Plastikmüll ist derzeit in aller Munde. Reportagen im Fernsehen, bei Spiegel Online oder in der aktuellen Ausgabe von DIE ZEIT beschäftigen sich mit den großen oder auch winzigen Plastikteilen, die nach aktuellen Schätzungen in einer Größenordnung von mehr als 10 Millionen Tonnen weltweit in den Ozeanen landen. Ein ebenso wichtiges Thema rückten heute Wissenschaftler, Apotheker, Ärzte, Vertreter aus der Politik und der Abwasserwirtschaft unter dem Motto „Medizin trifft Kläranlage“ in Dresden in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit: Was muss getan werden, damit Arzneimittel umweltfreundlicher und die Gewässer weniger belastet werden?
Mit wenigen Fakten beschreibt Gunda Röstel, kaufmännische Geschäftsführerin der Stadtentwässerung Dresden, die Lage. Etwa 2.300 Wirkstoffe würden in den verschiedensten Medikamenten verarbeitet. Weil zum Beispiel fast 40 Prozent der flüssigen Arzneimittel über die heimische Toilette oder das Waschbecken entsorgt würden, landen diese Wirkstoffe im Abwasser. „Es ist utopisch zu glauben, dass man diese alle identifizieren und herausfiltern könnte“, sagte sie. Die Quote liege je nach Wirkstoff zwischen 20 bis 80 Prozent. Mit Diclofenac nannte sie einen Wirkstoff, der in Tabletten oder Salben enthalten sei und biologisch nur sehr schwer abbaubar sei. In Antibiotika gebe es 250 verschiedene chemische Stoffe, die überwiegend nicht biologisch abbaubar seien. Vor dem Hintergrund einer Studie des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW), die bis 2045 Steigerungsraten um bis zu 70 Prozent im Arzneimittelverbrauch prognostiziert, sei die Fragestellung der Tagung unter Federführung des sächsischen Forschungsprojektes „MikroModell“ besonders wichtig.
An erster Stelle seien Maßnahmen zur Vermeidung und Verminderung des Arzneimittelverbrauchs und des Abwassereintrages erforderlich, sagte Projektleiter Peter Krebs, der das Institut für Siedlungswirtschaft an der TU Dresden leitet. Er plädierte dabei für einen fairen Abgleich der Interessen aller Akteure.
Klaus Kümmerer, Direktor des Instituts für Nachhaltige Chemie und Umweltchemie in Lüneburg, machte deutlich, dass auch die Pharmaforschung neue Wege gehe. In seinem Vortrag schilderte er, wie schon bei der Auswahl der Wirkstoffe auf die biologische Abbaubarkeit geachtet werden könne und verwies darauf, dass die Abbaubarkeit derzeit bei der Zulassung von Arzneimitteln überhaupt keine Rolle spiele.
Die Experten, die sich in der Mittagspause der Tagung zu einem Gespräch mit der Presse versammelt hatten, lobten die Initiative des Dresdner Forschungsprojektes „MikroModell“ und des Dresdner Abwasserunternehmens. Es sei deutschlandweit das erste Mal, dass Forschung, Pharmaindustrie, Mediziner und Apotheker gemeinsam über den steigenden Arzneimittelkonsum und einen besseren Gewässerschutz diskutierten.
Die falsche Entsorgung von nicht mehr benötigten Arzneimitteln habe bei der Abwasserwirtschaft höhere Kosten zur Folge, sagte Röstel. Letztlich würden diese wieder beim Verbraucher landen, wenn in neue Technologien und weitere Reinigungsstufen investiert werden müsste. Die Expertenrunde war sich darum einig, dass es neben der Forschung viele andere Wege der Vermeidung von Arzneimittelrückständen im Abwasser gebe. Neben der ordnungsgemäßen Entsorgung über den Restmüll spiele vor allem ein Einschränkung beim Verbrauch eine Rolle. Hier seien Ärzte, Apotheker und die Verbraucher selbst gefragt. Der Ruf nach schnellen Lösungen bringe nichts, ist Kümmerer überzeugt. Die gemeinsame Umorientierung brauche Zeit, es gebe keinen Anlass für Alarmismus, fügte Röstel hinzu und betonte gleichzeitig deutlich: „Wir sind als Abwasserwirtschaftler nur ungern der Reparaturbetrieb für Versäumnisse der anderen“.
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