Pieschen bekommt eine weitere grüne Oase und einen Stadtteil-Treff obendrein. An der Heidestraße entsteht seit März der Gemeinschaftsgarten „Wurzelwerk“. Auf einer rund 1.700 Quadratmeter großen, derzeit ungenutzten Fläche der benachbarten Gärtnerei Nitzsche können Dresdner in Zukunft nicht nur zusammen säen und ernten, sondern auch Nützliches bauen, Neues lernen, Feste feiern, Workshops und Kulturveranstaltungen besuchen.
Die Idee dafür hatten Gregor Scholtyssek und Philip Harms, der eine Sozialpädagoge, der andere Lehrer und Stadtplaner. Beide sind seit Jahren in Dresdner Gemeinschaftsgärten aktiv. Dort hätten sie erlebt, dass die beteiligten Ehrenamtler oft an ihre Belastungsgrenzen stoßen und deshalb bestimmte Dinge immer liegenbleiben, erzählt Philip. „Es braucht einfach feste Ansprechpartner und Zeiten, eben eine gewisse Regelmäßigkeit.“ Diese Vorstellungen wollten sie in einem neuen Garten umsetzen und entwickelten dafür das Projekt „Qnoten – Quartiersentwicklung und sozialer Knotenpunkt“. Knapp 70.000 Euro bekommen sie für zwei Jahre vom Europäischen Sozialfonds. Damit werden nicht nur zwei 12,5-Stunden-Stellen für die beiden Gründer finanziert, sondern auch zahlreiche kostenlose Workshops, Vorträge, fachliche Beratung, Feiern und Kulturveranstaltungen im „Wurzelwerk“.
Zeit für Erläuterungen und Netzwerkarbeit
„Dank der festen Stellen sind wir zu bestimmten Zeiten verlässlich vor Ort und stehen für Fragen zur Verfügung“, erklärt Philip. „Wir erklären dann zum Beispiel neugierigen Leuten, was wir hier machen und wie das Zusammenarbeiten in so einem Garten funktioniert.“ Dadurch entstünden „schöne Nachbarschaftskontakte“. Er erzählt von einer Frau, die mit Blick auf den Garten wohnt und fragen kam, was denn hier geschehe und ob sie den in rauhen Mengen wachsenden Löwenzahn ernten dürfe. Als Dankeschön brachte sie am nächsten Tag junge Kohlrabipflanzen aus ihrem Kleingarten vorbei, die nun im „Wurzelwerk“ weiter gedeihen.
Außerdem bringen die beiden jungen Männer mit ihrem Projekt die Anwohner zusammen, schaffen Begegnungs- und Lernangebote. „Etliche Leute aus der Nachbarschaft sind schon dagewesen, nachdem wir vor der Eröffnung Flyer verteilt haben“, erzählt Gregor. Mit Pieschener Initiativen wie dem Zentralwerk kooperiert das „Wurzelwerk“ bereits; künftig wollen die beiden Macher auf Freie Träger von Sozialarbeit zugehen und versuchen, beispielsweise Langzeitarbeitslose für das Gärtnern und die Teilnahme an Veranstaltungen zu begeistern und so wieder „unter Leute“ zu bringen. „Sozial benachteiligten Menschen wird Teilhabe sowie soziales und fachliches Lernen ermöglicht“ heißt das in der Projektbeschreibung. „Auch eine Zusammenarbeit mit Kitas kann ich mir gut vorstellen“, meint Philip. „Wir sind auch offen für Veranstaltungsanfragen“, ergänzt Gregor. „Demnächst findet hier ein Bücher-Speed-Dating statt, das vom Umundu-Festival für nachhaltige Entwicklung organisiert wurde.“
„Könnt ihr das noch brauchen?“
Während wir im Garten sitzen und die Jungs von ihren Plänen erzählen, kommt ein Mann durchs Tor und schnurstracks auf uns zu. „Ich hab noch ‘ne große Übersee-Transportkiste aus Holz, könnt ihr die brauchen? Für Hochbeete oder so?“ An der Oschatzer Straße wohne er, sagt der Fremde, und er finde das Gartenprojekt unterstützenswert. Kurzerhand wird ein Abholtermin ausgemacht, und schon ist der Mann wieder verschwunden. „Es fällt wirklich auf, wie viele Leute etwas einbringen wollen, Material spenden“, schwärmt Philip. Eine Baumpflegefirma hat ihnen zerhäckselte Äste für die Gartenwege überlassen, Nachbarn bringen vorgezogene Pflanzen vorbei, und vom Amt für Stadtgrün gab’s einen Berg Komposterde. Andere Dinge haben die Jungs für kleines Geld besorgt, beispielsweise den Baucontainer, der später mal Büro und Lager beherbergen sollen.
Ein 50 Meter langer Traum
Dem fehlt allerdings noch ein stabiles, regenabweisendes Dach. Also hält ein Zimmermann zu Pfingsten einen „Dachstuhl-Bau-Workshop“ im „Wurzelwerk“ ab. Mitmach-Einsätze zu den Themen Kompostklo, Zaunbau oder Europaletten-Möbel gab es bereits oder sollen noch stattfinden. Aber auch gärtnerische Fragestellungen wie Beetbau, Mulchen oder Speisepilzzucht kommen nicht zu kurz. Und „ganz nebenbei“ soll natürlich gepflanzt, gejätet, gegossen und geerntet werden. Die Ideen gehen den beiden „Wurzelwerkern“ nicht aus: „Ein Traum wäre, den momentan ungenutzten Folientunnel der Gärtnerei wieder zu aktivieren“, so Philip. „Vielleicht wenigstens einen Teil der 50 Meter. Dann hätten wir prima Bedingungen für Tomaten, Gurken und Melonen.“
Am Verpächter, der Gärtnerei Nitzsche an der Weinböhlaer Straße, soll’s jedenfalls nicht scheitern. Inhaber Stephan Gonera unterstützt die beiden Macher nicht nur mit Wasser und Strom, sondern steht deren Ideen sehr aufgeschlossen gegenüber. „Wir hatten schon vorher geplant, die Fläche zu beleben und für ein Gemeinschaftsprojekt zu nutzen, aber für solidarische Landwirtschaft ist sie zu klein“, erzählt der Chef des seit 1878 bestehenden Familienbetriebes. „Dann kam der Herr Harms zu mir … Jetzt kriegen wir viel spannenden Input – menschlich, sozial, gärtnerisch.“
Adresse: neben Heidestraße 34 (Hundetagesstätte „Moppi“/ehem. „Abfallgut“)
Internet: https://wurzelwerk.ufer-projekte.de/
offene Gartenzeit montags 14–18 Uhr, im Mai wird noch ein weiterer Wochentag festgelegt
Kommende Veranstaltungen:
- 5. Mai, 11–17 Uhr: Planungswerkstatt für die erste Gartensaison
- 7. und 14. Mai: Workshop „Beetformen anlegen“
- 19./20. Mai: Dachstuhl-Bau-Workshop
- 20. Mai: Workshop Insektenstauden
- 26./27. Mai: Langer Tag der StadtNatur
- 2. Juni: Workshop „Pilze züchten“
Die Teilnahme an allen Veranstaltungen ist kostenfrei.
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