Brendler’s Geschichten: Einmal Schloss Hermsdorf und zurück

Zu den Regeln, die seit dem 14. Dezember 2020 zwecks Eindämmung der Corona-Pandemie im Freistaat Sachsen gelten, gehört unter anderem auch, dass sich nur noch in einem Umkreis von fünfzehn Kilometern vom eigenen Wohnort „bewegt“ werden darf. Dem Rechnung tragend, ist also gegen eine Wanderung von der DVB-Gleisschleife Weixdorf bis zum Hermsdorfer Schloss nichts einzuwenden.

Was die Länge und Begehbarkeit dieser Strecke betrifft, so ist es eher ein ausgedehnter Spaziergang, der zunächst zum ehemaligen „Chausseehaus“, von dort zur Lausaer Kirche und weiter zum Schloss Hermsdorf führt. Zum Verständnis: Weixdorf wurde am 1. Januar 1999 nach Dresden eingemeindet und besteht seitdem aus den Ortsteilen Weixdorf, Lausa, Friedersdorf, Gomlitz sowie Marsdorf.

Das eingeschossige ehemalige Lausaer „Chausseehaus“ (Königsbrücker Landstraße Nr. 338) ist orts- und verkehrsgeschichtlich bedeutsam. Foto: K. Brendler

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He/Ro in Tante Ju am 9. Januar


Seit 1703 erhob die Stadt Dresden für die Einfuhr von Waren eine Steuer. Die eigens dafür errichteten Häuser befanden sich meist an Straßen, die ins Weichbild der Stadt führten. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde dann die Entrichtung sogenannter Chausseegelder eingeführt. Weil aber der Eisenbahnverkehr ab 1840 beträchtliche Einbußen bei den Einnahmen zur Folge hatte, wurden am 31. Dezember 1885 morgens neun Uhr die Einnahmestellen in ganz Sachsen geschlossen.

Das Erb-, Brau- und Schankgut und die Kirche nebst Kirchhof finden sich an der Königsbrücker Landstraße im Ortsteil Lausa. Foto: K. Brendler

Das denkmalgeschützte, bereits 1387 als „Hof zu Lusen“ erwähnte “Erb-, Brau- und Schankgut“ an der Königsbrücker Landstraße, Anfang der 1950er Jahre zum Kulturhaus umgebaut, ist seit 2004 Gaststätte sowie Sitz mehrerer Vereine. Die Lausaer Kirche, sie entstand wahrscheinlich im 12. Jahrhundert, wurde 1429 zerstört, bald danach wieder auf- und ab 1607 völlig umgebaut. Sie trägt den Namen des legendären Pastors David Samuel Roller, nach dem seit 1935 im Weixdorfer Ortsteil Lausa auch eine Straße benannt ist. (Weitere Informationen dazu gibt es in „Rittergüter und Schlösser im Königreich Sachsen, Band 2)

Pastor Rollers Grab und sein Porträt (in Rollers „Leben und Wirken, dargestellt von Magnus Adolph Blüher…“), erschienen bei Justus Naumann Dresden, 1852. Archiv K. Brendler

„Mit Einführung der Reformation im albertinischen Teil Sachsens (1539) bekam auch der kleine Landflecken Lausa evangelische Pastoren. „… Einer hebt sich aber von den anderen deutlich ab. Es handelt sich um den am 25. Dezember 1779 in Heynitz bei Meißen geborenen David Samuel Roller, der von 1811 bis 1850 in der kleinen Kirchgemeinde Lausa segensreich wirkte.“ („David Samuel Roller – der volkstümliche Pastor in Lausa“, Siegfried Bannack, Klotzsche, 2008). Pastor Roller, dem „volksnahe Predigten, Seelsorge und Unterricht besonders am Herzen lagen“ (Sächs. Biographie), verstarb am 26. August 1850 in Lausa. Auf dem dortigen Kirchhof wurde er auch bestattet.

