„Das sind 23 kleine fiese Lötstellen an dieser defekten Festplatte von Hitachi“, konstatierte Georg. Abschrecken ließ er sich davon nicht. Er lötete die SATA-Schnittstelle von einem baugleichen Modell ab und an der defekten 1-Terrabyte-Festplatte an. Der Besitzer wollte sie nicht wegwerfen. Zwischendurch wurde gefachsimpelt, Kaffee getrunken und ein Stück Kuchen verzehrt. Einen Tisch weiter sitzt Steffen aus Weinböhla. Er will die Kamera an seinem Samsung Galaxy S7 austauschen, hat aber zu Hause kein passendes Werkzeug. Darum machte auch er sich auf den Weg ins Repaircafé in Pieschen. Jeden dritten Donnerstag im Monat gibt es diese ungewöhnliche Reparaturwerkstatt, in der es in erster Linie um Hilfe zur Selbsthilfe geht, mit Kaffee und Kuchen im Stadtteilzentrum Emmers in der Bürgerstraße.
Zum Februartermin brachten die Besucher außer der Festplatte und dem Smartphone noch einen Plattenspieler, einen Kaffeeautomaten, eine Schreibtischlampe, einen Samsung-TV, einen Drucker, einen Smoothie-Maker und einen Bluetooth-Lautsprecher mit. Bei letzterem kam jede Hilfe zu spät – Totalschaden. Sonst verlief der Abend erfolgreich. Johannes zog später in seinem Repaircafé-Protokoll Bilanz und konstatierte: 12,3 Kilogramm Schrott vermieden. Gewissenhaft werden so die Reparatur-Abende an den sechs Standorten des Repaircafés – in Freital und fünf mal in Dresden – festgehalten.
„Wir sind derzeit ein Team von 15 Aktiven“, sagt Erik Schanze, der sich um den Telefondienst und den Mailverkehr der Bürgerinitative kümmert. 2012 haben drei Studenten das Repaircafé gegründet. Inzwischen, so Schanze, sei es im Vergleich zu den eher mechanischen Aufträgen aus der Anfangszeit deutlich anspruchsvoller geworden. Meist gehe es jetzt um elektrische oder elektronische Geräte. Die Freiwilligen im Team seien zwischen Mitte 20 und bereits im Rentenalter. Anfang 2018 startete das Repaircafé auch in Pieschen. Im Stadtteilzentrum Emmers habe man einen passenden Raum gefunden. Weil die Beleuchtung eher etwas schummrig sei, bringe man eigene Lampen mit, meinte Schanze. Für den Standort in Pieschen würde sich Team über aktive Verstärkung freuen. „Wir sind zwar fast alle aus Dresden, aber wenn man vor Ort wohnt, ist vieles einfacher zu organisieren.“
Michael ist Ingenieur für Eletrotechnik, inzwischen Rentner und seit 2015 dabei. Er schätzt die Erfolgsquote bei den Reparaturen auf 60 bis 65 Prozent. Auch wenn Großgeräte wie Elektroherde, Waschmaschinen oder Geschirrspüler nicht repariert würden, erinnerte er sich an einen Besucher, der mit seinem Betonmischer kam. „Er hatte das nötige Werkzeug und sogar Beleuchtung mit. Da haben wir den Mischer im Freien untersucht, den Fehler gefunden und konnten ihn reparieren“, erzählt er.
Jule Demel ist mit ihrer neun Jahre alten Kaffee-Pad-Maschine gekommen. Die Pad-Schublade ging nicht mehr zu öffnen, auch die Milchschaumproduktion verweigerte die Maschine. „Es macht mir Spaß, da mal selbst hineinzuschauen. Eigentlich habe ich gar kein technisches Talent“, sagt sie. Sie war schon mit ihrer defekten Fahrradlampe im Repaircafé. Geduldig nahm sie die Kaffeemaschine auseinander, ab und zu half einer aus dem Reparaturteam. Die Schublade konnte repariert werden.
Erfolgreich hat Johannes den 25 Jahre alten Plattenspieler von Elke Hanisch wieder zum Laufen gebracht. Zwischendurch holt er sich Rat bei einem anderen Teammitglied. Manchmal sind auch vier Hände nötig. Oder ein spezielles Werkzeug. „Wo ist denn…?“, hört man dann einen Ruf. Und prompt ertönt die Antwort. „Ganz unten auf dem Boden in der Kiste da links“.
Meine 93-jährige Mutter hört so gern ihre alten Schallplatten mit Musik aus Opern, Operetten oder aus Jazz“, sagt Elke Hanisch. Sie habe vorher angerufen und nachgefragt, ob eine Reparatur noch sinnvoll sei. Sie hatte bereits selbst einen neuen Antriebsriemen besorgt und ausgetauscht. Das habe aber nicht geholfen. Am Ende waren es viele Schritte, die im Repaircafé zum Erfolg führten. Die gesamte Mechanik wurde gereinigt, der Motor ausgebaut und kontrolliert. Die Automatik am Tonarm funktioniert auch wieder. Nur ein bisschen anschieben muss man den Plattenteller noch. Aber der „Technics SL-BD3“ spielt wieder Musik. Meine Mutter wird sich freuen, meinte Elke Hanisch.
Von 18 bis 21 Uhr ist das Team vom Repaircafé donnerstags im Emmers. Anke kam gegen 19 Uhr und hatte ihre LED-Schreibtischlampe mitgebracht. „Ich habe extra etwas mehr Geld investiert und bei einem Onlineshop, der mit seiner Nachhaltigkeit wirbt, eingekauft“, ist sie etwas verärgert. Jakob, gelernter Servicetechniker, untersucht die vier Jahre alte Lampe. Ergebnis: „Einige Bauteile auf der Netzplatine konnten als schadhaft identifiziert werden – diese werden neu besorgt und später verbaut.“ Das könnte dann am 18. März der Fall sein, wenn das Team vom Repaircafé erneut ins Emmers kommt.
Ohne unsere Partner, die uns die Räume mietfrei zur Verfügung stellen, könnten wir unser Repaircafé mit der Hilfe zur Selbsthilfe nicht anbieten, betont Erik Schanze. Das Werkzeug, der Kaffee und der Kuchen werden aus den Spenden der Besucher finanziert. Feste Preise gebe es nicht. Jeder gibt, was er für angemessen hält.
WAS: Repaircafé – reparieren, tüfteln, Kaffee trinken
WANN: 19. März, 18 bis 21 Uhr (jeden dritten Donnerstag im Monat)
WO: Stadtteilzentrum Emmers, Bürgerstr. 68
4 Kommentare zu “Repaircafé in Pieschen: Spaß am Reparieren und Schrott vermeiden”
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Tolle Initiative, herzlichen Dank den engagierten Bastlern!
Ihr seid Helden!
Schön das es noch Menschen gibt, die sich nicht mit der „Wegwerfgesellschaft“ identifizieren wollen!!
Super! Eine tolle Initiative.