Drewag Wasserwerk Coschütz Jürgen Storm

Trinkwasserqualität in Dresden: Drewag Netz-Gruppenleiter Jürgen Storm im Interview

Das Trinkwasser riecht, es schmeckt komisch und die Drewag teilte am vergangenen Montag mit, dass es trotzdem „bedenkenlos getrunken werden kann“. Es folgten viele Fragen und Kommentare unter dem entsprechenden Beitrag auf Pieschen Aktuell und bei Facebook. Jürgen Storm, Gruppenleiter Qualitätssicherung Trinkwasser bei der Drewag Netz bekräftigt im Interview diese Einschätzung und beschreibt die Suche nach den Ursachen für die wahrnehmbaren Veränderungen im Trinkwasser.

Herr Storm, seit wann gibt es Beschwerden der Verbraucher zur Qualität des Trinkwassers?

Die Anrufe gingen so um den 20. November los. Es waren aber nicht alles Beschwerden. Es gab auch Anrufe, in denen uns Fragen gestellt wurden. Wir haben die Hinweise sehr ernst genommen.

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Beschränkten sich die Beschwerden auf bestimmte Stadtteile oder kamen sie aus ganz Dresden?

Die Anrufe kamen fast ausschließlich aus den in Fließrichtung rechtselbisch gelegenen Stadtteilen, vorwiegend aus der Äußeren Neustadt, Pieschen, Trachau und Trachenberge. Zudem wurde die Geruchsbelästigung oft am frühen Morgen bemerkt, zum Beispiel beim Duschen. Es riecht elbemäßig, metallisch, nach Chlor, nach Lösungsmittel, muffig – die Anrufer haben ihre Wahrnehmungen sehr unterschiedlich beschrieben.

Drewag Wasserwerk Coschütz Labor

40 Proben werden täglich allein aus dem Verteilnetz der Drewag Netz analysiert. Foto: W. Schenk

Woher kommt das Trinkwasser für die Anwohner in diesen Stadtteilen?

Wie Sie wissen, ist das Wasserwerk Coschütz seit Mitte September wegen wichtiger Reparaturarbeiten im Stolln 3 und den etwa zehn Kilometer langen Rohrleitungen zwischen Wasserschloss Coßmannsdorf und dem Wasserwerk Coschütz vom Netz. Bis dahin kam das Trinkwasser auf der Neustädter Seite je zur Hälfte aus den Wasserwerken Coschütz und Hosterwitz. Seit Mitte September kommt das Wasser fast komplett aus Hosterwitz. Die veränderten Wahrnehmungen kamen aber erst viel später.

Was können Sie zu den Ursachen für die Veränderungen bei Geruch und Geschmack des Trinkwasser sagen?

Wir haben intensiv geforscht und analysiert. Die Geruchsstoffe im Netz waren nicht von der Hand zu weisen. Wir konnten sie aber analytisch trotz großer Aufwände nicht feststellen. Das war auch für uns ein Novum. Geruchs- und Geschmacksstoffe lassen sich nur ganz schwierig als Einzelstoff nachweisen. Bei der Anwendung der vom Wassergesetz vorgeschriebenen Parameter konnten wir keinerlei Veränderungen feststellen. Ich wohne selbst im Stadtteil Pieschen Nord/Trachenberge und habe die Veränderungen nicht bemerkt. Eine Kollegin aus dem Labor, die drei Straßenzüge weiter wohnt, hat dagegen sowohl über Geruchs- als auch Geschmacksveränderungen berichtet.

Und sie haben keine Vermutung?

Ja schon, aber eben nur eine Vermutung. Sie hängt zusammen mit den unterschiedlichen Technologien der Wassergewinnung in Hosterwitz und Tolkewitz. Neben Uferfiltrat und Grundwasser wird im Wasserwerk Hosterwitz auch Wasser direkt aus der Elbe entnommen. Das nennt sich Direktentnahme aus der fließenden Welle. Das Wasser wird dann mit einem Flockungsmittel versetzt, in diesem Fall Aluminiumsulfat, zwischen 4 und 5 Milligramm pro Liter, kommt dann in Langabsatzbecken, wo sich die Flocken absetzen. Danach wird das Klarwasser abgezogen und über vier große Mehrschichtfilter gepumpt. Dann versickert es wieder ins Erdreich und wird gemeinsam mit dem Grundwasser und dem Uferfiltrat zur weiteren Aufbereitung gesammelt. Wahrscheinlich haben Geruchs- und Geschmacksstoffe die Filtrationsstufe überstanden und kommen dann im Netz zum tragen. Das Leitungsnetz besteht aus 1.780 Kilometern Versorgungsleitungen und 630 Kilometern für Hausanschlüsse. Wir als Drewag sagen, dass alle Messwerte stimmen. Und trotzdem riecht das Wasser. Das ist auch für uns keine schöne Situation.

