Loreen sitzt am Tisch im Büro der Mutter-Kind-Wohngruppe in Pieschen und erzählt scheinbar ruhig ihre Geschichte: vom 14-jährigen Crystal-Konsum und ihren drei Kindern (heute 12, 8 und 6 Jahre), die sie freiwillig in Pflege gab. Das war zu dem Zeitpunkt, als sie merkte, dass sie zunächst ihr eigenes Leben in den Griff bekommen muss. Erst dann könnte sie auch ihren Kindern eine Zukunft bieten.
Von 2014 bis 2015 machte sie eine Langzeittherapie, um ihre Sucht zu besiegen und um ihre Kinder zurückzubekommen. „Damals meine Kinder wegzugeben, war für mich sehr schlimm.“ Noch heute merkt man ihr an, wie schwer ihr diese Entscheidung gefallen ist. Rückschläge sorgten jedoch dafür, dass die Trennung länger dauert. Das Jugendamt sah in ihrer Lebenslage keine Möglichkeit, die Kinder wieder ihrer Mutter zu überlassen.
Die heute 32-Jährige kämpfte weiter darum, ihr Leben zu ändern. Im Mai 2017 zog sie, erneut schwanger, mit ihrem damals anderthalbjährigen Sohn in die Mutter-Kind-Wohngruppe, die die Radebeuler Sozialprojekte gGmbH (Rasop) im Stadtteil Pieschen betreibt. Mit Unterstützung der Sozialpädagogen und Erzieher lernt sie ihr Leben zu strukturieren, erhält Tipps und Unterstützung bei der Erziehung ihrer beiden Jungs (1 und 3 Jahre), die mit ihr zusammen leben. Sie machte Fortschritte und konnte im September 2018 mit ihrem Lebenspartner in eine gemeinsame Wohnung ziehen. Diese befindet sich eine Etage über der Mutter-Kind-WG. Dort erhält sie nach wie vor Unterstützung und Beratung durch die Sozialpädagogen.
Die eigenen Kinder zurückbekommen
Zu ihren anderen drei Kindern hat sie regelmäßig Kontakt. Doch leicht ist das nicht, denn die Kinder leben allesamt nicht in Dresden. Sie selbst stammt aus Zwickau. Ihre Kinder leben in Zwickau und Crimmitschau. Ihr ältester Sohn, wohnt in einer Kinder-Wohngruppe, kommt sie einmal im Monat besuchen, in den Schulferien auch öfter. Ihre achtjährige Tochter erhält von Loreen Besuch, sooft es ihr finanziell möglich ist. Mit deren Pflegefamilie steht sie in gutem Kontakt.
Auch zu ihrer jüngsten Tochter hat sie noch Verbindung. Für sie hat sie jedoch inzwischen das Sorgerecht an die Pflegefamilie abgegeben. „Sie war damals anderthalb Jahre alt, als ich sie weggeben musste. Sie irgendwann aus der Pflegefamilie wieder rauszunehmen, wäre für mein Kind nicht gut. Für sie bin ich die „Bauch-Mama““, erzählt Loreen. Ihr größter Wunsch: „Die beiden Großen irgendwann wieder bei mir zu haben. Sie möchten das auch selbst. Da kann ich doch bei der Erziehung nicht alles falsch gemacht haben“, sagt sie. Für ihren 12-jährigen Sohn ist sie eher Freundin als Mutter, wie sie selbst beschreibt. „Ich weiß, dass das nicht alle gut finden. Aber er vertraut mir und erzählt mir vieles von sich.“
Noch sind einige Hindernisse zu meistern, ehe Loreen mit ihrer Familie wieder ein eigenständiges Leben führen kann, schätzt Betreuerin Laura ein. Loreen und ihr Partner müssen als Familie erst richtig zusammenwachsen, damit es mit der gemeinsamen Erziehung der Kinder klappt.
