Herausgerissene Dielen, die Fensteröffnung nur mit Planen verhangen, unverputzte Wände aus roten Ziegeln. In einer Zimmerecke hängt die Tapete in Streifen herunter, auf verblichenen Bravo-Postern posieren 90er-Jahre-Pop-Sternchen wie „Worlds Apart“ und „Ace of Base“. „Wir stehen hier in unserer Wohnküche mit angrenzender Dachterrasse.“ Paula Oschem lächelt, denn noch sieht hier gar nichts nach Kochen und gemütlichem Beisammensitzen aus. Aber das soll sich noch im Laufe dieses Winters ändern. Die junge Frau Anfang 30 saniert zusammen mit ihren Baugemeinschafts-Mitstreitern das marode Mehrfamilienhaus an der Leisniger Straße 68, direkt neben der evangelischen Kita „Himmelsblau“. „Wir sind 16 Erwachsene, die meisten zwischen 30 und 50, und 14 Kinder, von frisch geboren bis 12, 13 Jahre alt – wie die Orgelpfeifen.“
Charme des Alten erhalten
Sie alle sollen Platz finden auf den 850 Quadratmetern Wohnfläche des Hauses, verteilt auf vier Etagen. Auf jeder Etage entstehen zwei Wohnungen, die zwischen 80 und 120 Quadratmeter groß sind und nach den Bedürfnissen der jeweiligen Familien geplant wurden. Gekauft hat die Baugemeinschaft „Lebendige Leisniger“ das Mehrfamilienhaus im Frühsommer 2016 von der Stadt Dresden. „Das war eines der letzten unsanierten denkmalgeschützten Gebäude“, sagt Paula Oschem. „Unser großes Ziel ist es, möglichst viel vom Charme des Hauses zu erhalten. Zum Beispiel sind wir alle total begeistert vom Treppenhaus mit dem schönen Geländer und den großen Fenstern.“ Also bekamen die Fenster wieder ihre ursprüngliche kleinteilige Sprossen-Aufteilung und die historische rotbraune Farbe. Auch die Fassaden zur Straße und zur Kita hin bleiben unverändert. Zur Hofseite hin erhalten dafür alle Wohnungen Balkons oder Terrassen.
Im Spätherbst 2016 haben die 16 Bauherren und -„herrinnen“ begonnen, das Grundstück zu beräumen. „Bis zur Einfahrt vor war alles mit Brombeerbüschen zugewuchert“, erzählt Oschem. „Da haben wir bei drei Wochenendeinsätzen mit Freischneidern gewirkt.“ Und auch seitdem ist fast jedes Wochenende Bambule auf der Baustelle: Unrat aus dem Keller schleppen, Tapeten entfernen, Fußbodenbeläge und Dielen rausreißen, neuen Fußboden im Keller legen. „Solche Aktionen schweißen zusammen.“ Eine dufte Truppe seien sie, sagt Oschem voller Überzeugung. Zwei Architekten und ein Holzexperte sind dabei, dazu eine Restauratorin, die auch schon Farbuntersuchungen im Haus vorgenommen hat. Auch die anderen Mitstreiter können ihre Fähigkeiten einbringen – sei es in der Buchhaltung, bei der Pausenversorgung oder den vielen Eigenleistungen, die Muskelkraft und Geschick erfordern. Da waren unzählige Wände einzureißen, der alte Kellereingang zuzuschütten oder Holzarbeiten zu verrichten. „Mein Mann sagt immer: Ich lerne grad so viel dazu!“
Die Hauptarbeit leisten allerdings professionelle Handwerker. Das ist auch nötig, denn 20 Jahre Leerstand hatten vor allem den obersten und untersten Etagen des Hauses arg zugesetzt. Die zugemauerten Fenster boten ein prima Klima für den Hausschwamm, und über dem Treppenhaus war das Dach eingestürzt und musste als eine der ersten Amtshandlungen abgestützt werden. Aber nicht nur im Dachgeschoss mussten jede Menge Balken erneuert werden. Große Flächen aus neuem, hellem Holz in etlichen Räumen zeigen, welch großen Anteil des Fußboden-/Deckenaufbaus die Zimmerleute ersetzen mussten. Über den Sommer besserte der Steinmetz die Sandsteine in den Fensterlaibungen aus, und seit Ende vergangenen Jahres wird die Elektrik verlegt. „Das Dach ist gedeckt, die Fenster sind drin, der Außenputz ist angebracht worden. Die Farbe kommt dann im Frühjahr ran, wenn es wärmer wird“, zählt Paula Oschem weiter auf. Seitdem die Fenster eingebaut sind und somit stabile Temperaturen im Haus herrschen, erfolgt auch der Innenausbau. Im Herbst hat die Drewag einen Fernwärmeanschluss gelegt. „An der Sperrung der Leisniger Straße waren wir teilweise schuld“, lacht die junge Frau entschuldigend.
Kampf dem Hausschwamm
„Wir hoffen, dass wir im Juni einziehen können“, sagt Oschem. „Ursprünglich hatten wir den Umzug schon im Dezember 2017 geplant, aber es war zum einen ganz schwer, Handwerker zu bekommen, und zum anderen entpuppten sich die Probleme mit dem Hausschwamm als größer, als wir gedacht hatten.“ Außerdem erfordere eine Baugemeinschaft natürlich einen erhöhten Planungsaufwand: „Man muss der Typ dafür sein. Wer sein Ding durchziehen will, für den ist das nix. Aber mit Kompromiss- und Konfliktbereitschaft und einer Grundsympathie klappt das.“ Alle Beteiligten eine die Suche nach bezahlbarem Wohnraum, vor allem für Familien mit Kindern, und das Interesse, historische Bausubstanz kostengünstig und mit möglichst viel Eigenleistung zu erhalten.
Einmal pro Woche treffen sich die acht Parteien, um anstehende Themen zu besprechen. Und auch, um auf Geschafftes anzustoßen. „Am 24. November haben wir Richtfest gefeiert. Wir haben Bänke aufgestellt, Spanferkel gefuttert und einen entspannten Abend gemacht.“ Nun hoffen alle auf ein baldiges Einweihungsfest – dann bestimmt im großen Garten.
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2 thoughts on “Leisniger Straße 68: Neues Leben in alten Mauern”
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Hallo liebe Leute, ich finde es ganz toll das dieses Haus endlich wieder Familien ein zu Hause bieten wird.
Die Bilder wecken viele Erinnerungen. Ich bin in diesem Haus geboren und habe mein Leben bis 1991 darin verbracht. Ich habe sehr viele Details wiedererkannt . An der Straßenseite war über einem Kellerfenster der Name Unger geschrieben. Vielleicht hat es jemand gelesen. Ich würde mich wahnsinnig freuen noch einmal durch dieses Haus gehen zu dürfen. Könnten Sie bitte diese Mail an die Hausgemeinschaft weiterleiten! Mit lieben Grüßen von Claudia HUCKE , geborene Unger
Liebe Frau Hucke, schon erledigt, ich habe Ihre Nachricht an die Baugemeinschaft weitergeleitet. Viele Grüße Tanja Tröger