Ein Jahr vor den nächsten Kommunalwahlen rücken Dresdner Parteien und Stadtratsfraktionen die Direktwahl der Ortsbeiräte in den Mittelpunkt der Debatte. Den bisher weitreichendsten Vorschlag zum Thema hat vergangenen Freitag Linke-Fraktionschef André Schollbach unterbreitet. Danach sollen die Ortsbeiräte der zehn Ortsamtsbereiche ab 2019 „ein eigenes Budget in Höhe von mindestens 25 Euro je Einwohner/in und Jahr erhalten“. Sollte sich dafür eine Mehrheit finden, stünde dem Ortsbeirat Pieschen eine Summe von etwa 1,3 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Insgesamt müssten rund 13 Millionen Euro im Doppelhaushalt 2019/20 bereitgestellt werden, sagte Schollbach. Die Linke-Fraktion schlägt darüber hinaus vor, dass sämtliche Aufgaben, die den Ortsbeiräten gemäß der Sächsischen Gemeindeordnung (§ 71 Absatz 3) durch den Stadtrat übertragen werden können, ohne jede Ausnahme auch übertragen werden.
Dazu gehören „die Festlegung der Reihenfolge der Arbeiten zum Um- und Ausbau sowie zur Unterhaltung und Instandsetzung von Straßen, Wegen und Plätzen, deren Bedeutung über die Ortschaft nicht hinausgeht, einschließlich der Beleuchtungseinrichtungen, die Pflege des Ortsbildes sowie die Unterhaltung und Ausgestaltung der öffentlichen Park- und Grünanlagen, deren Bedeutung nicht wesentlich über die Ortschaft hinausgeht, die Förderung von Vereinen, Verbänden und sonstigen Vereinigungen in der Ortschaft, die Förderung und Durchführung von Veranstaltungen der Heimatpflege und des Brauchtums in der Ortschaft, die Information, Dokumentation und Repräsentation in Ortschaftsangelegenheiten. (Sächsische Gemeindeordnung, § 67 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 bis 5 und 7). Das Budget für die Ortsbeiräte soll „zusätzlich, oben drauf zur Verfügung gestellt werden, als freie Verfügungsmasse“, betonte der Linke-Fraktionschef. Es dürfe nicht zur Kürzungen in anderen Bereichen führen.
Der Landtag Sachsens habe mit den Stimmen von CDU und SPD die 2014 von rot-grün-rot in Dresden vereinbarte Einführung der Ortschaftsverfassung auch für die Ortsbeiräte verhindert, erläuterte Schollbach. Damit seien die Rechte der Ortsbeiräte nicht so ausgestaltet worden, wie beabsichtigt. Der einzige Weg, den Ortsbeiräten zu mehr Mitbestimmung und Machtbefugnissen zu verhelfen, sei darum die Bereitstellung eines eigenen Budgets. Sollten sich Linke, Grüne und SPD darauf einigen, wäre eine Direktwahl der Ortsbeiräte bei der Kommunalwahl im Mai 2019 gerechtfertigt, so Schollbach. Er nennt eine weitere Bedingung für die Einführung der Direktwahl der Ortsbeiräte. Die drei Kooperationspartner sollen sich für eine Zurücknahme der Fehlentscheidungen bei der Novellierung der Sächsischen Gemeindeordnung aussprechen. Diese war im März 2018 in Kraft getreten. Während bei den Grünen die Zustimmung sicher scheint, hat die SPD hier bereits Bedenken angemeldet. In der DNN vom Freitag sagte die frisch gewählte Fraktionsvorsitzende Dana Frohwieser, dass dies eine Thema für den Landtag, nicht für den Stadtrat sei.
Die Dresdner Liberalen hatten sich vor einer Woche auf ihrem Parteitag für die Direktwahl der Ortsbeiräte ausgesprochen und ihre Forderung nicht an bestimmte Bedingungen geknüpft. Mit der Direktwahl sollen die Möglichkeiten zur Partizipation für die Bürgerinnen und Bürger auf der lokalen Ebene verbessert werden. Des Weiteren versprechen wir uns von dieser Regelung eine Stärkung der Demokratie, die durch die Ausweitung der Beteiligungsmöglichkeiten an Attraktivität gewinnen wird. Direkte Demokratie stärkt die lokale Identität vor Ort“, hatte Dresdens FDP-Vorsitzender Holger Hase erklärt.
Auf vier Veranstaltungen wollen die Grünen-Stadträte über das Thema „Ortsbeiräte direkt wählen“ mit den Bürgern ins Gespräch kommen. Die erste Runde findet bereits heute Abend in der Grünen Ecke am Bischofsplatz statt.
Linke-Fraktionschef André Schollbach will die in einem „Fünf-Punkte-Plan zur Stärkung der Demokratie in Dresden“ zusammengefassten Forderung seiner Fraktion nun mit Grünen und SPD diskutieren, aber auch die FDP und die CDU von deren Richtigkeit überzeugen. „Wir wollen einen substanziellen Beitrag zur Stärkung der Demokratie in Dresden leisten“, betonte er.
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