Nach der gescheiterten Revolution von 1848/49, insbesondere aber nach der Gründung des „Deutschen Reiches“ im Januar 1871, rollte eine nationale Welle „durch die deutschen Lande“. Neben politischen Vereinigungen schossen zahlreiche Vereine, zuvörderst Turn- und Gesangsvereine, wie Pilze aus dem Boden.
Auch die 1292 urkundlich erstmals erwähnte „… etwa 40 Minuten entfernt vom Herzen Dresdens […] und unmittelbar am schönen Elbstrom gelegene Gemeinde Pieschen.“, so beschrieben im Adreß- und Geschäfts-Handbuch für Pieschen der Jahre 1886/87, wurde von der „Gründungswelle“ erfasst.
Am 30. Juni 1897 vollzog sich im Pieschener Rathaus die feierliche Eingemeindung des stadtnahen Vorortes in die Haupt- und Residenzstadt Dresden. Am Vorabend dieser Eingemeindung bestanden daselbst insgesamt 40 gemeinnützige Anstalten und Vereine. Darunter zählten auch sieben mit Satzung, Vorstand sowie mit Fahnen und Pokalen ausgestattete Gesangsvereine, genauer gesagt Männergesangsvereine
Die einhundert Sangesbrüder des 1859 gegründeten und damit wohl ältesten Pieschener Gesangsvereins hatten sich den Namen der in der Antike als Frühlingsbote verehrten Windgottheit „Zephyr“ auf die Vereinsfahne sticken lassen. Jeden Mittwoch fanden sie sich zur Singestunde im Vereinslokal, dem Restaurant „Zur Goldenen Weintraube“, ein.
In der Folgezeit gründeten sich in Pieschen weitere den Chorgesang pflegende Vereine. So entstanden 1879 die Männergesangsvereine „Harmonie“ und „Doppel-Quartett“. Erstgenannter zählte 20 Mitglieder, Vereinslokal war „Fiedler‘s Restaurant“.
Der 1892 gegründete, fast 50 Männer umfassende „Arbeiter-Gesangverein“ probte jeden Freitag in der Gaststätte „Zur Börse“. Sie war 1882 Gründungsort des “Sozialdemokratischen Vereins für Pieschen und Umgebung” und befand sich gute 100 Jahre im Hause Leipziger Straße Nr.95. Heute steht hier ein Neubau.
Der Männergesangverein „Sangeslust“ traf sich zu seinen Übungsstunden zum ersten Mal 1895 und dann wöchentlich im Vereinslokal “Stettiner Hof“. Das Wohnhaus Markusstraße Nr.15, in dem sich der „Stettiner Hof“ befand, wurde am 17. April 1945 beim letzten Bombenangriff auf Dresden zerstört.
Auch die Angestellten und Arbeiter der „Fabrik für Bade-Einrichtungs-Gegenstände“ des Franz Louis Knoch (Großenhainer Straße) gründeten ein Jahr vor der Eingemeindung nach Dresden einen Gesangverein. Ihr Vereinslokal war die Dresdner Gaststätte „Stadtpark“ auf der Großen Meißner Straße.
Heutzutage sucht man die genannten Restaurationen vergeblich. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes „Geschichte“.
Das noch oft gebrauchte „Wo man singt, da laß’ dich ruhig nieder…“ wird dem deutschen Dichter Johann Gottfried Seume zugeordnet. Er wurde 1763 in Poserna (heute ein Ortsteil von Lützen / Sachsen-Anhalt) geboren und starb während einer Bäderkur am 13. Juni 1810 in Teplitz. Offensichtlich ist es die im Volksmund entstandene Abwandlung einer Strophe seines Gedichtes „Die Gesänge von 1804“. Dort heißt es: „Wo man singet, lass dich ruhig nieder, ohne Furcht, was man im Lande glaubt; Wo man singet, wird kein Mensch beraubt. Bösewichter haben keine Lieder.“ Den Dichter Johann Gottfried Seume, dessen Namen seit 1899 auch eine Pieschener Straße trägt, porträtierte 1806 der Maler Franz Gerhard von Kügelgen (1772-1820).
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