Am 22. Juli 1873 wurde der sächsische Komponist und Heimatdichter Franciscus Nagler im 260 Einwohner zählenden Kirchdorf Prausitz geboren. Er war das zehnte Kind des Kantors (Chorleiter und Organist einer evangelischen oder katholischen Kirchengemeinde) und Schulmeisters Franz Eduard Nagler und dessen Ehefrau. Fast zwölf Jahre seines Lebens verbrachte er in Dresden, drei davon in der Vorortgemeinde Trachau. Nach dem Besuch der Prausitzer Dorfschule und des Thomasgymnasiums in Leipzig „…mischt ihn“, wie Franciscus Nagler in seinen autobiographischen Aufzeichnungen vermerkt, „sein Vater unter die Jünger der Pädagogik.“ Er schickte ihn an das Freiherrlich Fletcher’sche Lehrerseminar nach Dresden. Anschließend unterrichtete Franciscus Nagler drei Jahre als Hilfslehrer an der ersten Trachauer Schule. Als Hilfslehrer bezeichnete man damals einen Lehrer ohne Planstelle, der aushilfsweise unterrichtet.
Unter dem Titel „Zwischen Lenz und Sommer“, erschienen 1916, veröffentlichte Franciscus Nagler seine Erlebnisse während der drei Hilfslehrerjahre in Trachau. Die dichterische Freiheit nutzend, nannte er es „Grünwiese“. In kleinen Episoden zeichnet Nagler ein Bild der Leute in und um Trachau. Er berichtet über deren Lebensumstände und Gewohnheiten. Mancher überkommene Name eines Zeitgenossen erhält Gesicht und menschliches Profil, so auch der Trachauer Schuldirektor Israel und der Kaditzer Pfarrer Henrici.
Karl Friedrich Israel, als Sohn eines Häuslers und Webers am 24. Mai 1850 in Ebersbach /Sa geboren, war von 1876 bis 1908 Lehrer und Direktor an den Schulen in Trachau. Foto: Archiv K. Brendler
In „Zwischen Lenz und Sommer“ heißt Direktor Israel ‚Ißmann‘. Er war von einer Leibesfülle, „… die eigentlich allein genügt hätte, um den gesamten Lehrkörper darzustellen.“ Er ist „…von Herzen gern in Gesellschaft am Biertische fröhlich gewesen […]und der Witzbold, der meinte, Herr Ißmann müßte eigentlich Trinkmann heißen, hatte recht.“
Doch bemerkenswert an Karl Friedrich Israel ist weniger seine Trinkfestigkeit, als vielmehr sein drei Jahrzehnte langes Wirken für das Trachauer Schulwesen. Er war nicht nur Direktor der ersten Trachauer Schule, sondern auch der neuen und größeren Schule an der damaligen Germanenstraße (heute Böttgerstraße). Das Schulhaus selbst wurde am 15. März 1899 durch Pfarrer Henrici eingeweiht.

Die Grundsteinlegung für das neue Trachauer Schulhaus, der heutigen 56. Grundschule, erfolgte am 1. April 1898. Foto (um 1905): Archiv K. Brendler
Als Direktor der neuen Schule forcierte Israel den Bau eines weiteren Schulhauses. Nach Plänen des Stadtbaurates Hans Erlwein (1872-1914) entstand es unmittelbar neben der 56. Grundschule. Die Übergabe im Oktober 1911 erlebte Karl Friedrich Israel nicht mehr. Im November 1907 war er aus gesundheitlichen Gründen beurlaubt worden, zu Ostern 1908 in den Ruhestand getreten und im Jahr darauf verstorben.

Der Dresdner Stadtteil Kaditz gehört zu den ältesten Siedlungen im oberen Elbtal. Name und Bauart des Ortes lassen auf eine slawische Gründung schließen. Foto: K. Brendler
Während seiner Trachauer Hilfslehrerzeit besuchte Franciscus Nagler auch die Gottesdienste in der Kaditzer Kirche. „Die Kirche“, schreibt er, „lag in einem anderen […] Dorfe. Das war ein feines, altes Bauernnest […] sorbischen Ursprungs! Mit der Rückseite lag es gegen die Elbe, zu der man auf reizenden Wegen zwischen dichten Weingärten gelangte.“
Aber so gern er das Dorf Kaditz auch mochte, er hat es später nach Möglichkeit gemieden. „Denn hier wohnte mit Pfarrer Henrici der Mann, in dessen Gegenwart – ja schon in Gedanken an ihn – es sich wie Eis um mein heißes Herz legte.“

Am 13. August 1876 übernahm Karl Bernhard Henrici (1837-1924) für fast drei Jahrzehnte das Pfarramt der Kaditzer Kirche. Foto: Archiv K. Brendler
Der in Bärenstein a. d. Müglitz geborene Pfarrer Henrici war zugleich auch Inspektor für die Trachauer Schule. Nie habe Nagler „…ihn heiter gesehen oder je ein frohes Wort aus seinem Munde gehört.“ Im Gegenteil, der Pfarrer „…ließ ihn ständig merken, dass er sein Wissen für Stückwerk halte.“ Karl Bernhard Henrici verstarb 1924 in Oberloschwiz. Auf dem Waldfriedhof Weißer Hirsch wurde er bestattet.

Die sächsische Stadt Leisnig liegt im und über dem tief eingeschnittenen Tal der Freiberger Mulde. Foto: K. Brendler
Und Franciscus Nagler? Weil „…es wohl nicht viel Gescheit’s gewesen ist…“ was er in den drei Jahren „zuwege gebracht hatte“, quittierte er den Schuldienst und nahm ein Studium am Leipziger Konservatorium auf. Im Jahre 1897 wurde er Kantor an der Stadtkirche in Limbach (b. Chemnitz) und 1902, im gleichen Amt, an der Kirche „St. Matthäi“ in Leisnig. Bis 1936 war für ihn die Stadt an der Mulde Heim- und Wirkungsstätte.
Seinen Ruhestand verlebte Franciscus Nagler in Dresden-Gruna. Nach den Bombenangriffen des 13./14.Februar 1945 kehrte er nach Leisnig zurück. Dort ist er am 4. Juni 1957 verstorben. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde er auf dem Leisniger Gottesacker bestattet. Im Laufe seines Lebens hatte Franciscus Nagler „…ca. 130 Motetten, Kantaten, Singspiele und chormusikalische Werke komponiert. Hinzu kamen schriftstellerische Arbeiten, Novellen, Märchen und Texte für volkstümliche Lieder, Kinderfestspiele und Heimatstücke.“ (in Sächsische Biografien)

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Ein Kommentar zu “Brendler’s Geschichten: Schuldirektor Israel, Pfarrer Henrici und Hilfslehrer Nagler”
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Karl Friedrich Giste