Von null bis hundert: Alle Generationen unter einem Dach

Die Initiative „null bis hundert“ will gemeinsam alt werden. Dazu hat die Gruppe im Jahr 2020 eine Genossenschaft gegründet und sucht ein passendes Grundstück. Ihr Ziel: Eine Gemeinschaft der Generationen, mit integrierter Kita und Pflege. Seitdem stellen sie ihre Idee zu verschiedenen Anlässen der Dresdner Öffentlichkeit vor. So auch am Mittwochabend. Die Architektin Dorothea Becker war zu Gast auf der Sitzung des Stadtteilbeirates Pieschen und Mickten. Sie ist Gründungsmitglied der Genossenschaft, berät die Planung des Projektes und ist eines der drei Aufsichtsratsmitglieder der Genossenschaft. Petra Thomas (r.) ist Mitglied der AG Info.

Im Gespräch mit der Autorin des Beitrages erläutern Anke Mono und Petra Thomas, die sich beide in der AG Info der Genossenschaft engagieren, die Idee, die sich hinter „Null bis hundert“ verbirgt.

Vielleicht hätten die Freund:innen nicht begonnen, wenn sie gewusst hätten, was auf sie zukommen würde. Corona, schwindelerregende Immobilienpreise – es ist eine schwierige Zeit, um von den Häusern der Zukunft zu träumen. Die Gruppe, zu der Anke Mono gehört, hat dennoch nicht damit aufgehört. Ihr Traum ist ein Ort, an dem alle Generationen gemeinsam leben. „Vom ersten bis zum letzten Atemzug“, wie es Anke pointiert.

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Anke Mono

Anke Mono engagiert sich in der AG Info. Foto: Ph. Schlick

Dorf in der Stadt

Die Idee entstand vor nunmehr vier Jahren. Im Freundeskreis von Anke seien grundsätzliche Fragen aufgekommen: „Was passiert eigentlich, wenn die Kinder aus dem Haus sind? Wo sollen unsere eigenen Eltern leben, wenn sie alt sind? Wie wollen wir selbst leben?“ Schnell habe ein Mehrgenerationen-Konzept als Lösung im Raum gestanden, erzählt sie. Die Vorzüge liegen auf der Hand: gegenseitige Unterstützung, Gesellschaft, Zusammenhalt, Chancen.

Alle Vorteile eines Dorfes, gut angebunden in der Stadt, das hat auch Petra Thomas begeistert. Für sie stelle das Konzept ein Gegengewicht zu einer Lebenswelt dar, in der das Soziale den Gesetzen des Kapitalismus unterworfen werde. „Ich finde, dieser Entwurf ist ethisch und verantwortungsbewusst für alle beteiligten Generationen.“ Deshalb habe sie sich entschieden, Teil davon zu sein und die Bestrebungen zu unterstützen. „Die professionelle Vorgehensweise hat mich beeindruckt.“

Vorreiter in der Region

Die zehnköpfige Gründungsgruppe hat mittlerweile eine Genossenschaft gegründet. Dreißig Menschen gehören derzeit dazu. Wer am Projekt teilhaben möchte, kann Mitglied werden und Anteile erwerben. Fünf Arbeitsgemeinschaften kümmern sich um die Bereiche Förderung, Inhaltliches, Öffentlichkeitsarbeit, IT-Belange, Bau. An Letzterem hängt es: „Ein passendes (Bau-)Grundstück im Raum Dresden zu finden, ist eine große Herausforderung, die einen langen Atem braucht“, stellt Anke Mono fest.

Null bis hundert: Ein kleiner Erklärfilm. Quelle: null-bis-hundert.de

Ihre Vorstellungen hat die Initiative von einer Grafikerin umsetzen lassen: Das Wohnen soll nach Generationen in Etagen gegliedert sein und nach einem Rotationsprinzip funktionieren. Verkleinert oder vergrößert sich eine Wohnpartei, zieht sie innerhalb des Gebäudes um. Auf diese Weise sollen auch Lebensentwürfe jenseits des klassischen Familienmodels berücksichtigt werden. Das Untergeschoss soll als Gemeinschaftsraum dienen. „Mit unserer Idee sind wir Vorreiter in der Region“, sagt Anke und meint die Planungen einer integrierten Pflegestelle, angedockter Tageseltern-Räume und Praxen. So würden vor Ort Arbeitsplätze geschaffen und Bedürftige versorgt – auf kürzestem Weg.

Junge Menschen gesucht

Das Konzept von „null bis hundert“ sieht 120 Menschen vor, die in 60 bis 75 Wohnungen zusammenleben. Für die Planungen wurden Profis engagiert, erzählt Anke. Vorbild sei der Möckernkiez in Berlin gewesen: Die Genossenschaft hat 2016 in Kreuzberg auf 30.000 Quadratmetern ein modernes Wohnquartier mit 14 Gebäuden errichtet: durchweg barrierearm, autofrei und nachhaltig.

In Dresden wird nicht ganz so groß geplant. Auf einem Areal zwischen 5.000 und 7.000 Quadratmetern sollen drei viergeschossige Mehrfamilienhäuser mit rund 5.000 Quadratmetern Wohnfläche entstehen.

Auf insgesamt 20 Millionen Euro schätzt „null bis hundert“ die Kosten für die Umsetzung des eigenen Vorhabens – egal, ob ein Wohnkomplex neu gebaut oder ein vorhandenes Gebäude umgebaut werden müsse. „Der Preis pro Quadratmeter liegt bei 12 Euro“, überschlägt Anke. Ein Viertel der Kosten müsse als Eigenkapital eingebracht werden. Die Projektbroschüre vergleicht anhand verschiedener Fallbeispiele anschaulich die finanziellen Belastungen einer Familie: als Genossenschaftswohnung, als Mietwohnung oder beim Erwerb einer Eigentumswohnung.

Regelmäßig hält die Initiative Infotreffen ab, um Interessierte zu werben und Mitstreiter*innen zu finden. Dass diese in den vergangenen Monaten nur online stattfinden konnten, habe sich bei der Teilnehmendenzahl bemerkbar gemacht, sagen die Frauen. „Uns fehlt die Vernetzung von Mensch zu Mensch.“ Am 1. Mai plane man deshalb ein Treffen unter freiem Himmel, an der Elbe auf Höhe Japanisches Palais.

Auf der Suche sei man besonders nach jungen Menschen, die an der Idee mitwirken möchten. „Wir sehen vor allem für Familien Vorteile in dem Projekt“, so Petra Thomas, „zum Beispiel bei der Kinderbetreuung oder dem Kontakt mit anderen Kindern.“

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