„Es ist sehr positiv, dass Loreen seit zwei Jahren abstinent ist und inzwischen gelernt hat, auch in für sie kritischen Situationen Probleme ohne Drogen zu lösen“, beschreibt die Sozialpädagogin die Entwicklung. Ein nächster Schritt ist es, dass Loreen Arbeit findet, einen Minijob oder einen Teilzeit-Job. Zunächst muss sie jedoch Sozialstunden ableisten. Dafür hat sie eine Stelle in Aussicht.
Mit qualifiziertem Hauptschulabschluss und ohne abgeschlossene Ausbildung ist auch die Arbeitsplatzsuche eine echte Herausforderung. Ihr Berufswunsch? „Köchin“. Als sie das sagt, strahlen ihre Augen. Das wäre ihr Ding. Damals in Zwickau hat sie sogar eine Kochlehre begonnen, aber sich von ihrem damaligen Freund zu sehr beeinflussen lassen und die Lehre abgebrochen. Das bereut sie heute. In der Lebensmittelbranche würde sie gern arbeiten, auch als Verkäuferin. Eigenes Geld verdienen für sich und ihre Kinder, das ist ihr wichtig.
Die Sozialpädagogen der Radebeuler Sozialprojekte gGmbH begleiten ihre Klienten auch bei diesen Schritten. Haben sie sich dann so weit entwickelt, dass sie in eigenen vier Wänden leben können, werden sie für eine gewisse Zeit ambulant weiter betreut. Doch bis dahin ist ein oft steiniger Weg zurückzulegen.
Eigeninitiative der Mütter gefragt
„Die Mütter bekommen vom Jugendamt unsere Telefonnummer und müssen eigenständig bei uns vorstellen“, erzählt die Sozialpädagogin. „Die Initiative muss von den Müttern ausgehen. Sie müssen etwas an ihrem Leben ändern wollen. Wenn sie sich nur melden, weil das Jugendamt das will, macht das wenig Sinn.“ In der Mutter-Kind-Wohngruppe der Rasop wohnen zurzeit vier Mütter im Alter von 18 bis 35 Jahren mit insgesamt fünf Kindern im Alter von einem bis sechs Jahren. Ein ein- bis zweijähriger Aufenthalt ist die Regel.
In dieser Zeit bekommen sie Lebensstrukturen vermittelt. Dazu zählt zum Beispiel, dass alle Mitbewohner gemeinsam zu Mittag und zu Abend essen. Ein Plan regelt, wer wann mit dem Kochen und Putzen dran ist. Wöchentliche Einzel- und Gruppengespräche sowie Kinderkonferenzen gehören ebenso dazu wie Wochenendausflüge in Familie. „Hier habe ich zum Beispiel auch gelernt, wie ich mit meinen Kindern mit wenig Geld etwas unternehmen und spielen kann. Früher habe ich viel zu viele Spielsachen gekauft“, erzählt Loreen. In der Pieschener Mutter-Kind-Wohngruppe betreuen sieben Sozialpädagogen bzw. Erzieher die Klienten im 24-Stunden-Dienst. Unterstützt werden sie von vier Aushilfen, die im Vorfeld meist ein mindestens dreimonatiges Praktikum im Rahmen ihres Studiums oder ihrer Ausbildung in dieser Wohngruppe absolviert haben.
Die Mutter-Kind-Wohngruppe der Rasop in Pieschen ist eine von zurzeit 20 Mutter/Vater-Kind-Einrichtungen in Dresden. Mit Stand 31. Dezember 2018 waren 61 der insgesamt 74 Plätze belegt. „Wenn entschieden ist, dass eine Mutter/Vater-Kind-Einrichtung die geeignete Hilfe ist, können die Mütter/Väter zwischen den im Einzelfall passenden und verfügbaren Einrichtungen wählen“, so die Erläuterung des Jugendamts. Betrieben werden die Einrichtungen von verschiedenen Trägern der freien Jugendhilfe.
Die Radebeuler Sozialprojekte gGmbH wurde im Oktober 2000 in Radebeul gegründet. Seit 2008 befindet sich die Geschäftsstelle in Pieschen an der Leipziger Straße 26. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Suchthilfe und Wiedereingliederung von drogen- und alkoholmissbrauchenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
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