Drewag Wasserwerk Coschütz Kathrin Würl

Mit dem Reihenrührwerk hat Kathrin Würl, Laborantin für Verfahrenstechnik, die Wasserproben analysiert. Foto: W. Schenk

Welchen Einfluss hat der niedrige Elbpegel auf die Qualität des Trinkwassers?

Es gibt keinen Zusammenhang mit dem niedrigen Elbwasser. Unsere Wasserwerke liegen oberhalb des Einlaufes der Klärwasseraufbereitung in Kaditz. Selbst bei einem Elbpegel von 50 Zentimetern hatten wir noch einen Abfluss von 80 Kubikmetern pro Sekunde. Das bedeutet, dass selbst bei Niedrigwasser der Anteil des Wassers aus den Klärwerken deutlich unter einem Prozent liegt. Das ist immer noch ein gigantischer Verdünnungseffekt.

Und wie sieht es mit verschmutzten Elbwiesen aus, zum Beispiel mit Hundekot?

Einen Zusammenhang zwischen Hundekot und der mikrobiologischen Belastung des Rohwassers haben wir bisher nicht festgestellt. Aber ich möchte an dieser Stelle auf einen für uns sehr wichtigen Umstand hinweisen. Entlang der Elbe haben wir etwa 200 Brunnen, Anlagen zur Trinkwassergewinnung für die Wasserwerke Hosterwitz und Tolkewitz. Jede Anlage müsste eigentlich im Umkreis von zehn Metern eingefriedet sein. Weil sie sich jedoch in einem Landschaftsschutzgebiet und einem Überschwemmungsgebiet befinden, dürfen wir keine Zäune errichten. Diese würden bei Hochwasser den Wasserabfluss behindern. Obwohl es an allen Anlagen Hinweisschilder gibt, die das Betreten verbieten, hält sich kaum jemand daran. Wir können hier nur an die Vernunft und Disziplin der Dresdner Einwohner appellieren. Anders war es in Hosterwitz mit der Pferdehaltung. Die Pferde haben die Grasnarbe zerstört, der Boden war völlig offen. Jeder Niederschlag konnte darum die Exkremente ungehindert in den Untergrund spülen. Das Problem ist aber inzwischen gelöst.

Wie hat die Drewag auf die Beschwerden der Verbraucher reagiert?

Wir haben vorsorglich das Trinkwasser mit Aktivkohlepulver versetzt. Außerdem wird die Inbetriebnahme des Wasserwerkes Coschütz um einige Tage vorgezogen. Zwischenzeitlich haben wir zudem die Zufuhr von Trinkwasser aus Gottleuba, Rödern und der Weißeritzgruppe deutlich erhöht.

Wie lange wird es dauern, bis nach der Inbetriebnahme des Wasserwerkes Coschütz das neue Trinkwassergemisch am Wasserhahn beim Verbraucher ankommt?

Coschütz ist bereits mit halber Kapazität wieder am Netz. Spätestens bis kommenden Mittwoch folgt die andere Hälfte. Ende der Woche sollte dann das neu gemischte Trinkwasser aus den Talsperren Lehnmühle und Klingenberg und den Wasserwerken Hosterwitz und Tolkewitz in allen 56.000 Hausanschlüssen angekommen sein.

Ich möchte gern die Gelegenheit nutzen und darauf hinweisen, dass die Daten zur Trinkwasserqualität auf der Webseite der Drewag Netz ausführlicher sind, als bei der Drewag. Außerdem laden wir alle Interessierten gern ein, unsere Wasserwerke zu besichtigen. Ein mal im Quartal öffnen wir dafür unsere Tore. Neben unserer Kundenhotline stehe ich auch selbst für die Beantwortung von Fragen zur Verfügung: 0351 205853540.

Vielen Dank für das Gespräch.

9 thoughts on “Trinkwasserqualität in Dresden: Drewag Netz-Gruppenleiter Jürgen Storm im Interview

  1. Weber sagt:

    Seit einer Woche gibt es auch in Leuben/Dobritz ketonisch richendes und schmeckendes Wasser, nach dessen trinken mein hals sich tricjen fühlt

  2. Jan Fischer sagt:

    Viel spannender ist doch die Frage, was mit anderen Verunreinigungen wie z.B. chemischen Rückständen, Medikamenten-, Hormon-, oder Drogenrückständen passiert, die über Abwässer in die Elbe gelangen. Wird das Wasser auch darauf untersucht und gereinigt?

  3. Prof. Dr. Peter Storz sagt:

    Zu meinen Studenten gehören Berufspädagogen für den Technsichen Umweltschutz, die später solche Berufe ausbilden, u. a. auch die FK für Wsserversorgungstechnik. Mit einem Diplomanden habe ich über die aktuellen Trinkwasserprobleme gesprochen. Wir sind zusammen die Argumente von Herrn Jürgen Storm zu seinem Interview durchgegangen und sie waren für uns sachlich nachvollziebar. Dre Diplomand macht mich auf ein „Gerede“ aufmerksam, ob es möglicherweise auch mit der Flutung der Uranminen in Gittersee zusammenhänge und im Zusammenhang den extrem trockenen letzten beiden Jahre hier eine Ursache (metallischer Geschmack) liegen können. Wir sind so verbliben, dass ich mich hierzu sachkundig machen werde – auch bei Gittersee selbst – möchte aber anfragen, ob Ihrerseits selbst ein solcher Zusammenhang schon hypothetisch in ERwägung gezogen wurde.

