Übigau – ein Geburtsort des sächsischen Wirtschaftswunders

Am Ufer der Elbe vor dem Schloss in Übigau, dem Verwaltungssitz seiner Maschinenfabrik, standen am Sonntag, dem 30. Juli 1837 Professor Andreas Schubert und sein bester Mitstreiter, Werkstattmeister Christian Johann Heinrich Schmidt, und genossen den kühlenden Wind am Fluss, der die Hitze dieses Hundstages ein wenig erträglicher machte. Genüsslich zogen beide an ihren Zigarren und blickten zufrieden in diesen ereignisreichen Tag.

Dann begaben sich beide zum Packhof an der Dresdner Marienbrücke. Dort warteten sie darauf, dass sich die Mitglieder der Sächsischen Elbedampfschifffahrtsgesellschaft an Bord des ersten in Sachsen gebauten Dampfschiffes, die Königin Maria, begaben. Den Vorsitz des Eigentümer-Komitees hatte der bayrische Generalkonsul Gottwald Hesse. Mitaktionäre waren Schiffseigener Benjamin Weber sowie eine Reihe reicher Dresdner Kaufleute.

Professor Johann Andreas Schubert. Quelle: Archiv

Der Aktien- und Kapitalboom der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts beflügelte das einsetzende sächsische Wirtschaftswunder und katapultierte in wenigen Jahren das Königreich an die Spitze der reichsten deutschen Länder.

Schubert und Schmidt folgten als letzte auf die Maria. Nun konnte das Schiff zur ersten offiziellen Probefahrt mit Besatzung und Passagieren nach Meißen aufbrechen. Viele Spaziergänger verfolgten das Ereignis von beiden Elbufern und von der Marienbrücke aus.

Die Steine auf dem Weg des Genies

Ein glatter Weg war ihm nicht in die Wiege gelegt. Johann Andreas Schubert wurde in armen Verhältnissen geboren. Sein Glück war, dass er zu einer Pflegefamilie kam, nämlich die des Polizeipräsidenten von Leipzig. So genoss der talentierte Junge eine gute Ausbildung, studierte Maschinenbau und wurde Lehrer und Professor an der Königlich-Technischen Bildungsanstalt Dresden. 1836 gründete er als Unternehmer im Rahmen einer Aktiengesellschaft die Maschinenbaugesellschaft Übigau. Und hier wurde die Königin Maria, das erste Dampfschiff auf der Oberelbe, fertiggestellt.

Kein leichtes Unterfangen, denn die Elbe war zu damaliger Zeit ein widerspenstiger Fluss. Stromschnellen, Sandbänke und wechselnde Untiefen erschwerten die Schifffahrt. Ein Hindernis war auch die Augustusbrücke in Dresden. Elbaufwärts ging es nur in kleineren Booten mit Segel und Treideln mit Menschen- oder Tierkraft. Anträge von verschiedenen Unternehmern, die Elbe mit Dampfkraft zu befahren, wurden mehrfach abgelehnt – so auch ein Gesuch von Schubert aus dem Jahr 1833. Das Hauptproblem mit den Dampfschiffen war deren Gewicht und damit deren Tiefgang. So stand es im Gewerbeblatt Sachsen, Band 1, Industrielle Zustände, Chemnitz 1839.

In Schuberts Maschinenfabrik sollte dieses Problem mit den schweren Dampfkesseln gelöst werden. Dabei ging es nicht etwa um fehlende Gelder. Die gezeichneten Aktien wurden innerhalb kürzester Zeit ausgegeben. Das eigentliche Problem beschreibt der oben erwähnte Artikel: „Professor Schubert hatte in einem Programm die Ausführbarkeit einer raschen und vorteilhaften Beschiffung der Elbe mittels Dampf theoretisch entwickelt und sich in nichts weiter geirrt als in Gewicht der Maschinen und Kessel, die er zu leicht annahm.“

Ein Genie trieben Schwierigkeiten dieser Art erst recht an. Gemeinsam mit seinem Werkstattmeister wurde getüftelt, verglichen, gemessen, verworfen und von Neuem probiert.

