Brendler’s Geschichten: Das Theaterhaus „Rudi“ und seine Geschichte (Teil 1)

Die Königliche Amtshauptmannschaft Dresden-Neustadt verschickte am 8. Juni 1893 an alle Gemeindevorstände des Amtsbereiches ein Schreiben. Gegenstand war die „Nachweisung der in der Gemeinde vorhandenen Gast- und Schankwirtschaften sowie Kleinhandlungen mit Branntwein und Spirituosen“. Diese Erfassung wurde benötigt, um die „Frage zu bearbeiten, inwieweit die Klagen wegen der übergroßen Zahl der Schankwirtschaften begründet sind“.

Demzufolge musste sich auch der Kaditzer Gemeindevorstand Christian Friedrich Findeisen (1856-1930) mit dem Sachverhalt befassen. Termingerecht zum 31. Juni 1893 übergab er die geforderte Statistik, aus der zu entnehmen ist, dass in der damals 1.050 Einwohner zählenden Gemeinde fünf Gast- und Schankwirte bzw. Kleinhändler ihrem Gewerbe nachgingen.

Unter ihnen auch der bis 1887 in der Dresdner Seminarstraße Nr.7 ansässige Sattlermeister und Wagenbauer Karl Ferdinand Fischer, der seit dem 14. Februar 1888 die Schankkonzession für das Kaditzer Hausgrundstück unter Brand-Kataster Nr. 51 besaß. Heute lautet die Anschrift an diesem Ort Fechnerstraße Nr. 2a. Diese Konzession gestattete ihm, eine Schankwirtschaft zu betreiben, Branntwein auszuschenken und Futterkrippen aufzustellen.

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Bauherr des Hauses war Windmüller Karl Friedrich Trentzsch. Er hatte sich 1872 ein unmittelbar an die Trachauer Flur grenzendes Stück Land in Kaditz gekauft und darauf ein Haus gebaut.

Konzessionsschein für Karl Friedrich Trentzsch, ausgestellt am 17. März 1879. Quelle: Archiv K. Brendler

Auf sein Ersuchen hin erhielt er 1874 und 1877 die Konzessionen zum Bier- und Branntweinausschank und im März 1879 die Erlaubnis, Futterkrippen vor seiner Schankwirtschaft aufzustellen. Schließlich gestattete ihm die Amtshauptmannschaft Dresden-Neustadt am 4. Oktober 1880 auch einen Anbau an das Haus.

Karl Friedrich Trentzsch, geboren 1821, starb am 2. Februar 1887. Er hinterließ seiner Ehefrau Charlotte und den acht gemeinsamen Kindern das Wohngrundstück und die Schankwirtschaft. Unmittelbar darauf verkaufte Witwe Trentzsch die Hinterlassenschaft an oben genannten Karl Ferdinand Fischer. Derselbe betrieb die Schankwirtschaft bis Ende 1893 und fand im Pieschener Produktenhändler Friedrich Ernst Leipert einen Käufer, dem am 29. März 1894 der Bier- und Branntweinschank sowie das Setzen von Krippen gestattet wurde. Letzteres, damit die Fuhrleute ihre Pferde ausspannen und füttern konnten.

Garten der 1874 von Karl Friedrich Trentzsch eröffneten Schankwirtschaft. Ansichtskarte (Ausschnitt) um 1905, Quelle: Michael Schmidt

Friedrich Ernst Leipert erweiterte in den Jahren 1895/96 das Grundstück um eine Asphaltkegelbahn und ein Schlachthaus für Kleinvieh. Im Antrag dazu nannte er seine Schankwirtschaft „Zum Feldschlößchen“, ein Name, der bis in die 1950er Jahre erhalten blieb.

Schließlich beantragte er am 12. November 1897 auf seinem Grundstück den Bau eines neuen „Restaurationsgebäudes mit anstoßendem Gesellschaftssaal“. Für das nach Plänen des Radebeuler Architekten Carl Leberecht Käfer (1856- 1910) errichtete neue Haus stellte Karl Ludwig Franz von Burgsdorff (1849-1922), Amtshauptmann für Dresden-Neustadt, 1899 die Konzessionen zum „Ausschank, zur Abhaltung von Tanzmusik und für theatralische Aufführungen“ aus.

„Zum Feldschlößchen“ in Dresden-Kaditz, Fechnerstraße 2a. Quelle: Archiv S. Reinhardt (Ansichtskarte um 1915)

Zur Erklärung sei eingefügt, dass die Adresse „Zum Feldschlößchen“ bis 1904 Leipziger Straße Nr.1 (Gemeinde Kaditz) lautete und seit der Eingemeindung von Kaditz nach Dresden (1903) Fechnerstraße Nr. 2a. Friedrich Ernst Leipert verkaufte 1908 das gesamte Haus an die Wirtschafterin Helene Margarethe Schumann (Rankestraße Nr. 4). Die wiederum verpachtete das Restaurant an den Gastwirt Arthur Bär. Ein Jahr vor Beginn des Ersten Weltkrieges (1914-1918) wechselte die Fechnerstraße Nr. 2a erneut den Besitzer. Eigentümer wurde die „Actien-Bierbrauerei Reisewitz“ in Dresden-Löbtau. Der neue Gastwirt im Restaurant „Zum Feldschlößchen“ wird Gustav Albin Eichhorn.

