Denise Kunze – Direkthilfe mit Vision

Der Ballsaal des Zentralwerks in Pieschen ist zu einem gewichtigen Umschlagplatz für Hilfsgüter geworden – und zur Heimstatt einer Vision. Denise Kunze hat die Direkthilfe für die Ukraine mit aufgebaut.

Die Augen müssen sich an diesem strahlenden Frostmorgen erst an die Dunkelheit gewöhnen, in die der Raum nach dem Zufallen der Tür versinkt. Wo sich sonst Menschen bei Konzertbesuchen drängen, gewinnt ein ungewöhnliches Gebirge langsam an Kontur: Es sind Berge aus Kartons, Kisten und Tüten, die sich hier im Ballsaal des Zentralwerks stapeln. In Wölkchen steigt der Atem zur Decke auf. Denise Kunze steckt in einer praktischen Montur: dicke Jacke, Arbeitshose, Mütze. Aus den Jackenärmeln schauen rotverfroren ihre Hände hervor: „Handschuhe nützen mir nichts“, erklärt sie „weil ich zufassen muss.“

„Alle dürfen hier mitmachen. Es gibt keine Hierarchien, alle finden eine Aufgabe, einen Platz, an dem sie gebraucht werden.“

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Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine packt Denise viele Stunden am Tag an. Es ist eine selbstgewählte Aufgabe, für die sie kein Geld bekommt. Binnen zweier Tage hat sie gemeinsam mit ihrer Crew eine logistische Meisterleistung vollbracht und das Zentralwerk in einen Umschlagplatz für Hilfsgüter verwandelt. Tonnenweise gehen die Spenden seit dem Montag nach Kriegsbeginn ein: Kinderausstattung, Lebensmittel, Hygieneartikel. Es sieht aus, als plane ein ganzes Dorf seinen Umzug.

Wo sonst Menschen tanzen, ist ein Lager für Spenden entstanden. Foto: PS

Denise rät aufgrund der aktuellen Situation dringend von eigenständigen Fahrten in Richtung Ukraine ab – zu groß sei die Gefahr für Leib und Leben, zu hoch das Risiko, dass Privat-Pkws planlos die Fluchtrouten verstopfen. An Sammelstellen wie dem Zentralwerk konzentriert sich deshalb die Hilfsbereitschaft der Zivilgesellschaft. „Am dringendsten werden gerade Blutstiller und Verbandszeug benötigt“, sagt Denise und ein Schatten legt sich auf ihr Gesicht.

Service:
Öffnungszeiten der Spendenstelle:
10:00 bis 19:00 Uhr
Zentralwerk, Foyer
Gegenüber “Mälzerei”, Heidestr 2, 01127 Dresden
www.dhdd.info

Sie sieht müde aus, fühle sich aber euphorisch, sagt sie. Die Solidarität überwältige sie von Tag zu Tag aufs Neue. Die Direkthilfe Dresden hat einen Telegram-Kanal eröffnet, in dem Angebote und Gesuche gebündelt werden. Er zählt mittlerweile über 1600 Mitglieder. Vermittelt werden Unterkünfte, Nahrung, Aufgaben, Ratschläge, Medikamente. Zum einen muss das Lager koordiniert werden, zum anderen die Verteilung der Güter. Wer braucht was? Wie viel? Wie kommt es dahin? Ukrainische Hilfsorganisationen holen die Waren und bringen sie beispielsweise zu dortigen Krankenhäusern. Das Ganze hat mittlerweile die Komplexität eines Großhandels angenommen. Damit alles reibungslos läuft, braucht es viele Hände – und eine klare Kommunikation.

Dafür ist unter anderem Denise zuständig. Sie behält den Überblick, vermittelt, koordiniert, leistet Öffentlichkeitsarbeit – und schwärmt: „Alle dürfen hier mitmachen. Es gibt keine Hierarchien, alle finden eine Aufgabe, einen Platz, an dem sie gebraucht werden.“ Entstanden sei so ein mehrsprachiges, inklusives Team, das effektiv zusammenarbeite, ausschließlich, weil es Freude daran habe. Vereint in Sinnhaftigkeit – das sei für Denise das Ideal einer gerechten, menschlichen Arbeitswelt. Sie hat damals im Einzelhandel andere Erfahrungen gemacht: Zeitdruck, Sticheleien, Missgunst. Im Zentralwerk entstehe in ihren Augen derzeit ein Gegenentwurf.

