert und leisten ihren sozialen Beitrag, doch da wird es zu spät sein bzw. nicht das decken, was durch die, die eben nicht integriert werden können bzw. mehr aus dem System ziehen als sie hineinbringen. Gerade jetzt in Zeiten in denen der Mittelstand aus (geo-)politischen Gründen platt gemacht wird/werden soll, ist die Akzeptanz immer geringer nicht-integrierbare mit durchzufüttern.
Es ist egal ob Kriegs- oder Wirtschaftsflüchtling, wer sich integrieren will ist herzlich willkommen und ist ein wichtiges Puzzelteil für unser System.
Wer Zahlt die Steuern ?
Die Kinder der Zahler sollten wenn Sie Bedarf haben bis zur Schulzeit Ende die Betreuung bekommen!!!
Nee kein Geld da, aber die fremden Menschen Kinder bekommen all diese Leistungen bezahlt.
Na wem werde ich im kommenden Jahr wählen???
Aufnahme nur noch Familien.
Und Schluss.
Sehr wahrscheinlich die Alternative für Doofe und wie mit dem bar jegliches
Sachverstandes abgegebenen Kommentars alle Klischees des Sachsen abdecken.
Jetzt wird es ironisch:
vielen Dank für dieses Bild!
Unser gesellschaftliches Problem mit der Einsicht, dass wir es mit einer selbst herbei geführten Abwanderung aus anderen Ländern zu tun haben, die wir durch unseren Wohlstand auf Kosten eben dieser Menschen verursacht haben, liegt vor allem darin, dass Teile der Bevölkerung u.a. mangels Bildung eindeutig überfordert sind, die diesbezüglichen Zusammenhänge zu verstehen oder dieser Antwort bequemlichkeitshalber aus dem Wege gehen.
Dadurch kommt es zu fatalen Falschannahmen und -interpretationen, die in der Folge zahlreiche Orientierungs- und Handlungsfehler nach sich ziehen, auch und insbesondere, was die politische Orientierung betrifft.
Wenn in 5-8 Jahren der Klimawandel durchschlägt, werden sich so manche dieser hasserfüllten Kommentatoren wehmütig an die heutige Zeit denken – insofern sie diese Spielart des Gehirns überhaupt beherrschen und noch nicht an ihrem Geifer
erstickt sein.
Wunderbar gesagt!