In der Großenhainer Straße und in der Riesaer Straße erinnern neue Stolpersteine an Opfer des Nationalsozialismus. Vor dem Haus in der Großenhainer Straße 194 gibt es bereits einen Stolperstein für Helga Margot Grünewald. Ein weiterer Stein erinnert jetzt an ihren Bruder Heinz Grunewald. Das „u“ ist kein Schreibfehler, sondern das Ergebnis einer Namensänderung während der Flucht nach Ecuador. Während Helga Margot nach mehreren Fluchtstationen am 23. Juli 1943 im Vernichtungslager Sobibor ermordet wurde, war ihrem Bruder Heinz vier Jahre zuvor die Flucht gelungen. Später siedelte er mit seiner Familie in die USA um. Heinz Grunewald starb am 15. Januar 2006 nach einem erfüllten Leben. Seinen Stolperstein, der nicht nur an die Ermordung, sondern auch an die millionenfache Vertreibung der Juden erinnert, spendeten 2020 seine drei Kinder Peggy Ratner sowie Fred und Ralph Grunewald aus San Diego, Kalifornien.
Erinnerung an Familie Schweizer
Vor dem Haus in der Riesaer Straße 40 wurde heute drei Stolpersteine verlegt. Sie erinnern an das Ehepaar Luise Martha und Georg Friedrich Schweizer und ihren Sohn Ludwig Alexander. Die Familie, zu der auch noch vier Töchter gehörten, lebte fast zwanzig Jahre in der Rethelstraße in Übigau, bevor sie 1935 in die Riesaer Straße 40 umzog. Friedrich Schweizer arbeitete als Buchbinder in der Leipziger Straße 157 im Stadtteil Mickten. Als SPD-Stadtverordneter wurde er im März 1933 verhaftet und auf den Hohnstein in der Sächsische Schweiz gebracht. Es war eines der ersten Konzentrationslager in der Zeit des Nationalsozialismus. Dort wurde er schwer misshandelt. Er verlor seine Zähne und erblindete auf einem Auge, weshalb er eine Blindenbinde trug. Nach Kriegsende engagierte er sich in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN).
Sein einziger Sohn Ludwig kam mit 13 Jahren zur Pflege ins Stadtkrankenhaus Dresden-Löbtau, wo er etwa ein Jahr blieb. Dort erhielt er auch Unterricht nach den Maßstäben der Reformpädagogik, die damals ihren Höhepunkt hatte. Im 1. Weltkrieg wurde Ludwig in die Landesanstalt Arnsdorf überführt, wo er die nächsten 26 Jahre verbrachte. Als fröhlicher Mensch wurde Ludwig in seinem Umfeld geschätzt, der zu Humor und Scherzen aufgelegt war oder manchmal auch das Pflegepersonal neckte. Ludwig wurde gern zu Arbeiten im Garten eingesetzt und er liebte es, Kartoffeln zu schälen. Manchmal – wenn er über das Ziel hinausschoss – bekam er auch Stubenarrest. Regelmäßig besuchte er seine Familie in Dresden und jedes Jahr fuhr er gemeinsam mit seinen Eltern in den Urlaub.
Aufgrund der diskriminierenden und unpräzisen Diagnose des „angeborenen Schwachsinns“ wurde Ludwig Schweizer am 29. Oktober 1935 zwangssterilisiert. Am 26. Mai 1941 wurde er auf Anordnung des Reichsverteidigungskommissars nach Pirna-Sonnenstein gebracht und dort im Zuge der „Aktion T4“ ermordet.
Luise Martha Schweizer starb ein Jahr, nachdem sie ihren Sohn Ludwig verloren hatte. 2020 veranlasste die Ureinkelin die Verlegung der Stolpersteine.
SPD-Ortsverein übernimmt Patenschaft
Die Patenschaft für den Stolperstein, der an den ehemaligen SPD-Stadtverordneten Georg Friedrich Schweizer erinnert, hatte der SPD-Ortsverein Pieschen übernommen. Vorsitzender Stefan Engel, selbst Mitglied im Stolperstein e.V., findet es gut, dass die Biografien dieser Dresdner Bürger öffentlich gewürdigt werden. Die neuen Stolpersteine werden sicher am 9. November bei der Aktion „Stolpersteine putzen“ mit einbezogen, meinte er. Der Ortsverein hatte mit einer Spendensammlung die Herstellungskosten für den Stolperstein in Höhe von 120 Euro übernommen.
Die hier verwendeten Informationen stammen aus dem Archiv der Jüdischen Gemeinde Dresden, dem Bundesarchiv, dem Archiv der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein, aus dem Dresdner Stadtarchiv sowie von den Familienangehörigen.
Insgesamt werden heute und morgen 33 neue Stolpersteine an 18 Orten in Dresden verlegt. Eine öffentliche Feierstunde aus diesem Anlass ist für den 22. Juli, 19 Uhr, im Klemperer-Saal in der SLUB Dresden, Zellescher Weg 18, geplant. „Stolpersteine sind kleine Gedenktafeln, die an Opfer des NS-Regimes erinnern. In Dresden wird damit aktuell über 250 Menschen gedacht, die diskriminiert, verfolgt, deportiert, ermordet oder in den Suizid getrieben wurden“, erklärte Ronny Geißler vom Orga-Team des Vereins Stolpersteine für Dresden. Die meisten würden an Personen erinnern, die als Juden klassifiziert wurden; daneben gibt es auch Steine für Oppositionelle, Wehrdienstverweigerer, Widerständler, aber auch Menschen, die in die Mühlen der Euthanasie gerieten.
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