Spenden werden nach Vereinbarung auch außerhalb der Annahmezeiten entgegen genommen. Foto: PS

Denise und ihr Team haben im hiesigen Projekt einen Prototyp erkannt: Warum nicht eine dauerhafte Direkthilfe manifestieren, mit festen Stellen? „Krieg“, stellt sie bitter fest „ist immer irgendwo.“ Das klingt nach Utopie und gleichzeitig sehr vernünftig. Warum sollte sich das auch ausschließen? „In der oberen Etage richten wir gerade eine Spielecke ein, damit Menschen mit Kindern hier helfen können“, erklärt sie. Am meisten beeindrucke sie, was die Tätigkeiten hier mit den Helfenden mache: „Manche kamen ganz schüchtern rein und trauten sich kaum zu sprechen. Jetzt sind sie aufgeblüht, locker. Gewachsen, irgendwie.“

Die Gemeinschaft trage wie ein stabiles Netz: „Kürzlich hatten wir hier riesigen Hunger. Wir haben in der Telegramgruppe nach Essen gefragt. Eine halbe Stunde später stand ein Pizzabote mit bestimmt zehn Pizzen vor der Tür.“ Denise strahlt. Die Direkthilfe im Zentralwerk zeigt: Der Krieg kehrt neben den schrecklichsten Seiten des Menschen auch seine wertvollsten hervor.

Hier die Liste der HuMaNs Stiftung, die die LKW Transporte organisiert:
Weitere Bedarfsliste hier:
Wer unterstützen möchte, kann sich hier melden:
oder direkt in die Doodle_Liste eintragen:
oder einfach vorbeikommen.
Gesucht werden außerdem Übesetzer*innen und Fahrer*innen, am besten mit eigenem Fahrzeug!
Bitte auch vorbeikommen oder melden unter
0351 256 57 269 (Zeiten wie oben)

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12 Meinungen zu “Denise Kunze – Direkthilfe mit Vision

  1. JS sagt:

    In Deutschland werden Rechtsextreme geächtet, in der Ukraine bekommen sie Unterstützung u.a. von Deutschland.

  2. FDD sagt:

    @LoL – die Wahrheit ist nicht immer so einfach -> https://de.wikipedia.org/wiki/Regiment_Asow

  3. Am Ende des oben zitierten Wikipedia-Beitrages zum Regiment Asow gibt es auch eine Einordnung in das gesamte politische Spektrum in der Ukraine:
    „Die Existenz des Regiments Asow war immer Bestandteil der Russischen Propaganda.[58][59][60] Dagegen steht die Feststellung, dass Rechtsextreme in der Ukraine politisch bedeutungslos sind; bei der Parlamentswahl 2019 konnte das Wahlbündnis rechtsextremistischer Parteien (darunter auch das mit dem Regiment Asow verknüpfte „Nationalkorps“) mit 2,4 % der Stimmen nicht einmal die Hälfte der notwendigen Zustimmung für die Fünf-Prozent-Hürde erreichen und nur in einem von 186 Wahlkreisen ein Direktmandat erringen; es stellt damit nur einen von 450 Abgeordneten des ukrainischen Parlaments.“

  4. JS sagt:

    Neben Asow gibt es auch noch Aidar.
    Und die Neonazis sitzen dort in den höchsten politischen Kreisen bis in die Regierung.
    Wikipedia ist in diesen Fällen keine hilfreiche Quelle.

    • LoL sagt:

      Josef Stalin:
      Russische Propaganda verbreiten kommt gar nicht gut und das Kürzel von einem der größten Massenmörder zu verwenden…wie tief muss jemand dafür gesunken sein?
      Unterirdisch!

    • LoL sagt:

      Ein Teil des Kommentar wurde entfernt. Vielleicht, weil sonst die starke Annahme besteht, das sich ein strammer AFD‘ler vom rechten Flügel geäußert hat?

  5. Rainer Witz sagt:

    Bei uns sitzen die Rechten mit nicht wenigen Sitzen im Bundestag. Vielleicht kann einer bei Putin anrufen und er könnte uns auch entnazifizieren, so als Miet-Entnazifizierer. Nur bitte nicht die DDR wieder einführen, auch wenn er natürlich historisch alle Rechte dazu hätte…

    • JS sagt:

      Richtig, da sitzen Mitglieder einer politisch als rechts eingestuften Partei. Nur keine Neo oder Alt Nazis.
      Die sitzen in den anderen Parteien.

  6. Rainer Witz sagt:

    Ich spare mir eigene Worte und bediene mich Journalisten, Entschuldigung, der Lügenpresse, …
    „AfD-Abgeordnete beschäftigen Rechtsextreme und Verfassungsfeinde
    Ein Nazi-Netzwerk im Deutschen Bundestag: Mindestens 27 Mitarbeiter von AfD-Abgeordneten sind Aktivisten und Anhänger rechtsradikaler Organisationen. “

    https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-03/afd-bundestag-mitarbeiter-rechtsextreme-identitaere-bewegung
    Das war 21.03.2018

    Aber was uns diese ganzen „Krisen“ der letzten Jahre gezeigt haben ist nun mal, das wir alle in unseren Blasen leben, gerne durch soziale Medien gefestigt, ich nehme mich da nicht aus.

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