Arno-Lade- Straße

Brendler’s Geschichten: Die Arno-Lade-Straße trug bis 1946 den Namen eines preußischen Militärs

Im „Straßenverzeichnis 2017“ der Stadt Dresden sind für den Stadtbezirk Pieschen 431 Straßen, Plätze und Wege aufgelistet. Sie tragen die Namen von Naturwissenschaftlern, Erfindern und Konstrukteuren, von Malern, Musikern und Dichtern, von örtlichen Persönlichkeiten sowie von sächsischen Städten und ehemaligen Dörfern aus der Umgebung Dresdens.

Mit den nach Robert Matzke (1884-1943), Franz Lehmann (1899-1945), Gustav Richter (1890-1942), Albert Hensel (1895-1942) und Arno Lade benannten Straßen wird die Erinnerung an Antifaschisten wachgehalten, die bis zu ihren Verhaftungen in den Stadtteilen Kaditz und Pieschen zu Hause waren.

Plan der Stadt Dresden von 1845 (Ausschnitt), in „Atlas zur Geschichte Dresdens“ (1898) vom Stadtarchivar Otto Richter (1852-1922) / Foto Archiv K. Brendler

Vor Jahrhunderten gehörte es zu den Merkmalen des Dorfes, dass die Ackerflur häufig vom Dorfkern durch einen Zaun getrennt war. Er sollte einerseits das Vieh zurückhalten und zum anderen den besonderen Rechts- und Friedensbezirk des Dorfes begrenzen.
Das war auch im 1897 nach Dresden eingemeindeten Pieschen nicht anders. So ist die heutige Arno-Lade-Straße ursprünglich ein Teil der Begrenzung des Dorfes. „Früher genannt der freie Dorffrieden umbs Dorf herumb, drei Ellen breit.“, wie Heidemarie und Heinz Glodschei in „Die Geschichte des Dresdner Vorortes Pieschen“ (2008) schreiben.

Das Standbild für Yorck von Wartenburg. Foto: Archiv K. Brendler

Im Zusammenhang mit dem 1902 einsetzenden Bau von mehrstöckigen Mietswohnhäusern am ehemaligen „Dorffrieden“ erhielt die neu angelegte Straße im Jahre 1904 den Namen des Johann David Ludwig Graf Yorck von Wartenburg (1759 -1830). Als kommandierender General des Preußischen Hilfskorps zur französischen Armee hatte er am 30. Dezember 1812 in der Mühle des litauischen Dorfes Poscherun bei Tauroggen die in die Geschichte eingegangene „Konvention von Tauroggen“ unterzeichnet. Die eigenmächtige Unterschriftsleistung gilt als Beginn der Befreiungskriege der deutschen Staaten gegen Napoleon.

Laut Beschluss des Rates der Stadt Dresden vom 28. Mai 1946 wurde die Yorkstraße am 1. Juli 1946 in Arno-Lade-Straße umbenannt.
Die Schreibweise „York“ im Pieschener Straßennamen folgt der im „Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit…“ des Offiziers, Verlegers und Lexigraphen Heinrich August Pierer (1794-1850). In Berlin wurde ein vom Bildhauer Christian Daniel Rauch (1777-1857) im Jahre 1855 errichtetes Standbild des Yorck von Wartenburg 1945 bei den „letzten Kämpfen um Berlin“ stark beschädigt und 1963/64 in Nähe des alten Standortes wieder aufgestellt.

Arno Lade arbeitete im Straßenbahnhof Trachenberge und im Behälterbau des Dampfkesselwerkes Dresden-Übigau. Foto: Archiv K. Brendler

Arno Lade wurde am 1. Februar 1892 im Großgut Masten, das seit 1950 ein Stadtteil Döbelns ist, als erstes von sechs Kindern eines Dienstknechtes geboren. Lade erlernte den Beruf eines Schmieds und musste 1913 den Militärdienst in Dresden antreten. Aufgrund seiner Invalidität blieb er aber vom Einsatz an den Fronten des Ersten Weltkrieges verschont. Dienstverpflichtet in den Werkstätten des Dresdner Artillerie-Arsenals, wurde er 1917 Mitglied der USPD und 1919 der KPD.

