Brendler’s Geschichten: Die St. Petri Kirchgemeinde und ihr Gotteshaus

Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Mitgliederzahl der Dreikönigskirchgemeinde Dresden-Neustadt auf über 90.000 angewachsen war, wurden nach langen und mühevollen Verhandlungen die bisher ihr zugeordneten und heutigen Martin-Luther-, die St.-Pauli- und die St.-Petri-Gemeinde ausgepfarrt.

Als Gründungstag der letztgenannten Kirchgemeinde gilt der 29. März 1881. An diesem Tage hatte das evangelisch-lutherische Landeskonsistorium den Antrag auf „kirchliche Selbständigkeit“ genehmigt. Auf Beschluss des neu gewählten Kirchenvorstandes und in Berufung auf den Evangelisten Petrus erhielt sie am 21. Juli desselben Jahres ihren Namen.

Die 1866 benannte Moritzburger Straße (1895), einst Hauptstraße der Stadt Neudorf. (hinten links das Schulhaus). Foto: Archiv Dr. Holger Rohland

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Die Gottesdienste wurden zunächst in der Turnhalle des 1881 eröffneten Schulneubaus der 1866 nach Dresden eingemeindeten Stadt Neudorf abgehalten. Selbige trägt zusammen mit weiteren Teilen der Neustadt seit 1875 den Namen Leipziger Vorstadt und wurde 1878 durch Ortsgesetz in den Dresdner Fabrikbezirk einbezogen.

„Sehr bald stellte sich freilich dabei heraus, daß die Gottesdienste in der Schulturnhalle […] doch im Aeußeren nur zu sehr der kirchlichen Weihe entbehrten, und so mußte man darum dem Gedanken eines Kirchenbaus nähertreten.“ Nachzulesen in „Neue Sächsische Kirchengalerie“, Verlag Arwed Strauch, Leipzig 1906.

Dem Kirchenvorstand, ihm standen nur äußerst beschränkte Mittel der Gemeinde zur Verfügung, fiel nun die Aufgabe zu, das Grundstück für den Bau eines Gotteshauses zu suchen. Am 1862 benannten Großenhainer Platz, direkt an der Flurgrenze zwischen der Gemeinde Pieschen und der Leipziger Vorstadt gelegen, wurde ein dafür geeigneter Ort gefunden.

Baurat Julius Zeißig (1855-1930). Foto: Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band Nr.06 / S.79 – Archiv Fachbüro für Sepulkralkultur

Was das zukünftige, den Verhältnissen einer Großstadt entsprechende Gotteshaus betraf, so „…haben es die Kirchenvorsteher sich nicht verdrießen lassen, selbst die verschiedensten Kirchen zu besichtigen.“ Und weiter heißt es in der 1900 im Dresdner Verlag von Justus Naumann erschienenen Schrift „Die kirchliche Vergangenheit von Dresden-Neustadt insonderheit der St. Petri-Gemeinde“:

„Als ihnen aber dabei die im neugotischen Stil von 1883 bis 1886 gebaute Martin-Luther-Kirche in Leipzig vor manch anderen als ebenso schön, wie auch für die St. Petri-Gemeinde zweckmäßig erschien, übertrug der Kirchenvorstand am 18. Mai 1888 dem Baumeister jenes Gotteshauses, Herrn Architekten Zeißig, den Neubau der St. Petrikirche.“

Julius Zeißig wurde am 29. April 1855 in Großolbersdorf bei Zittau geboren. Nach einer Ausbildung an der Staatsbauschule Zittau, seiner Mitarbeit an der Wiener Baugesellschaft sowie dem Studium der Architektur gründete er 1882 in Leipzig ein eigenes Architekturbüro. Julius Zeißig, nach dessen Entwürfen in Sachsen mehr als vierzig evangelische Kirchen neu errichtet oder umgebaut wurden, verstarb am 18. März 1930. Auf dem denkmalgeschützten Südfriedhof in Leipzig wurde er bestattet.

Franz Wilhelm Dibelius (1847-1924) hielt 1890 die Weiherede. Foto: Archiv K. Brendler

Nur anderthalb Jahre nach der am 15. Mai 1889 erfolgten Grundsteinlegung, konnten die Mitglieder der St. Petri-Gemeinde von ihrem Gotteshaus Besitz ergreifen. Über den Tag der Weihe, den 5. November 1890, schreibt Lic. theol. Paul Flade in „Die kirchliche Vergangenheit von Dresden-Neustadt insonderheit der St. Petri-Gemeinde“ (Dresden 1900): „Erst ein stattlicher Festzug und dann im neuen Gotteshaus unter Teilnahme der höchsten Staats- und Städtischen Behörden ein erhebender Gottesdienst. Die Weiherede hielt Herr Superintendent Oberkonsistorialrat D. Dibelius.“ Dibelius war ab 1910 Oberhofprediger und Vizepräsident des Landeskonsistoriums. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Alten Annenfriedhof Dresden. Die Baukosten für die Petrikirche betrugen fast 225.000 Mark, wobei mehr als ein Drittel davon aus Schenkungen kam.

1907 wurde die Petrikirche an ihrer Ostseite durch einen Anbau im Jugendstil erweitert. Foto: W. Schenk

Zu den dreißig Dresdner Kirchen, die während der anglo-amerikanischen Luftangriffe im Februar 1945 völlig zerstört bzw. stark beschädigt wurden, gehörte auch die Petrikirche nebst benachbartem Pfarrhaus. Altar, Kanzel und Orgel sowie die gesamte Innenausstattung wurden ein Opfer der Flammen. Über zehn Jahre musste die Gemeinde den kleinen von der Zerstörung verschont gebliebenen Kirchensaal im Anbau von 1907 nutzen. Fünf Jahre nach dem Beginn des Wiederaufbaus wurde die Petrikirche am 18. Dezember 1955 durch den sächsischen Landesbischof Gottfried Noth (1905–1971) zum zweiten Male geweiht.

Ergänzend der Hinweis, dass sich zum 1. Januar 1999 die Kirchgemeinden St. Petri, St. Pauli, Martin Luther und die der Dreikönigskirchgemeinde zum Kirchspiel Dresden-Neustadt vereinigten und dass die umfassend sanierte Petrikirche im Jahr 2001 an die freikirchliche „Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche“ (SELK) verpachtet wurde.

Brendler’s Geschichten ist eine Serie, in der Klaus Brendler für das Onlinejournal Pieschen Aktuell in loser Folge an Orte, Ereignisse und Personen im Stadtbezirk Pieschen erinnert. Der Stadtteilhistoriker und Autor war von 2007 bis 2023 Vorsitzender des Vereins „Dresdner Geschichtsmarkt“ und von 2002 bis 2022 Leiter der „Geschichtswerkstatt Dresden-Nordwest“. Er lebt in Dresden-Trachau.
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