Auf der gesamten Nordhalbkugel der Erde, so also auch in Deutschland, beginnt der Herbst in diesem Jahr am 23. September, genau um 03:54 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit.
Zwischen Sommer und Winter baut der Herbst mir eine sinnvolle Brücke, ich werde mir meines Alters bewusst. Mehr Ruhe und Besinnung täten mir gut: mich in Bücher vertiefen, im Park der Baumriesen rotgelbgoldene Vielfalt bewundern, violette Herbstzeitlose im nichtgemähten Gras suchen und finden. – Es werden Kindheitserinnerungen wach! Mit dem Pilzkorb in der Hand und dem kleinen Beereneimer am Gürtel bin ich wieder mit Mutter in der Jungen Heide hinter dem Wilden Mann unterwegs, manchmal bis hinaus nach dem Waldmax.
Ich streife durch das raschelnde Laub, rieche die Stinkmorcheln und schaue, wo die Heidelbeeren stehen. Damals wetteiferten wir um das beste ‚Pilzauge‘. Mutter gewann immer! In ihrem Korb lagen doppelt so viel Maronen, Speisetäublinge und Ritterlinge wie in meinem. Und während der ‚Brombeerernte‘ waren wir auf der Elbinsel bei Gauernitz. Ich war nie so erfolgreich wie sie, meine nimmermüde ‚Nachkriegsmutter‘, deren Arme danach zerkratzt aussahen, so wie ein Schnittmusterbogen. Die Schmerzen verbiss sie sich, denn die Sorge um die Familie wog schwerer in dieser Zeit der Not und des Hungers.
Heutzutage würde es mir immer noch gefallen, in freier Wildbahn Beeren zu pflücken und Pilze zu suchen. Doch was tue ich? Auf dem übervollen Herbstmarkt tausche ich rote, blaue oder schwarze Beeren und prächtige Steinpilze gegen ein paar Euro ein.
Über die Autorin:
Die heute zweiundachtzigjährige Hildegard Kellermann ist auf der Fraunhoferstraße in Trachau geboren und aufgewachsen. Sie hat in Meißen Porzellanmalerin gelernt und lebt seit dem Jahre 1954 in Ludwigsburg (Baden-Württemberg). In der dortigen Porzellan-Manufaktur war Hildegard Kellermann ein Arbeitsleben lang beschäftigt. Seit vielen Jahren schon ist sie Vorstandsmitglied des Vereins „Literarischer Gesprächskreis Ludwigsburg“.
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