Es gibt Bilder aus dem vergangenen Jahr, die Barbara Fleck nicht vergessen wird. Zum Beispiel ergraute Ehepaare, die durch eine Plexiglasscheibe miteinander sprechen. Ein Leben lang Seite an Seite und plötzlich wegen der Pandemie auf Abstand geschickt. Berührung verboten. Tränen der Ohnmacht. Trotz des Schmerzes, der in solchen Szenen liegt, ließen sich Besuche von Angehörigen in Altenpflegeheimen lange nicht anders realisieren. Wie überall in Deutschland ging mit Corona auch in der DRK-Einrichtung in der Robert-Matzke-Straße, Ecke Rehefelder Straße der strikte Schutz des Lebens vor Umarmung, Hand halten, Wange streicheln.
Heute hat sich die Lage etwas entspannt. Oder besser gesagt, verändert. Heimleiterin Barbara Fleck lebt mit ihren Mitarbeitern inzwischen eine neue Normalität. Ein Großteil der rund 70 zu betreuenden Seniorinnen und Senioren erhält in dieser Woche bereits die zweite Corona-Schutzimpfung. Schnelltests schaffen zudem mehr Sicherheit, dass die Infektion nicht durch Besucher oder Personal unwissend und ungehindert ins Haus getragen wird. Doch gerade die täglichen Abstriche fordern das 60-köpfige Team. Und sie rauben die Zeit für die eigentliche Arbeit. Deshalb werden derzeit dringend Ehrenamtler zur Unterstützung gesucht.
Jede freiwillige Stunde hilft, das Personal zu entlasten
„Die Schnelltests sind aufwendig. Sie werden von unseren Pflegekräften teilweise in der Freizeit durchgeführt“, erzählt Fleck. In den Wohnbereichen sei der Personalschlüssel knapp. Die Pflege ist wegen gestiegener Demenz ohnehin zeitintensiver als früher, sodass einfach keine andere Möglichkeit bleibt, als Extrastunden dranzuhängen. „Um wirklich eine Entlastung zu erreichen, bräuchten wir bestimmt zehn Freiwillige“, schätzt Fleck. Sie spricht mit Nachdruck, muss Antworten nicht lange abwägen. Die Energie ihrer Sätze wird nur durch die FFP2-Maske gedämpft.
„Helfen würde schon ein Einsatz von einer oder zwei Stunden in der Woche. Denn getestet wird immer vormittags, mittags und nachmittags in festgelegten Zeitfenstern“, erklärt sie. Medizinisches Vorwissen wäre von Vorteil, sei aber kein Muss. Auch Laien könnten sich die Kenntnisse aneignen. „Jeder, der helfen will, kann über das Deutsche Rote Kreuz eine Ausbildung machen, um die Abstriche aus Nase und Rachen korrekt vorzunehmen.“ Die Schulung dauere etwa einen Tag.
Täglich werden ungefähr 15 Schnelltests in der Robert-Matzke-Straße gemacht. Nur einen einzigen positiven Fall gab es unter den bisher fast eintausend Abstrichen. „Dass es uns bis jetzt gelungen ist, Corona aus dem Haus fernzuhalten, ist ein großes Glück. Man darf nicht vergessen, dass die Mitarbeiter Angst haben, die Infektion mitzubringen.“ Fleck nennt es eine große seelische Belastung, im Zweifel dafür verantwortlich zu sein, dass ein Bewohner im Krankenhaus leidet, keine Luft mehr bekommt und man nicht helfen kann. Deshalb isolierten sich viele ihrer Mitarbeiter zu Hause, was wiederum zu schweren, einsamen Stunden auf Personalseite führe. „Gerade den jungen Kollegen geht das an die Substanz. Da hilft nur reden. Ein offenes Ohr füreinander haben.“
Ein Dankeschön an die Pieschener Nachbarn
Unter anderem mit strengen Kontaktregelungen und dem konsequenten Einhalten der Hygienevorschriften ist es Fleck bisher gelungen, Bewohner wie Mitarbeiter vor Corona zu schützen. „Zudem haben wir sehr mitfühlende Angehörige, die die Regeln akzeptiert haben, auch wenn es sicher nicht immer leicht war.“ All das habe zum Erfolg beigetragen. Inzwischen können Familien ihre Mütter, Väter oder Großeltern einmal in der Woche im Pflegeheim besuchen. Nicht nur das hat sich gegenüber März 2020 geändert. Auch Körperkontakt gehört wieder mehr zum Alltag. „Dass sich Partner Zuwendung schenken, muss möglich sein. Auch wir legen einmal die Hand auf die Schulter. Gerade Demenzpatienten brauchen diese Nähe. Wir wollen menschlich bleiben. Das war immer unser Selbstverständnis“, sagt die Heimleiterin.
Die Menschlichkeit trotz Pandemiebedingungen nicht verlieren – das soll auch in Zukunft die Pflege anleiten. Denn auch wenn viele Bewohner geimpft sind, den Tagesablauf ändere das zunächst nicht. „Anstecken kann man sich immer noch, nur der Krankheitsverlauf ist mit der Impfung abgemildert. Deshalb werden uns auch die Schnelltests auf unbestimmte Zeit begleiten, um eine Infektion weiter auszuschließen.“ Die Unterstützung durch Ehrenamtler sei daher auf lange Sicht nötig.
Ob sie der Krise irgendetwas Positives abgewinnen könne? Wieder zögert Barbara Fleck nicht und entgegnet überraschend schnell: „Ja, der Zusammenhalt im Viertel rührt mich.“ Sie fühle sich an die Solidarität während des Hochwassers 2002 erinnert. Kinder hätten immer wieder Postkarten für die Senioren geschrieben, Weihnachtsgestecke wurden an der Pforte abgegeben. „In den Fenstern hingen Plakate, auf denen stand ‚Danke für euren Einsatz‘. Für diese Wertschätzung möchte ich mich herzlich bei Anwohnern und Nachbarn bedanken.“ Und das gelte auch für jede ehrenamtliche Hilfe.
Wer das DRK-Altenpflegeheim in Pieschen unterstützen möchte, kann sich an der Rezeption unter der Telefonnummer 0351/86280 melden. Weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten gibt es zudem online.
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