Die aus einem Projekt des Bürgervereins „Hans-Richter-Siedlung Dresden-Trachau“ entstandene und 2002 vom Diplomhistoriker Horst R. Rein (1936-2006) ins Leben gerufene „Geschichtswerkstatt Dresden-Nordwest“ (GWNW) verstand sich über all die Jahre immer als ein Forum des zwanglosen Erfahrungs- und Materialaustauschs unter Heimatfreunden. In diesem Jahr beging sie ihren zwanzigsten Geburtstag.
Horst R. Rein hatte außer der Geschichtswerkstatt im Mai des Jahres 1990 schon die „Trachauer Bürgerzeitung“ und wenig später mit Gleichgesinnten den „Bürgerverein Hans-Richter-Siedlung“ gegründet. Er, der sich mit großer Energie für die Erforschung der Dresdner Kunst-, Kultur-, und der Stadtteilgeschichte einsetzte, verwirklichte letztlich auch seine Gedanken zu einem Dresdner Geschichtsmarkt. Im Frühjahr 2004 wurde er zum ersten Male im Stadtarchiv (ehemalige Heeresbäckerei) durchgeführt.
Im Archiv der Geschichtswerkstatt findet sich neben anderen Zeitdokumenten auch der vor zwanzig Jahren verfasste Aufruf zur Gründung. Hier der Wortlaut:
„Ab dem 7. Februar 2002 lädt das ausschließlich mit Mitteln des dortigen Bürgervereins rekonstruierte Bürgerzentrum ELSA in der Trachauer Richard-Rösch-Straße Nr.22 jeden Donnerstag von 15-17 Uhr Neugierige und ‚Experten‘ zur offenen Geschichtswerkstatt ein. Unter sachkundiger Anleitung kann sich jedermann mit Fragen der Heimatgeschichte, der Landesgeschichte, der Technik- und Militärgeschichte, aber auch mit seiner eigenen Familiengeschichte beschäftigen.“
Die Mitarbeit in der Geschichtswerkstatt, das sei angemerkt, erfolgte nicht in Form einer Vereinsmitgliedschaft, sondern sie stand allen Interessierten unabhängig von ihrer Spezialisierung und Qualifikation offen. Die Basis bildeten vordergründig persönliche Bekanntschaften, angeregt und gefördert durch Publikationen sowie dem Auftreten in der Öffentlichkeit; zum Beispiel Veröffentlichungen in den gleichen Medien („Pieschener Zeitung“, „Trachauer Bürgerzeitung“, DNN, SZ und andere).
Gefördert wurden diese Kontakte außerdem durch die gemeinsame Arbeit an den Festbroschüren zum jährlichen „Pieschener Hafenfest“. Aus den spontanen Fachdiskussionen ergaben sich dann weiterführende Kontakte sowie ein reger Material- und Informationsaustausch.
Als wichtigster Gegenstand des Interesses erwies sich zunächst die Geschichte der ehemaligen Vororte des Dresdner Nordwestens, die 1897 (Pieschen und Trachenberge) und 1903 (Kaditz, Mickten, Übigau und Trachau) eingemeindet wurden und damit den Status von Vorstädten erhielten. Mit ihnen fühlten sich die Teilnehmer der Geschichtswerkstatt besonders verbunden. Sie organisierten regionalgeschichtliche Ausstellungen, Vorträge, Exkursionen sowie Diskussionen und unterstützten aktiv den Schutz kultur-historischer Denkmale.
In der Folgezeit gehörten dann stets gut besuchte Vorträge, kleine Ausstellungen, Besuche im Stadt- und im Hauptstaatsarchiv und heimatkundliche Führungen zur Arbeit der Geschichtswerkstatt. War anfangs vor allem der Nordwesten Dresdens und dessen Geschichte wichtigster Gegenstand der Zusammenkünfte, so wurde es in der Folge auch die Geschichte Dresdens sowie die seines nahen Umlandes.
Im Rahmen selbst ausgewählter Halbjahresprogramme trafen sich die Teilnehmer einmal im Monat und waren dann meistens „auf Achse“. So haben sie in den zwanzig Jahren unter anderem den ehemaligen Containerbahnhof in der Leipziger Vorstadt, die Kartensammlung im Stadtarchiv Dresden, das Lapidarium in der Zionskirche, die Abteilung Restauration der Hochschule für Bildende Kunst, den Orgelbaubetrieb Jehmlich, die Kunstgießerei der Gebrüder Ihle im Industriegelände sowie den Siemens Trafobetrieb Dresden-Übigau näher kennengelernt. Auch ließen sie sich über die Baustelle des Kulturpalastes Dresden, den historischen Eliasfriedhof in Sachsenplatznähe, durch die Arbeitsräume von MDR, Radio Sachsen und die der Deutschen Werkstätten Hellerau führen. In den letzten zwei Jahrzehnten ist so „ein gerüttelt Maß“ an Exkursionen und Besichtigungen zusammengekommen – fast 100 mögen es gewesen sein.