Die nächste Schwierigkeit für die Königin Maria: „Die Dampfmaschine wurde in Berlin gebaut, Boot und Kessel in Übigau. Die Harmonie fehlte, der Zusammengriff, und wie das erste Dampfschiff auf die Elbe kam, hatte es gehörig beladen einen Tiefgang von beiläufig 26 bis 27 Zoll“ (das sind umgerechnet 66 bis knapp 69 Zentimeter). Mit diesem Tiefgang konnten die Untiefen und Hindernisse auf der ungestümen Elbe aber nicht umschifft werden.

Die Maschinenfabrik Übigau, das Schloss diente als Verwaltungsgebäude. Lithographie 1836

Das war natürlich Wasser auf die Mühlen der Skeptiker, Besserwisser, Neider und Übervorsichtigen. Die Stimmung zwischen Schuberts Maschinenfabrik und der Sächsischen Elbdampfschiff-Gesellschaft war daraufhin sehr gereizt. Viele sahen ihr Geld in den Strudeln des Flusses versinken. Und die Königin Maria blieb auch mehrfach auf Sandbänken stecken. Am 19. August 1838 sank das Schiff sogar nach einer Grundberührung auf der Rückfahrt von Pillnitz bei Hosterwitz. Das Leck konnte aber wieder repariert werden. Forderungen nach einem Ausbau der Elbe wurden immer lauter, was dann auch ab 1840 erfolgte.

Der alte Übigauer Kessel wurde übrigens im November 1836 durch einen Überdruckkessel, einem sogenannten Kofferkessel, einer anderen Firma ersetzt.

Das Schicksal der Königin Maria und der Maschinenfabrik in Übigau

Mit dem geplanten Elbeausbau sollte es möglich sein, in 2 bis 3 Tagen Hamburg zu erreichen, frohlockte 1837 die Zeitung Dresdner Nachrichten. Vier Jahre später, am 7. April 1841, war es dann für die Königin Maria soweit. In Hamburg bekam das Schiff einen neuen Kessel und eine neue Dampfmaschine. Beim großen Elbehochwasser 1845, als der Mittelpfeiler der Augustusbrücke zerstört wurde und das Kreuz auf Nimmerwiedersehen im Fluss versank, hatte die Königin Maria noch mal einen großen Auftritt. Sie diente als Fähre zwischen Alt- und Neustadt. Im Herbst 1846 wurde sie ausgemustert.

Und die Schubert‘sche Maschinenfabrik in Übigau? Hier entstand noch ein weiterer Meilenstein sächsischer Ingenieurskunst, die Dampflok Saxonia. Die Skepsis gegenüber Schuberts fachlichem Vermögen war dennoch groß. So durfte sie hinter dem ersten Zug der Ferneisenbahn Leipzig-Dresden nur hinterherfahren, gesteuert vom dennoch stolzen Werkstattmeister Christian Johann Heinrich Schmidt.

Johann Andreas Schubert hatte wenig Glück mit der Übigauer Maschinenfabrik. Ein wirtschaftlicher Erfolg für die Aktionäre und für ihn stellte sich nicht ein. Und so kündigte er 1839 seinen Vertrag mit dem Actien-Maschinenbau-Verein und kehrte an die Hochschule zurück.

Die Maschinenfabrik ging im Juni 1841 in Liquidation und wurde vom Aktienverein einen Monat später zum Verkauf angeboten.

Unser Autor:
Der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb durchstöbert für seine Geschichten mit Vorliebe die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek.

