„Es gibt immer noch Kunden, die sich mit bloßen Händen die Backwaren greifen.“ Christina Zschabran ist entsetzt über so viel Ignoranz, Leichtsinn und Rücksichtslosigkeit. Sie kann auch nicht verstehen, warum der Einkauf in ihrem Edeka-Markt an der Großenhainer Straße jetzt zum Event für die ganze Familie gemacht wird. „Da kommen so manche zu viert oder fünft“, schüttelt sie den Kopf. Durch dieses Verhalten würden nicht nur die Kunden gefährdet, die den Ernst der Lage längst erkannt haben, sondern auch ihre eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Markt.
Heute sollen große Fußabdruck-Aufkleber geliefert werden. Damit werde der notwendige Abstand zwischen den Kunden an der Kasse sichtbar gemacht. Trotz der Anspannung sei die Stimmung in ihrem Team gut, sagt sie. „Wir haben das große Glück, dass sich noch niemand krank gemeldet hat“. Das sei wichtig bei der vielen Arbeit. „In der Nacht von Sonntag auf Montag haben wir zu fünft eine Sonderschicht eingelegt, um Regale einzuräumen“, erzählt sie. Länger bleiben, früher kommen – alle würden mitziehen, sagt sie und ist dankbar dafür.
Die Logistik werde immer schwieriger, weil die Nachfrage so drastisch gestiegen sei. „Wir haben zwei Tage Verzug und bekommen am Freitag die Waren, die schon am Mittwoch da sein sollten“, beschreibt sie die Lage. Lieferfahrzeuge stünden an den Grenzen, die meist polnischen Fahrer seien plötzlich nicht mehr verfügbar. Nicht nur bei Toilettenpapier und Teigwaren, sondern auch bei Reis, Zucker, Mehl, Konserven oder Müsli müssten die Regale unverhältnismäßig oft nachgefüllt werden. Das gelte auch für die Tiefkühltruhen, wo Pizza, Fisch, Gemüse und Fertiggerichte in Mengen weggingen. Nur bei Süßigkeiten halte sich die Nachfrage trotz der vielen Osterware in Grenzen.
Die Folgen der Corona-Krise bekommt Christina Zschabran noch auf ganz andere Weise mit. „Ich habe bereits jetzt mehrere Bewerbungen von Männern und Frauen, die in der Gastronomie auf Kurzarbeit gesetzt wurden“, sagt sie.
Im Unverpacktladen „Quäntchen“ in der Oschatzer Straße füllen die Kunden viele Produkte selbst in die mitgebrachten Gefäße. „Die Abfüllbestecke werden regelmäßig ausgetauscht und gereinigt“, sagt Inhaber Sven Wruck. Kunden könnten sich vor und nach dem Einkauf die Hände auf dem WC waschen. Hamsterkäufe gibt es nicht, selbst Toilettenpapier steht im Regal. Noch gebe es keine richtigen Lieferengpässe, aber es dauere schon länger, bis die Waren da sind. „Derzeit konzentrieren wir uns im Geschäft auf den Verkauf“, betont Sven Wruck. Die Café- und Spielecke sei geschlossen. Die Kaffeemaschine steht still, auch Café-to-go gibt es nicht. „Wir wollen keinen Anlass für Gruppenbildung liefern, weder im Geschäft noch vor der Tür“, erklärt er.
Vor der Konditorei und Café Maaß am der Ecke Oschatzer Straße / Konkordienstraße warten zwei Kunden. Ein weiterer wird drinnen bedient. Mit Grafiken an der Eingangstür hat Inhaberin Silke Zimny darüber informiert, wie sie sich gegenseitige Rücksichtnahme in Corona-Zeiten vorstellt. Es scheint zu funktionieren. Im Café Gemüsetorte auf der anderen Straßenseite überlegt Änne Stange, ob und wie sie ihren Betrieb aufrecht erhält, wenn es wirklich zu einer Ausgangssperre kommt. Schon jetzt hat sie ihre Öffnungszeit an die neue Situation angepasst und auf die Mittagszeit zwischen 11 und 15 Uhr beschränkt.