Die zur Zeit sechzehn Teilnehmer der Geschichtswerkstatt kommen aus den verschiedenen Teilen der Stadt. Die Mehrzahl ist im Dresdner Nordwesten beheimatet. Peter Gellner und Peter Haschenz in Übigau, Uwe Meyer-Clasen in Trachenberge, Klaus Brendler und Michael Jobst in Trachau, Siegfried Bannack in Klotzsche sowie Günther Scheibe und Siegfried Reinhardt in Kaditz. Weitere und in den meisten Fällen langjährige Teilnehmer sind Hans-Georg Staudte (Radebeul), Jochen Hänsch (Seevorstadt), Dr. Ludwig Jenchen (Naußlitz), Steffen Eitner (Johannstadt). Kay Hegenbarth, Joachim Winkler sowie Heidi und Karlheinz Knippe (alle Pirnaische Vorstadt).
Anzufügen ist, dass nahezu alle derzeitigen Teilnehmer der Geschichtswerkstatt auf den Märkten für Dresdner Geschichte und Geschichten mit Einzel- bzw. Gemeinschaftsprojekten präsent waren. Sie, die Geschichtsmärkte, fanden von 2004 bis 2019 statt, anfangs im Stadtarchiv, später im Bennogymnasium und der neuen Feuerwache Dresden-Übigau, zuletzt in der Fakultät Informatik der TU Dresden und der SLUB.
Auf dem 13. Markt für Dresdner Geschichte und Geschichten im März 2017 zum Beispiel waren Dr. Ludwig Jenchen, Joachim Winkler, Peter Haschenz Siegfried Reinhardt, Jochen Hänsch und Klaus Brendler mit eigenen Projekten vertreten. Darüber hinaus haben die drei Letztgenannten sowie Uwe Meyer-Clasen und Siegfried Bannack die Ergebnisse ihrer heimatgeschichtlichen Arbeit in verschiedensten Printmedien und Broschüren und Büchern öffentlich gemacht.
Im Rahmen der Zusammenkunft am 14. Juli dieses Jahres in der Gaststätte „Lindenschänke“ (Altmickten) wurde von den Teilnehmern der Geschichtswerkstatt einstimmig beschlossen, nach nunmehr zwei Jahrzehnten selbige im Dezember 2022 zu beenden. Beschlossen und bekräftigt wurde aber auch, dass man zukünftig in einer dem Alter gemäßen Form in Kontakt bleiben und sich nach Bedarf zwanglos zusammenfinden wolle. Außerdem ist ein jährliches „gemütliches Beisammensein“ in den Sommermonaten vorgesehen. Letztmalig treffen sich die Teilnehmer nun am 8. Dezember 2022 in der Kaditzer Gaststätte „Zur Einheit“ (Riegelplatz). Ohne Festrede, Gäste und Ehrungen werden sie die Geschichtswerkstatt Dresden-Nordwest „zu den Akten legen.“
Im Vorab wird der in den letzten zwanzig Jahren verstorbenen Teilnehmer der Geschichtswerkstatt gedacht. In guter Erinnerung bleiben Horst R. Rein, Dr. Max Seurig, Dr. Manfred Dreßler, Hellmuth Huth und Wolfgang Fiedler (alle Trachau), Rudolf Eichner (Leipziger Vorstadt), Wolfgang Roder (Klotzsche), Heidemarie Zeidler (Äußere Neustadt), Rolf Wilhelm (Weißig), Günther Wiese (Mickten) sowie Helmuth Claus (Weixdorf). Sie waren allesamt ständige oder korrespondierende Teilnehmer der Geschichtswerkstatt, die nun selbst ein Stück Geschichte des Dresdner Nordwestens geworden ist.
(1) Auf dem Titelfoto, das im September 2012 während der Exkursion in die Stadtentwässerung Dresden GmbH entstanden ist, sind zu sehen (v.l.n.r.): Siegfried Reinhardt, Günther Scheibe, Dr. Ludwig Jenchen, Jochen Hänsch, Joachim Winkler, Siegfried Bannack (Gast), Uwe Meyer-Clasen, Karl-Heinz Knippe, Peter Gellner, (Gast), Heidi Knippe, Klaus Brendler.
>> zum Archiv von Brendler’s Geschichten
Eine Meinung zu “Brendler’s Geschichten: Zwei Jahrzehnte Geschichtswerkstatt Dresden-Nordwest”
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Ja, Herr Brendler, das ist ein wirklich schöner und ausdrucksstarker Beitrag. Alles Gute den Heimathistorikern weiterhin – auch ohne Werkstatt.
Sehr gern denke ich an die Anfangsjahre der Geschichtswerkstatt zurück. Die vielen fachlich äußerst wertvollen Vorträge in der ELSA und die zwanglosen Begegnungen und Treffen am gleichen Ort erfreuen mich noch heute.
Gemeinsam mit dem leider zu früh verstorbenen Horst R. Rein konnte ich schon ab 1998 die Internetpräsentation „dresden-nordwest.de“ (existiert nur noch Offline bei mir) bereitstellen. Vielleicht war diese bescheidene, digitale Informationsbereitstellung für den Stadtbereich Dresden-Nordwest sogar mit die Basis für die Gründung der Geschichtswerkstatt. Vielleicht …
Brendler’s Geschichte ist diesmal sogar Brendler’s Geschichte (zumindest ein Teil). Nochmal ein Kompliment allen Initiatoren und Beteiligten, die mit ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit Freude erzeugt und für die Nachwelt auch etwas hinterlassen haben. Viele Grüße Gunnar Grützner – sachsenundso.de