Mit der Industrialisierung im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts und der sich dadurch flächenmäßig ausdehnenden Stadt Dresden waren auch immer Eingemeindungen umliegender Orte verbunden. Eine ausgesprochene Eingemeindungswelle verzeichnete die Stadtchronik vor 115 Jahren. Nach oft aufwendigen Verhandlungen verloren mit dem Jahresbeginn 1903 neun Vororte Dresdens ihre Selbstständigkeit.
Das betraf auch den heutigen Stadtteil Übigau, der seit 1991 dem Ortsamt Pieschen zugeordnet ist. Eine der Eingemeindungsfolgen in den neuen Vorstädten Dresdens war die Umbenennung von Plätzen und Straßen, deren bisherige Namen in mehreren Vorstädten übereinstimmend vorkamen oder in den älteren Stadtteilen bereits vorhanden waren oder vorhandenen zum Verwechseln ähnlich waren.
Im 1324 als Vbegowe erstmals urkundlich erwähnten Übigau, dessen Straßennetz um 1900 weitgehend ausgebaut war, mussten fast alle Straßen und Plätze umbenannt werden. Eine davon war die Briesnitzer Straße, die wegen ihrer Richtung nach dem gleichnamigen Ort auf der linken Elbseite 1899 diesen Namen erhalten hatte. Am 1. Januar 1904 erfolgte die Umbenennung in Zinggstraße.
Zu den Dresdner Schaffensjahren des am 15. April 1734 in St. Gallen (Schweiz) geborenen Landschaftszeichners, Radierers und Kupferstechers Adrian Zingg schrieb der sächsische Heimatforscher und Mitbegründer des Vereins für die Dresdner Geschichte Karl Adolf Hantzsch (1841-1920) in „Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen“ (1918) wie folgt:
„Obgleich Schweizer von Geburt, kann man diesen Meister im Zeichnen und Kupferstechen doch gewissermaßen als Sachsen bezeichnen, da von seinen 82 Lebensjahren fünfzig auf seinen Aufenthalt in Dresden entfallen. Nachdem er sich von 1759-1766 in Paris einer gründlichen Ausbildung unterzogen hatte, erhielt er in dem letzterwähnten Jahr durch den Generaldirektor und Kunsttheoretiker Christian Ludwig von Hagedorn (1712-1780) einen Ruf nach Dresden als kurfürstlicher Hofkupferstecher und als Lehrer der Kupferstechkunst an der Kunstakademie.“
Hier, an der 1764 als „Haupt-Kunst-Akademie“ gegründeten Lehreinrichtung, prägte Adrian Zingg eine ganze Generation von Landschaftszeichnern in Dresden. Bedeutendster Erbe war Caspar David Friedrich (1774-1840), der zu den wichtigsten Malern der deutschen Romantik zählt.
„Zinggs Bilder“, so Karl Adolf Hantzsch weiter, „ bringen Darstellungen von Dresden und von vielen sächsischen Städten, Landschaften des Weißeritztales, des Erz- und des Lausitzer Gebirges, Nordböhmens, vor allem aber der Sächsischen Schweiz, die Zingg, wie von ihm zu recht gesagt worden ist, überhaupt erst künstlerisch entdeckt hat.“
In der Biografie „Caspar David Friedrich: seine Landschaft, seine Liebe, sein Leben“, 1990 von Herbert Friedrich (Dresden) verfasst, heißt es: „Im Alter von zweiundachtzig Jahren war Adrian Zingg noch nach Leipzig zur Ostermesse gezogen, um Kupferstiche zu verkaufen. Dort ist er nach kurzem Unwohlsein am 26. Mai 1816 verschieden“
Das Dresdner Kupferstichkabinett besitzt mit 450 Drucken und 75 Zeichnungen den weltweit größten Bestand an Werken des Adrian Zingg.
Der Legende nach gelten Adrian Zingg und der mit ihm befreundete sowie ebenfalls in Dresden lebende Maler Anton Graff als Schöpfer des Namens „Sächsische Schweiz“ für das Elbsandsteingebirge.
Bekanntheit erlangte dieser Name aber erst durch die Veröffentlichungen des in Struppen geborenen Pfarrers Wilhelm Lebrecht Götzinger (1758-1818), dem zu Ehren die Götzinger Höhe (Neustadt/Sa.) mit ihrem 25 Meter hohen Aussichtsturm benannt wurde.
Übrigens ist die Redewendung „Mein lieber Freund und Kupferstecher“ wohl dem Dichter Friedrich Rückert (1788-1866) zuzuschreiben. Er hatte seinen Freund, einen Kupferstecher, im Briefwechsel so angeredet. Die einst in großer Zahl beschäftigten Kupferstecher waren selber nicht kreativ tätig, sondern übertrugen die Arbeiten anderer. Das stellte aber trotzdem hohe Anforderungen an ihre zeichnerischen und handwerklichen Fähigkeiten.
Wenn auch der Landschaftszeichner und Kupferstecher Adrian Zingg im Mittelpunkt der Betrachtung steht, die bis 1988/89 zum Teil begehbare Treppe am östlichen Ende der Zinggstraße ist aus aktuellem Anlass eine Erwähnung wert. Der Ortsbeirat Pieschen will die mit großer Wahrscheinlichkeit bei der Sprengung des ruinösen Wohnhauses Rethelstraße Nr. 45 verschüttete Treppe wieder öffentlich zugänglich machen.
An die Stelle der früheren Orangerie des Schlosses Übigau wurde um 1835 eine Pionierkaserne der sächsischen Armee errichtet. Sie diente nur eine relativ kurze Zeit ihrer Bestimmung. Mit der Fertigstellung der Kasernen in der Dresdner Albertstadt (1877) wurden die militärischen Einheiten nach dort verlegt. In der ehemaligen Kaserne, nun Haus Rethelstraße Nr. 45, wohnten vorwiegend Arbeiterfamilien. Seit den 1980er Jahren ausgewohnt und baufällig, wurde sie im Laufe des Jahres 1989 abgerissen.
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2 thoughts on “Brendler’s Geschichten: Eine Übigauer Straße trägt den Namen des Landschaftszeichners und Kupferstechers Adrian Zingg”
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Ortsansässige Zeitzeugen erinnern sich
genau, dass die Sprengung 1988 erfolgte,
ein berichteter Abriss im Jahre 1989 dürfte sich
erübrigt haben…
Zunächst bedanke ich mich für den Hinweis, was die Zeitangabe der Sprengung betrifft.
Um die Geschichte der einstigen Pionierkaserne weiter zu vervollständigen, kann der erwähnte ortsansässige Zeitzeuge möglicherweise auch die folgenden drei Fragen beantworten:
1. Ist die Kaserne im November 1988 gesprengt worden und da zunächst nur der „Mittelteil“?
2. Hat es weitere Sprengungen gegeben (linkes und rechtes Gebäudeteil) und wann?
3. Hat sich die Beseitigung des Bauschuttes bzw. der weitere Abriss mittels Bagger u. ä. bis in
das Jahr 1989 hinein erstreckt?