„Ob ich dann noch koche und Mittagessen zum Mitnehmen anbiete, hängt von der Nachfrage ab“, sagt sie. Da müsse sie übers Wochenende nochmal nachdenken. Die von der Stadt Dresden angekündigte Soforthilfe finde sie gut. Die Kreditangebote dagegen sind für sie „eine halbherzige Maßnahme“. Schon während der Fernwärme-Bauarbeiten seien die Umsätze zurückgegangen. Jetzt noch die Corona-Krise. „Ich bin weder für das eine noch für das andere verantwortlich. Warum soll ich mich da jetzt verschulden“, fragt sie. In der Gastronomie gebe es keinen Nachholeffekt. Die Einnahmeverluste können nicht ausgeglichen werden.
Darum hat Holm Weichold seine Baguetterie in der Bürgerstraße seit heute geschlossen. „Ein kleiner kuscheliger Laden zu sein, war immer ein großer Pluspunkt. In der aktuellen Ausnahmesituation sind wir nicht der richtige Platz. Leider“, bittet er seine Gäste um Verständnis.
Das Asia Gourmet bei LH am Hubertusplatz hat seine Öffnungszeiten den veränderten Bedingungen angepasst. Abends ist um 18 Uhr Schluss, dafür ist ab 11 Uhr jetzt durchgehend geöffnet. Bestellungen würden ausgeliefert, auch nach 18 Uhr, erklärte Inhaberin Nguyen Thi Le Hang.
3 Kommentare zu “Einzelhändlerin Christina Zschabran: Zu viele sind noch rücksichtslos”
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Ich sag ja, ich habe das Gefühl, mit Tieren zusammen zu leben. Derzeit lebe ich in Delmenhorst, lebe aber so, als hätte auch ich schon eine Ausgangssperre.
Dadurch, dass die Leute hamstern, tritt eben das ein, wovor die Leute Angst haben, nämlich Lieferengpässe. Sie sorgen also selber für diesen Zustand.
Mein vierjähriger Sohn bekommt das schon weitaus besser hin, er nimmt sich die Backwaren NUR mit der Papiertüte heraus.
Ganz egal ob spanische Gurke oder Tiroler Apfel oder Italienische Nudeln … bis diese Waren bei uns im Regal stehen, wurden sie bereits von so vielen Menschen angefasst, dass es auf das Anfassen und Zurücklegen eines Produktes im Supermarkt auch nicht mehr ankommt.
Die allgemeine, über Jahrzehnte gewachsene (und fast immer richtige) Vorstellung, dass unsere Lebensmittel sicher sind, funtkioniert in dieser Ausnahmesituation einfach nicht. Wenn es wirklich ernst werden sollte (was es noch nicht ist), helfen nur streng hygienisch kontrollierte eindimensionale Lieferketten ohne Kundenkontakt.
Je eher wir uns mit dieser Vorstellung anfreunden, desto einfacher werden wir uns auf diese neue Art der gesicherten Grundversorgung einstellen können. Gott sein Dank geht es uns gerade so gut, dass wir dazu mit etwas gutem Willen in der Lage wären.
Der Einzelhandel ist kein Ponyhof. Ich bedanke mich bei allen Mitarbeitenden, die sich in dieser Situation so viel Mühe geben, uns weiterhin auf so hohem Niveau mit allem Notwendigen zu versorgen und wünsche ihnen alles erdenklich Gute, vor allem Gesundheit.
„bis diese Waren bei uns im Regal stehen, wurden sie bereits von so vielen Menschen angefasst, dass es auf das Anfassen und Zurücklegen eines Produktes im Supermarkt auch nicht mehr ankommt.“
Ist halt falsch.
Die Viren halten sich auch unter perfekten Bedingungen (glatte Oberfläche, keine Sonneneinstrahlung, kühl) nur maximal 1-2 Tage auf Dingen, danach gehen sie von allein‘ kaputt.
Es mag schon sein dass in Italien vor einer Woche jemand deine Nudeltüte angefasst hat und diverse Bakterien oder anderes mögen da auch noch drauf sein, die du nicht unbedingt einfangen willst – aber Corona wirst du dir nicht so leicht aus Italien importieren.
Von der Person die 5min vor dir durch den Laden lief hingegen…