Eingeweiht: Flaggeninstallation von Saeed Foroghi und Graffiti-Kunst im Geh8

Acht Flaggen wehen an den Masten. Alle sieben Minuten bewegt sich eine von ihnen nach unten oder nach oben. Per Zufall steuert eine Software die kleinen Motoren an den Masten, mit denen die Fahnen bewegt werden. Eine große digitale Anzeige dokumentiert, wie viele Flaggen gerade oben sind – G5, G6 oder G7? Die historischen und aktuellen Parallelen sind gewollt, ebenso wie der Bezug zu Geh8. Gemeinsam mit den gestalteten Betonblöcken zwischen den Fahnenmasten gehört die Installation zum Projekt Kunst am Bau des Vereins „Geh8 Kunstraum und Ateliers“, das am vergangenen Sonnabend feierlich eingeweiht wurde.

Geh8-Vereinschef Paul Elsner hatte Saeed Foroghi eingeladen, eine Arbeit für Fassade und Außenraum des Geh8-Gebäudes zu konzipieren. Foto: W. Schenk

Die Flaggeninstallation stammt von Saeed Foroghi, die Graffitis sind in einem Workshop mit Kindern und Jugendlichen in den vergangenen drei Wochen entstanden. Saeed Foroghi wurde im Iran geboren und hat an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden studiert. In seiner Rede erinnerte er am Sonnabend daran, dass es nun 16 Jahre her sei, dass er nach drei vergeblichen Anläufen endlich ein Visum bekam und zur Aufnahmeprüfung an die HfBK fahren durfte. Inzwischen ist er eingebürgert und lebt in Berlin. Der Kunstbeirat des Deutschen Bundestages hat gerade entschieden, eines seiner Kunstwerke anzukaufen. In einer kurzen Rede hat er zur Eröffnung seine künstlerische Intension erläutert.

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He/Ro in Tante Ju am 9. Januar


Saeed Foroghi über seine Flaggeninstallation:

„Vielleicht hat sich die Idee von Nationalität, Nationalstaaten und Grenzen gleichzeitig hinter den verschlossenen Türen der deutschen Botschaft in Teheran in meinem Kopf gebildet… Flaggen können, abgesehen von ihrer Bedeutung, die durch die Kombination visueller Momente wie Farben und Formen erzeugt wird, je nach Ort und Art der Verwendung auch Träger metaphorischen und symbolischen Inhalts sein. In jeder Flagge, die in einer feierlichen Zeremonie gehisst wird, manifestiert sich auch ein Zeichen von Macht, Zugehörigkeit und Identität…

Meine Arbeiten mit Flaggen sind seit 2011 eine Art Anstrengung, diese Symbole zu dekontaminieren. Meine künstlerischen Werke kreisen um die Frage nach Zugehörigkeit und Verlust, nach einer Verortung der eigenen Identität in Grenzgebieten verschiedener Staaten ebenso wie zwischen tradierten Geschlechterrollen…

Das häufig in meinen Arbeiten anzutreffende Prinzip der Inversion stellt einen Transfer dieser Suche in die künstlerische Methode dar… Die Farbigkeit der für die künstlerische Installation hergestellten Flaggen der G8-Staaten ist jedoch invertiert, so dass sie den Besucherinnen und Besuchern erst durch die abermalige Invertierung, zum Beispiel mittels einer Bildbearbeitungs-App auf dem Smartphone oder durch eigenes ‚Umdenken im Sehen‘, in ihrer ursprünglichen Erscheinungsform sichtbar werden. Erst wenn sich die komplette Umgebung im ‚Negativ‘ sehen lässt, erhalten die Flaggen ihre ‚richtigen‘ Farben und werden sich als ’negatives‘ Symbol von Nationalität und Identität wie eine fragwürdige Wind-Skulptur im Wind bewegen.“

Wer sich mit inversiven Farben beschäftigen möchte, kann so die einzelnen Flaggen identifizieren. Zum Beispiel: Schwarz verwandelt sich in Weiß, Rot in Türkis und Gelb in Blau.

Geh8-Vereinsvorsitzender Paul Elsner erinnerte an die lange Geschichte des Kunst-am-Bau-Projektes. Viele Fördertöpfe mussten erschlossen und Spenden gesammelt werden, um das Projekt zu verwirklichen. Am Ende sorgte die Stiftung Kunst und Musik für Dresden mit der Förderung der Motoren dafür, dass die Installation vollendet werden konnte. Der Stadtbezirksbeirat Pieschen hatte Anfang 2020 eine Förderung des Kunstprojektes abgelehnt, später aber knapp 20.000 Euro für die Neugestaltung des Eingangsbereiches – den Bau der Wege, den Metallbau und einen Multifunktionssandkasten bewilligt. Der abdeckbare Sandkasten soll künftig auch als kleine Außenbühne oder Sitzgelegenheit nutzbar sein.

Workshop-Leiter Enrico Sutter grundiert mit Salma die Fläche für ihr Graffiti. Foto: W. Schenk

Die Mauerelemente zwischen den Fahnenmasten zeigen jetzt Graffiti-Kunst von Kindern und Jugendlichen. In drei Workshops hatten Enrico Sutter vom Verein Spike und André Tempel, der das OurSpace-Projekt im Geh8 leitet, gemeinsam mit den Kindern Entwürfe diskutiert, Skizzen gezeichnet und Fertigkeiten im Umgang mit den Sprühdosen vermittelt. Die zehnjährige Salma hat sich für eine Erde mit einem Fieberthermometer im Mund entschieden. Auf die „Wie geht’s“-Frage eines anderen Planeten antwortet die Erde: „Ich habe die Menschheit.“ Zur Einweihung am Sonnabend hatte Salma ihre sichtlich stolze Mutter mitgebracht. In der Ausstellungshalle zeigte ein Video die Entstehung der Graffiti-Kunstwerke. Die ehemalige Wagenreparaturwerkstatt der Bahn stellte dann noch ihre besondere Akustik unter Beweis. Saeed Foroghi hatte das Gesangs-Performance-Ensemble „Treta Mominka“ eingeladen. Die drei der sonst vier Sängerinnen ernteten viel Applaus für ihre a-capella gesungenen Lieder aus Osteuropa.

André Tempel, der die Arbeit der Graffiti-Gruppe vorgestellt hatte, sprach vielen Gästen aus dem Herzen, als er sagte, „ich liebe diesen Ort und die Ideen des Vereins, ich bin ein Geh8-Fan“. Es sei unglaublich, wie sich das Areal in den letzten Jahren gewandelt habe und der Verein in den Stadtteil wirke.

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