Georg Max Haase war bis 1937 Hauseigentümer und Schankwirt des Restaurants „Zum Feldschlößchen“. Quelle: Archiv K. Brendler

1919 erwarb der 1874 in Mittweida geborene Georg Max Haase das Haus Fechnerstraße 2a, Restaurant und Saal inbegriffen. Bis 1904 hatte er in Dresden-Pieschen (Markusstraße Nr. 16) mit Holz und Kohlen gehandelt und in den Jahren danach die Gaststätte „Zum Palmbaum“ (Freiberger Straße Nr. 12) und ab 1914 das Restaurant „Zum Schützenhof“ in Dresden-Trachau geführt. Max Georg Haase verstarb 1951, sein Grab auf dem Kaditzer Friedhof (Serkowitzer Straße) ist nicht mehr vorhanden.

Das „Feldschlößchen“ gehörte während der 1920er und 1930er Jahre zu den renommierten Familien- und Vereinslokalen entlang der Leipziger Straße. Im Saal und den Geschäftszimmern tagten Vereine aus Kaditz, Mickten und Trachau, Familienfeiern und Firmenjubiläen fanden hier statt, Handwerker und Gewerbetreibende trafen sich zu Innungsfesten.

Vereinsmitglieder des Fußballclubs „Sportfreunde Kaditz“, gegründet 1909, bei einer Feier im Vereinslokal „Zum Feldschlößchen“ (April 1920). Quelle: Archiv S. Reinhardt

Restaurant und Saal wurden von Vereinen und Organisationen für Veranstaltungen und Versammlungen genutzt. Gegen Ende der 1920er Jahre bis um 1937/38 fanden im Saal auch Filmvorführungen und Tanzveranstaltungen statt. Nachdem Georg Max Haase im Alter von 65 Jahren seinen Platz als Gastwirt geräumt hatte und nach Dresden-Mickten verzog, waren Otto Bergelt (bis etwa 1940) und anschließend Bruno Schulze seine Nachfolger. Seit 1946 befand sich für viele Jahre die Kreisleitung der SED, später auch kurzzeitig die Abteilung Kultur des Rates des Stadtbezirks Dresden-Nord im I. Stock. Der Saal wurde als Lagerraum genutzt, in den oberen Etagen wohnten Familien. Die Gaststätte im Erdgeschoss, später HOG „Zum Feldschlößchen“, war geöffnet. Eigentümer des Hauses waren nach dem Tod Georg Max Haases seine Erben.

Einladungskarte zur Eröffnung des Jugendklubhauses „Rudi Arndt“. Quelle: Archiv K. Brendler

Am 28. Dezember 1957 wurde durch den Rat des Stadtbezirkes Dresden-Nord und die FDJ-Kreisleitung in den Räumen der HO-Gaststätte „Zum Feldschlößchen“ das Jugendklubhaus „Rudi Arndt“ eröffnet. Der jüdische Kommunist und Antifaschist Rudi Arndt (1909-1940) war von den Nationalsozialisten im KZ Buchenwald ermordet worden.

„Künftiger Treffpunkt für die Jugend des Nordens!“, so überschrieb die Sächsische Zeitung am 3. Januar 1958 die Eröffnung des Jugendklubhauses. Und weiter: „Ein geschmackvoll eingerichteter Klubraum, Tischtennis- und Billardzimmer, Fernsehraum, Näh- und Musikzimmer, ein Raum für den Fotozirkel, das alles gehört zum Jugendklubhaus an der Fechnerstraße in Kaditz. Der Saal kann noch nicht genutzt werden, für seine Instandsetzung fehlen die Mittel, er dient als Möbellager.“

Anmerkung: Dem Teil 1 der Geschichte des Theaterhauses „Rudi“ – „Vom „Feldschlößchen“ zum Jugendklubhaus „Rudi Arndt“ – folgt Teil 2, dessen Gegenstand der Weg vom Jugendklubhaus „Rudi Arndt“ zum Proben- und Aufführungszentrum der Dresdner Amateurtheater sein wird.

Brendler’s Geschichten ist eine Serie, in der Klaus Brendler für das Onlinejournal Pieschen Aktuell in loser Folge an Orte, Ereignisse und Personen im Stadtbezirk Pieschen erinnert. Der Stadtteilhistoriker und Autor war von 2007 bis 2023 Vorsitzender des Vereins „Dresdner Geschichtsmarkt“ und von 2002 bis 2022 Leiter der „Geschichtswerkstatt Dresden-Nordwest“. Er lebt in Dresden-Trachau.
>> zum Archiv von Brendler’s Geschichten

3 thoughts on “Brendler’s Geschichten: Das Theaterhaus „Rudi“ und seine Geschichte (Teil 1)

  1. Margit Reif sagt:

    Danke für den sehr interessanten Bericht. Ich bin auf der Fechnerstr groß geworden. Meine Schulfreundin Carsta wohnte ganz oben in der 2a. Der anschließende Spielplatz wurde oft von uns genutzt. Im kleinen Saal haben wir unsere Hochzeit gefeiert. Veranstaltungen im Rudi wurden oft besucht.

  2. Renate Schwarz sagt:

    Ich schließe mich dem Dank an den verdienstwürdigen Herrn Brendler an. Unweit des „Rudi“ auf der Leipziger war ich als Kind zu Hause. Jeden Samstag, wenn zu Hause Großreinemachen angesagt war, schickte unsere Mutter uns drei kleine Kinder ins Rudi – Fernsehzimmer und noch heute als alte Frau sind die Erinnerungen frisch an die Geschichten von Meister Nadelöhr und Meister Briefmarke.
    Ich freue mich jedesmal darüber, dass dieses Gebäude der Kultur erhalten geblieben ist.

  3. Fraulob sagt:

    Sehr gut geschrieben. Ich war oft zum Tanz. Von Radebeul wars ja nicht weit.

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