Das Bildnis des Schriftstellers und Hofmalers Wilhelm von Kügelgen schuf 1836 der Dresdner Maler und Zeichner Ludwig Richter (1803-1884). Foto: Archiv K. Brendler

Wilhelm von Kügelgen, am 20. November 1802 in Sankt Petersburg geboren, verlebte seine frühe Kindheit in Dresden. Als Vierzehnjähriger wurde er in Vorbereitung auf seine Konfirmation Pastor Roller „übergeben“. Genannter Pastor war es auch, der ihn konfirmierte. Das bedeutendste schriftstellerische Werk des am 25.Mai 1867 in Ballenstedt (Landkreis Harz, Sachsen-Anhalt) verstorbenen Wilhelm von Kügelgen sind die 1870 postum veröffentlichten „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“. Darin schreibt er: „Vor uns stand Roller. Er sah aus wie ein Felsen vom ersten Schöpfungstage. Die feste Gestalt, das edle Gesicht, die ruhige Haltung, die objektive Rede, […] das alles hatte etwas Apostolisches. Sein dunkles Auge lag auf uns mit dem Ausdruck der sorgenden Liebe. Ich kniete nieder und bekam mit Rollers Hand den Segen der Kirche.“

Die als Feldweg vom Weixdorfer Ortsteil Lausa nach Hermsdorf führende Hermsdorfer Allee ist für den öffentlichen Verkehr nicht zugelassen. Foto: K. Brendler

Einen halben Kilometer vom Lausaer Kirchhof entfernt, befindet sich der im Jahre 1830 eingeweihte Friedhof von Weixdorf. Der Weg von dort nach Hermsdorf trug seit 1903 den Namen Hermsdorfer Straße. „Ausgebaut […] nur in Weixdorf […], geht sie in einen unbefestigten Feldweg über, der am Schafberg vorbei bis nach Hermsdorf führt. Nach der Eingemeindung von Weixdorf erfolgte 1999 die Umbenennung in Hermsdorfer Allee.“ (Dresdner Stadtteile / Lars Herrmann). Von ihr, der Hermsdorfer Allee, führt ein mit Kastanien bestandener Gehweg direkt zum Schloss.

Das im 16. Jahrhundert erbaute Hermsdorfer Schloss gehört heute der Gemeinde Ottendorf-Okrilla. Foto: K. Brendler

Auf dem Rittergut des erstmals 1350 als Hermansdorf erwähnten Hermsdorf errichtete Christoph von Carlowitz (1507-1578) in den Jahren 1553 bis 1575 das Schloss im Stile der Renaissance.

Im Sommer 1729 bis auf das Erdgeschoss ausgebrannt, wurde es anschließend durch Graf Adam Friedrich von Flemming (1687-1744) im Barockstil wieder hergestellt. In der Folgezeit wechselte Schloss Hermsdorf mehrmals seine Besitzer. Als letzter Vertreter des Adels hatte es 1865 Prinz Georg von Schönburg-Waldenburg (1828-1900) erworben. Ab 1943 zum Teil Lebensmittellager der Wehrmacht, wurde Schloss Hermsdorf bis 1998 als Altenpflegeheim genutzt. Heute dient es als Ort für Veranstaltungen unterschiedlicher Art. In der Liste sächsischer Kulturdenkmale (2017) sind unter der Objektnummer 09303696 Rittergut und Schloss Hermsdorf sowie der Schlossgarten als Sachgesamtheit aufgeführt.

Anmerkung:

Als Rückweg bietet sich vom Haltepunkt Hermsdorf eine Fahrt mit der im Stundentakt verkehrenden Regionalbahn „Dresden-Königsbrück“ an. Ihren Ursprung hat die seit 1897 normalspurige Bahnstrecke in der 1884 eingeweihten Schmalspurbahn von Klotzsche nach Königsbrück.

Brendler’s Geschichten ist eine Serie, in der Klaus Brendler für das Onlinejournal Pieschen Aktuell in loser Folge an Orte, Ereignisse und Personen im Ortsamtsbereich Pieschen erinnert. Der Stadtteilhistoriker und Autor ist Vorsitzender des Vereins „Dresdner Geschichtsmarkt“ und Leiter der „Geschichtswerkstatt Dresden-Nordwest“. Er lebt in Dresden-Trachau.
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