Brendler’s Geschichten: Als in der Leipziger Vorstadt noch Schiffe gebaut wurden

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ließen sich in der heutigen Leipziger Vorstadt eine Reihe von Unternehmen nieder, deren Geschichte mit der ersten deutschen Ferneisenbahnstrecke Leipzig-Dresden, dem nahen Neustädter Güterbahnhof sowie dem zwischen 1872 bis 1876 angelegten Neustädter Hafen eng verbunden waren.

Die zum 1. Januar 1866 mit 2.000 Einwohnern nach Dresden eingemeindete Vorstadt Neudorf trägt seit 1875 den Namen Leipziger Vorstadt. Quelle: Kartenausschnitt 1876 / Archiv K. Brendler

So nahm 1856 die Steingutfabrik „Villeroy & Boch“ die Produktion auf, wurde 1863 die „Otto Schlick, Maschinen & Schiffbauanstalt Dresden“ ansässig, begann im Mai 1866 die Firma des Franz Ludwig Gehe mit der „Verarbeitung von Drogen zu pharmazeutischen Zwecken“ und baute Carl Ernst Grumbt eine 1869 zum Verkauf stehende „Dampfschneidemühle“ zum „Ernst Grumbt-Dampfsäge- und Hobelwerk“ aus. Letztendlich wurde im Januar 1873 der städtische Zentralschlachthof und Viehmarkt seiner Nutzung übergeben.

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Dampfschiffs- und Maschinenbauanstalt in der Leipziger Vorstadt (1893). Der Uferkran ist grün markiert. Quelle: Archiv K. Brendler

Das 1893 vom Leipziger Kunstverlag Eckert & Pflug herausgegebene unternehmenshistorische Sammelwerk „Großindustrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild“ stellt der Grafik aus dem Jahre 1893 die volkswirtschaftlich Bedeutung der Wasserstraßen voran und schreibt: „Eine jener Werkstätten, die in dieser Hinsicht Großes geleistet haben, […] ist die Dampfschiffs- und Maschinenbauanstalt der Österreichischen Nordwest-Dampfschiffahrt-Gesellschaft in Dresden.“

Zwischen 1870 und 1890 befuhren die Elbe stromauf von Hamburg bis Aussig fast 30 Kettendampfer (Die Gartenlaube -1882). Quelle: Archiv K. Brendler

Die Dampfschiffs- und Maschinenbauanstalt, 1884 hatte sie die 1863 gegründete „Otto Schlick, Maschinen & Schiffbauanstalt Dresden-Neustadt“ übernommen, beschäftigte im Durchschnitt bis zu 500 Arbeiter. Ihre „Spezialität“ bestand in der Herstellung von eisernen und stählernen Flussdampfschiffen für Personen und Güterverkehr, von Schleppdampfern mit Schrauben-, Schaufelrad,- Ketten- oder Seilbetrieb.

Sammelbilder der 1922 als Firma eingetragenen Dresdner Zigarettenfabrik „Yramos“. Sie wurde 1937/38 „arisiert“ und 1941 aus dem Handelsregister gelöscht. Quelle: Archiv K. Brendler

Ernst Otto Schlick, am 16. Juni 1840 als Sohn des Privatiers Benjamin Gotthold Schlick im sächsischen Grimma geboren, gehört zu den bedeutendsten deutschen Schiffbauingenieuren in Deutschland. Im Jahre 1855 verzog die Familie nach Dresden, wo drei Jahre später Ernst Otto Schlick ein „allgemeines maschinentechnisches Studium“ an der königlichen Polytechnischen Schule aufnahm und selbiges 1862 erfolgreich abschloss.

Im gleichen Jahr gründete er ein eigenes Unternehmen, das 1863 als „Otto Schlick, Maschinen & Schiffbauanstalt Dresden-Neustadt“ firmierend, sich zunächst auf den Bau von Flussschiffen spezialisierte. Seinem wenig später gestellten Antrag zur Erweiterung der Gewerbeerlaubnis auf den Maschinenbau wurde 1864 stattgegeben. Der „Werkplatz“ befand sich elbseitig der Leipziger Straße in der Vorstadt Neudorf. Dort hatte er bis 1869, dem Jahr seines Ausstiegs aus dem Unternehmen, auch den ersten Kettendampfer für die Kettenschifffahrt der Elbe gebaut. Das und weitere Fakten zu Ernst Otto Schlick sind nachzulesen in „100 Jahre Schiffbautechnische Gesellschaft-Biographien“ (Eike Lehmann, 1999, Springer Verlag Berlin).

1872 verließ Ernst Otto Schlick die Haupt- und Residenzstadt Dresden, um sich in Unternehmen des südosteuropäischen Raumes fachlich weiterzubilden. 1875 wurde er Direktor der Norddeutschen Werft in Kiel und 1892 Leiter des deutschen Büros der Schiffsklassifikationsgesellschaft „Bureau Veritas“ in Hamburg. Von 1896 bis zum Eintritt in den Ruhestand 1908 war er Direktor der Germanischen Lloyd AG, die ihren Sitz ebenfalls in Hamburg hatte. Am 10. April 1913 ist Ernst Otto Schlick in Hamburg verstorben, auf dem Ohlsdorfer Friedhof fand er seine letzte Ruhestatt.

Als in der Leipziger Vorstadt noch Schiffe gebaut und repariert wurden, verrichtete auch der Uferkran seine Dienste. (1891). Quelle: Archiv K. Brendler

Das 1863 von Ernst Otto Schlick gegründete Unternehmen ging 1872 an eine Aktiengesellschaft über und firmierte fortan als „Sächsische Dampfschiffs- und Maschinenbau-Anstalt“. Durch den Ankauf von Nachbargrundstücken sowie den Bau neuer Werkstätten vergrößerte sich das Areal des Unternehmens beträchtlich. 1884 wurde es von der „Österreichischen Nordwest Dampfschiffahrtsgesellschaft“ übernommen und 1899 in „Dresdener Maschinenbau & Schiffswerft AG Dresden-Neustadt“ umfirmiert. Nach der zum 1. Januar 1904 erfolgten Fusion mit der Übigauer Schiffswerft zur „Dresdner Maschinenfabrik und Schiffswerft Übigau“ AG wurde der Schiffbau in der Leipziger Vorstadt eingestellt und nach Übigau verlegt.

Brendler’s Geschichten ist eine Serie, in der Klaus Brendler für das Onlinejournal Pieschen Aktuell in loser Folge an Orte, Ereignisse und Personen im Ortsamtsbereich Pieschen erinnert. Der Stadtteilhistoriker und Autor ist Vorsitzender des Vereins „Dresdner Geschichtsmarkt“ und Leiter der „Geschichtswerkstatt Dresden-Nordwest“. Er lebt in Dresden-Trachau.
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2 Meinungen zu “Brendler’s Geschichten: Als in der Leipziger Vorstadt noch Schiffe gebaut wurden

  1. HorstHubert Hastenichtgesehen sagt:

    Toller Artikel! Bitte mehr davon.

  2. Wir haben ein Archiv von Brendler’s Geschichten mit mehr als 50 Beiträgen: https://pieschen-aktuell.de/tag/brendlers-geschichten/

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