Nach Kriegsende, er wohnte damals im Hintergebäude der Förstereistraße Nr. 36, arbeitete Arno Lade im Straßenbahnhof Trachenberge, wo ihn seine Arbeitskollegen 1920 als Betriebsrat wählten. Im Jahre 1924 von der KPD als Kandidat für Stadtverordnetenversammlung nominiert und auch gewählt, vertrat Arno Lade bis 1933 die Interessen seiner Partei im Dresdner Stadtparlament.

Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde er am 3. März 1933 verhaftet, im Dresdner Polizeipräsidium misshandelt und anschließend für 13 Wochen in das Konzentrationslager Hohnstein verbracht.

Kenotaph auf dem Dresdner Heidefriedhof zum Gedenken an Arno Lade und andere Antifaschisten. Foto WIKIPEDIA x-Weinzar

Lange erwerbslos und unter ständiger polizeilicher Kontrolle stehend, erhielt er erst im März 1938 als Schlosser und Anreißer im Behälterbau des Dampfkesselwerkes Dresden-Übigau wieder Arbeit. Seines schlechten Gesundheitszustandes wegen wurde er im November 1943 in das Löbtauer Krankenhaus eingeliefert. Am 18. Januar 1944 holte man ihn trotz des Protestes der behandelnden Ärzte vom Krankenbett „zur Vernehmung“ ins Polizeipräsidium Dresden. Einen Tag darauf war Arno Lade nicht mehr am Leben.

In dem 1879 errichteten Schulhaus ist heute die 26. Grundschule untergebracht. Foto: K. Brendler

Arno Lade wohnte seit 1927 im mehrgeschossigen Mietswohnhaus Wurzener Straße Nr.12. Wie andere Gebäude in Pieschen auch, fiel es am 17. April 1945, dem Tag des letzten anglo-amerikanischen Luftangriffes auf Dresden, den Bomben zum Opfer. In Würdigung seines Lebens wurde nicht nur die Yorkstraße umbenannt. Die 26. Polytechnische Oberschule an der Osterbergstraße erhielt am 19. Januar 1969 den Ehrennamen „Arno Lade“. Während die Straße noch immer so heißt, trägt die heutige 26. Grundschule Pieschen inzwischen den Namen „Am Markusplatz“. Das Schulgebäude war 1879 als Knaben- und Mädchenschule Pieschen eröffnet worden. Von 1921 bis 1950 war daselbst auch die Hilfsschule Pieschen untergebracht.

Innenhof der1927/28 durch die GEWOBAG errichteten Wohnanlage mit Fernheizwerk und Zentralwäscherei. Foto: Archiv K. Brendler (1935)

Nach Entwürfen des Dresdner Architekten Hans Richter (1882-1971) entstand in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre zwischen Moltkestraße (seit 1946 Robert-Matzke-Straße), Rehefelder- und Wurzener Straße eine moderne Wohnanlage der „Gemeinnützige Wohnungsbau-Aktiengesellschaft Dresden“ (GEWOBAG) mit Geschäften, Fernheizwerk und Zentralwäscherei. Dadurch wurde die Yorkstraße bis zur Wurzener Straße verlängert. Eigentümer und Verwalter der umgangssprachlich auch „Arno-Lade-Block“ genannten Wohnanlage ist mit Vonovia das größte Wohnungsunternehmen und der größte private Vermieter Deutschlands.

Brendler’s Geschichten ist eine Serie, in der Klaus Brendler für das Onlinejournal Pieschen Aktuell in loser Folge an Orte, Ereignisse und Personen im Ortsamtsbereich Pieschen erinnert. Der Stadtteilhistoriker und Autor ist Vorsitzender des Vereins „Dresdner Geschichtsmarkt“ und Leiter der „Geschichtswerkstatt Dresden-Nordwest“. Er lebt in Dresden-Trachau.
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