4 Meinungen zu “Übigau – ein Geburtsort des sächsischen Wirtschaftswunders

  1. Bei den biografischen Daten zum Herrn Schubert haben sich doch wieder die altbekannten Ungenauigkeiten eingeschlichen.
    Mit der guten Ausbildung durch die Pflegeeltern z. B. war es nach zwei Jahren schon vorbei, weil der Pflegavater starb und die Witwe es nicht mehr bezahlen konnte. Also musste er die Leipziger Thomasschule wieder verlassen und wurde zunächst an der Königsteiner Kaserneschule unterrichtet. (Schuberts Pflegmutter zog zu Ihrem Bruder, der Kommandant der säschsichen Staatsfestung war.) Was natürlich weit unter seinen Möglichkeiten lag. Rettung kam durch die Dresdner Freimauerer und deren Institut in Friedrichstadt, die Schubert aufnahmen, Kost und Logis stellten und ihm so die Grundlage für eine solide Ausbildung ermöglichten. Den Freimaurern blieb Schubert bis an sein Lebensende eng verbunden.
    Ja und auch mit der Übigauer Maschinenbauanstalt ist das so eine Sache:
    Auch wenn es immer und überall wiederholt wird, Schubert war nicht Eigentümer, zumindest nicht Alleineigentümer der Übigauer Maschinenbauanstalt, sondern deren Technischer Leiter und Mitgesellschafter. Zu mehr wäre er aufgrund seiner finanziellen Möglichkeiten gar nicht in der Lage gewesen.
    Das das Unternehmen in Übigau nicht von Erfolg gekrönt war hatte viele Ursachen, gegen einige versuchte Schubert vorzugehen, aber ohne Erfolgt. So blieb ihm letztlich nur die Entscheidung zu gehen, und er musste mit ansehen wie sein Werk zugrunde ging.
    Zurück blieben für ihn auch nicht unerhebliche Schulden, die er viele Jahre abzahlen musste.
    Schließlich sei noch darauf hingewiesen, das die Abbildung von Schubert (ein Foto von Hermann Krone aus den späten Lebensjahren) sogar nicht zu dem Schubert der Übigauer Zeit passt. Vom jungen Schubert gibt es nach bisheriger Erkenntis lediglich eine Abbildung (Ölgemälde), die sich im Deutschen Museum in München befindet. Zur Schubert-Ausstellung anlässlich des 200. Geburtstages im Lingner schloss zeigte die damalige BI Schloss Übigau eine Kopie des Gemäldes in Originalgröße.
    Ingenieur – Hochschullehrer – Demokrat – Freimaurer: JOHANN ANDREAS SCHUBERT zum 200.GEBURTSTAG
    http://www.pressebuero-naumann.de/Uebigau/AUSTELLUNGEN-Schubert.HTM
    Die Austellung war später noch an anderen Orten zu sehen und wurde zuletzt im Herbst 2020 in Schuberts Geburtsort Steinberg-Wernesgrün im Vogtland anlässlich seines 200. Todestages gezeigt. Allerdings wurde die Präsentation durch die Corona-Pandemie sehr eingeschränkt.

  2. Eine weitere Anmerkung sei an dieser Stelle noch getan.
    Das Schloss Übigau, wurde 1836 vom Actien-Maschinenbau-Verein, von Paul Siemen, Ratszimmermann und Mitgesellschafter des Unternehmens erworben. Es war nicht nur der Sitz der Verwaltung des Unternehmens – zeitweilig wohnte auch Schubert mit seiner jungen Frau dort – sondern es war auch Standort des Unternehmens! Hier befanden sich die Verwaltung, die Konstruktionsräume und im Park wurden Gebäude für die Produktion erreichtet. Dies war eigentlich der Anfang der Industriegeschichte von Schloss Übigau, die bis Anfang der 1990er Jahre andauerte.
    Die Bi Schloss Ü bigau hat sich auch diesem Thema mit einer Umfangreichen Ausstellung unter dem Titel „Vom barocken Landschloss zum Industriestandort – 280 Jahre Schloss Übigau“ http://www.pressebuero-naumann.de/Uebigau/AUSTELLUNGEN-schloss.HTM gewidmet. Diese wurde u.a.auch in den Ausstellungsräumen des Vereins in Übigau, im Rathaus Pieschen, im Kulturrathaus und an anderen Orten gezeigt.

  3. Lange sagt:

    Leider ist alles vom Übigauer Schloß bis zu den beschriebenen Industrieanlagen, das verwilderte Elbufer in einem bedauernswert vernachlässigten Zustand!

    • Katie sagt:

      ja sehr traurig Herr Lange, seit über 4 Jahren kämpft Frau Schubert sich durch alle Instanzen um diesen Zustand zu ändern, inclusive der illegalen Schließung der öffentlichen Treppe als Elbzugang … auf dem freigelegten Treidlerweg könnten sich die demnächst 5000 zuziehenden Bürger ein wenig aus dem Weg gehen an den engen Stellen, wie es früher war. Wenn weiterhin nichts geschieht wäscht die Elbe die unterwurzelten Sandsteine aus, schon deshalb müsste hier dringend auch zwecks Hochwasserschutz gehandelt werden … mit einem neuen Bürgermeister ? *__* wir geben die Hoffnung nicht auf

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