Leipziger Straße 70: Ehemalige Waffelfabrik wird abgerissen – Mehrfamilienhaus geplant

Auf dem Grundstück an der Leipziger Straße 70 haben Abrissarbeiten an einem leerstehenden Gebäude begonnen. Hier soll ein Mehrfamilienhaus gebaut werden. Ausführlichere Informationen, zum Beispiel zu Baubeginn und Fertigstellung waren trotz Nachfrage nicht zu erhalten. Die Häuser an der Leipziger Straße 70 und 72 waren im Frühjahr 1945 durch anglo-amerikanische Luftangriffe zerstört worden.

In dem Gebäude, das jetzt abgerissen wird, befand sich eine Waffelfabrik. Kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges war der Waffel- und Oblatenfabrikant Richard Seim mit seiner Produktionsstätte dort eingezogen. Stadtteilhistoriker Klaus Brendler hatte in der Serie „Brendler’s Geschichten“ an diese Geschichte erinnert und aus einem Zeitzeugenbericht zitiert. Darin beschreibt Dieter Haufe, wie im Mai 1945 die Lebensmittelvorräte in der Fabrik geplündert wurden. „Mein Vater und ich staunten nicht schlecht, als wir sahen, dass in den Kesseln Männer standen und den Honig mit Spaten ab- und herausstachen. Nebenan lagerten auf Gestellen Fässer mit schwarzem Sirup. Die Pieschener öffneten in großer Hast die Fässer, drehten sie mit dem Spundloch nach unten und füllten sich Sirup in ihre Eimer und Gefäße. Weil sie die Fässer aber nicht wieder in ihre Ausgangslage brachten, flossen erhebliche Mengen Sirup auf den Boden. Die hintersten Fässer liefen ganz aus, weil keiner im Gedränge mehr herankam. Natürlich hatten wir, mein Vater und ich, auch Sirup ‚erworben‘.

Wie viel es war, weiß ich nicht mehr, aber es reichte einige Zeit und für Tauschgeschäfte auch. Noch viele Wochen danach waren auf den Fußwegen der Leipziger Straße und auf anderen Straßen Pieschens schwarze Streifen von den vielen mit Sirup verklebten Schuhen der ‚Plünderer‘ sichtbar. Man konnte diesen Spuren nachgehen, sie wurden in den sich verzweigenden Nebenstraßen immer schwächer. Erst spätere Regenfälle säuberten nach und nach die Fußwege.“ Soweit der anschauliche Augenzeugenbericht.

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Wohnungsbau an drei Standorten geplant. Karte: Themenstadtplan Dresden / Grafik: W. Schenk

Auf der Fläche zwischen dem Grundstück Leipziger Straße 70 und dem Hedwig-Langner-Weg soll ebenfalls gebaut werden. Das Grundstück gehört der PSG Planungs- und Sanierungsträgergesellschaft mbH Dresden-Pieschen und sollte an eine Baugemeinschaft verkauft werden. Da sich kein Interessent fand, will dort nach Informationen von Pieschen Aktuell nun ein privater Investor ein Mehrfamilienhaus errichten. Zwischen diesen beiden Grundstücken und dem großen Lidl-Parkplatz ist als Abgrenzung ein drei Meter breiter Grünstreifen geplant. Auch für das Grundstück am Neudorfer Weg sollen sich inzwischen erfolgreich Bauherren beworben haben.

3 Kommentare zu “Leipziger Straße 70: Ehemalige Waffelfabrik wird abgerissen – Mehrfamilienhaus geplant

  1. Robert sagt:

    Und wieder verschwindet ein Stück vom historischen Dresden und wird ersetzt durch seelenlose beliebige Betonarchitektur. Es ist Wahnsinn, was in den letzten Jahren in Dresden an historischer Bausubstanz vorsätzlich zerstört wurde, nur um schnelle Rendite zu erzielen. Die Stadt wird immer austauschbarer.

  2. Mai Helge sagt:

    Schade, hätte das alte Gebäude nicht gerettet werden können? Als Atelierräume garantiert nutzbar. Aber nein, dem Immobilienbesitzer ist schnöder, kantiger Beton heilig. Mit geringwertiger Architektur wird das Gelände bebaut. Einen Vorteil haben die Einwohner dann dort. Der Weg zum Grafenwalder ist nur kurz.
    Helge Mai

  3. Karsten sagt:

    @Robert: vorsätzlich zerstört wurde die historische Bausubstanz in Dresden 1945 und während des sozialistischen Wiederaufbaus verfiel der verbliebene Rest. Entgegen Ihrer Meinung sehe ich, dass in Dresden in den letzten Jahre sehr viel historische Gebäude gerettet wurde, die in den vier Jahrzehnten nach dem Krieg erbärmlich vernachlässigt wurden oder gar wieder neu entstanden sind.
    Das hier betroffene Gebäude war nun wahrlich in der Substanz nicht mehr zu erhalten und entsprach m.E. wirklich keiner heutigen, zeitgemäßen Nutzung mehr. So viel hässlicher als die Ruine mit Brachfläche davor kann der neue Wohnhausbau nun nicht sein, um sich dagegen zu verwehren.

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