  4. @Jan Fischer: Entsprechende Untersuchungen werden acht Mal im Jahr durch ein spezialisiertes Fremdlabor durchgeführt. Ein Beispiel hat Herr Storm im Gespräch genannt: Die Konzentration von Diclofenac liege bei 40 Nanogramm je Liter Elbwasser. Ein Tablette enthält 75 Milligramm. Im Rohwasser, das noch weiter aufbereitet wird, seien entsprechende endokrine und hormonaktive Stoffe nicht mehr nachweisbar.

  5. Anja Osiander sagt:

    Ganz herzlichen Dank an Herrn Schenk! So sieht guter Journalismus aus. Nachfragen, nachfragen, nachfragen. Und dann auch die Fakten genau wiedergeben.
    Ich hatte selbst sehr geschimpft auf die Drewag in meinen Kommentaren in der vergangenen Woche. Dank dieses Interviews habe ich nun ein Gesicht vor mir und nicht nur eine anonyme Institution. Ich weiß nun, daß auch Fachleute meine Beobachtungen bestätigen. Ich weiß nun, daß sie versuchen, den Grund zu finden. Ich weiß, daß jetzt schon anderes Wasser durch unsere Leitungen fließt. Das alles zu wissen, tut gut. Das sind die Informationen, die wir brauchen, um gut zusammenzuleben.
    Das Rätsel bleibt. Ich vermute weiter einen Einfluß von geklärtem Wasser aus Kläranlagen. Natürlich nicht aus Kaditz. Aber zum Beispiel aus Pirna.
    Danke auch für den Hinweis auf die Informationen im Internet durch die DREWAG Netz GmbH. Da muß ich allerdings doch nochmal kritisieren. Der Netzauftritt ist unübersichtlich und nutzerfeindlich strukturiert. Obwohl ich auf den Seiten war und obwohl ich wußte, daß da irgendwo Trinkwasserdaten veröffentlicht werden, konnte ich sie nicht finden, nicht einmal über die Suchfunktion! Merke: Informationen, die man nicht findet, sind so schlecht wie gar keine Informationen.

  6. Da muss ich zustimmen. Ich habe die Daten auch nicht im ersten Anlauf gefunden, weiß aber jetzt, wie es geht: Unter dem Link https://www.drewag-netz.de/de/DREWAG-NETZ/Wassernetz.html gibt es eine Übersichtskarte zum Wassernetz der Drewag. Unter der Karte gibt es das Angebot „Wichtige Dokumente zum Download“. Da findet man dann sehr detaillierte Angaben zu den einzelnen Wasserwerken. Die Drewag will diese Daten künftig auch auf ihrer eigenen Webseite präsentieren, sagte die Drewag-Sprecherin.

  7. Nadja Hope sagt:

    Leider muss auch ich sagen, dass unser Wasser einen lösungsmittelartigen Geruch hat! Von einer Belastung des Trinkwassers mit chemischen Rückständen, zb. von Medikamenten, ist heutzutage generell auszugehen, das Problem ist schon lange bekannt, und die Europäische Kommission hat seit Jahren den Auftrag eine entsprechende Strategie dazu zu erarbeiten, was bis heute auf sich warten lässt. „Deutschland war im Jahre 2010 mit einem Volumen von 35 Milliarden US Dollar der drittgrößte Arzneimittelmarkt im internationalen Vergleich.“ (!) Besonders auf sandigen Böden und bei Niedrigwasser ist eine Belastung des Grundwassers gegeben. Lange nicht alle Stoffe sind nachweisbar, für viele gibt es keine Nachweismethoden. ( http://www.wrrl-info.de/docs/vortrag_sem53_grommelt.pdf ) ( http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/schadstoff/azm/ ) – @ Prof. Dr. Peter Storz: Vielen Dank für den interessanten Hinweis auf Gittersee! Diese Sache ist zwar schon seit einiger zeit im Gange, aber Wasser bahnt sich manchmal auch langsam seinen Weg, und man sollte die Sache vielleicht auch einbeziehen. Wäre es evtl. möglich, dass in den Altstollen auch andere Sonderabfälle abgelagert worden, zb. PCB (PCB – zählt zum „dreckigen Dutzend“! … Bis zum EU-weiten Verbot kam die Untertage-Endlagerung von belasteten Bauteilen und Geräten zur Anwendung. Seit 2007 ist das nicht mehr zulässig.) Legal hätte man ja Nachweise darüber. Das Wasser wäre auch darauf testbar.

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