Schon von Weitem leuchten Haus und Atelier der Dresdner Künstlerin Konstanze Feindt-Eißner so blau, als sei ein Stück mexikanischen Himmels über Pieschen herabgefallen. Blau, die Farbe der Ferne, der Sehnsucht, der Dämmerstunden und der Melancholie. Konstanze Feindt-Eißner öffnet das Tor und und gemeinsam mit ihr empfangen den Besucher die steinernen Wächter, die den Hof bevölkern. Mit glatter und rauer Haut, in sich gekehrt, weisend, sinnend, sinnlich, stehen sie stumm und sprechend, geisterhaft in ihrer unvermittelten Präsenz, menschlich in ihrer Expression.
Wir sitzen bei einem starken schwarzen Tee in Konstanze Feindt-Eißners Atelier. Es ist kühl trotz des weißen Teppichs, auf dem Korbsofa, bequeme Stühle und ein niedriger Tisch stehen, und trotz der neuen Dämmung. Die Pausen im Gespräch sind wie die Lücken im Stein: Sie sprechen.
Vor drei Jahren zog Konstanze Feindt-Eißner mit ihrer Familie aus der Johannstadt in ihr Domizil in Pieschen, wo sie nur den Hof überqueren muss, um an ihrem Arbeitsplatz zu sein. Draußen rauscht der Verkehr der hoch frequentierten Leipziger Straße vorbei. „Das ist ganz gut. So störe ich wenigstens keinen“, sagt Konstanze Feindt-Eißner und spielt auf den Lärm ihrer Arbeitsmaschinen an. Das Atelier, ein ehemaliges Elektriker-Lager, ist in zwei Arbeitsräume geteilt. Der eine widmet sich Zeichnungen und Gemälden, im anderen ringt Feindt-Eißner dem Stein ihre Skulpturen ab.
Je nach Stimmung und Inspiration wechselt die Künstlerin von einer Wirkungsstätte zur anderen. Es gibt Tage, sagt sie, da sei ihr nicht nach Staub und Dreck und sie tobe sich lieber an der Staffelei aus. Früher, erzählt sie, war sie täglich bis zu acht Stunden ‚am Stein‘. Heute sind es an die vier, circa die Hälfte Ihres Arbeitstages. „Ich bin gelassener geworden. Aber du musst Disziplin haben. Du musst dich ransetzen. Der Kuss der Muse ist eine Hobby-Vorstellung.“
In der Bildhauer-Werkstatt stehen auf Arbeitsflächen und Sockeln Skulpturen in unterschiedlichen Stadien, an denen Feindt-Eißner zeitgleich arbeitet. Stagniert der Arbeitsfluss an der einen, wechselt sie zur anderen Figur. Manche warten jahrelang auf ihre Vollendung. Eines Tages findet Feindt-Eißner den richtigen Ansatz zur Weiterarbeit. „Das kommt ganz plötzlich“, sagt sie. Dann wird die Geschichte des Steines unter ihren Händen weitergeschrieben.
Staub und Splitter bedecken den Boden. Man kann die Anstrengung und Ausdauer nur erahnen, die es braucht, bis ein Stück Marmor unter Eisen und Klüpfel die sanften Rundungen eines weiblichen Aktes freigibt. Rangiert werden die schweren Stücke mit Flaschenzug und Sackkarre. Konstanze Feindt-Eißners Figuren biegen sich sehnsüchtig, neigen fragend die Köpfe, recken klagend fragmentarische Arme empor, beugen sich mütterlich-schützend, geben sich öffnend dem Betrachter hin. Es entsteht ein Spannungsfeld zwischen dem statischen, harten, kühlen Material und seiner bewegt erscheinenden, emotional berührenden Form. Der Stein erlangt Fragilität, Dynamik, Leichtigkeit. „Der Tanz ist ein Motiv, das mich fasziniert“, sagt Feindt-Eißner. Andere wiederkehrende Motive sind Mütter und Kinder, der Tod und – vor allem in der Malerei – Clowns: Die Fruchtbarkeit des Lebens, seine Endlichkeit und der Balanceakt, sich über diese Unausweichlichkeit mit einem Lachen für einen Moment hinwegzusetzen. Masken, Zerfall, Zustände der Ekstase in Freude und Leid.
Der Akt der Schöpfung beginnt für die Bildhauerin mit dem Suchen und Finden des Steins. Ihr Gesicht erhellt sich wie das eines erfolgreichen Goldsuchers, als sie von den Steinbrüchen spricht, in denen sie Marmor, Sandstein oder Schiefer aufspürt. Bruchstein hat im Gegensatz zu gesägten Blöcken einen Charakter, eine natürliche Ausgangsform. Das schätzt die Künstlerin. Sie verbindet die Expeditionen in die Toskana oder Südtirol mit einem Urlaub und kehrt mit tief liegendem Auto zurück. „Manchmal muss ich einen Stein einfach mitnehmen, um dann festzustellen, dass er viel zu hart ist.“ Einmal empfahl ihr eine befreundete Galeristin einen versteckten Steinbruch in Österreich. „Das war wie eine Offenbarung“, sagt Feindt-Eißner strahlend.
Bei der Arbeit geht sie dem Stein auf den Grund. Sie dringt in sein verborgenes Inneres: Durchsetzt mit Einschlüssen, Rissen, Strukturen, die die Arbeit beeinflussen und leiten. Bei aller Härte lässt sie Behutsamkeit walten, geht auf die Gegebenheiten ein. Ihre Kunst ist Auseinandersetzung und Zwiesprache.
Zwischen all den im Werden begriffenen und vollendeten Steinwesen steht eine Gebrochene: Bei der letzten Kältewelle gefror das Wasser in der Regentonne, worauf diese berstend umkippte und eine Skulptur zum Fallen brachte, die wiederum auf die kleine, rötliche Frauenfigur kippte. Sie ging entzwei. Nun steht sie geschützt im Atelier, mit grünem Spezialleim verklebt. Der Blick von Konstanze Feindt-Eißner ruht zärtlich auf ihr, als sie sagt: „Verkaufen kann ich sie so natürlich nicht mehr. Aber sie tat mir so leid.“
- Bildhauerin, Grafikerin, Zeichnerin
- Leipziger Straße 183
- www.kfe-arts.de
- Eine Besichtigung des Ateliers ist nach vorheriger Anmeldung per E-Mail möglich: kfe@k-eissner-art.de
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