Schulgeschichte Emmers

Brendler’s Geschichten: Die Schulhäuser der Vorortgemeinde Pieschen

Die Schulgeschichte des 1292 erstmals urkundlich erwähnten und 1897 gemeinsam mit Trachenberge nach Dresden eingemeindeten Stadtteils Pieschen reicht bis in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts zurück. Wegen der großen Entfernung zur Kirchschule in Kaditz, die ursprünglich auch von den Kindern umliegender Dörfer besucht wurde, „…hatte sich in Pieschen schon 1613 ein Balthasar Lange als Kinderlehrer niedergelassen.“ (Werte unserer Heimat / Band 42 / 1984). In den Niederschriften zur Geschichte der „Neben- oder Winkelschule“ Pieschen werden unter anderem auch die „Winkellehrer“ Daniel Zorn (1694) und Christian Helsinger (1730) erwähnt.

Der damals am längsten in Pieschen tätige Lehrer war Johann Georg Wachtel (1753-1834). Sechs Jahrzehnte hatte er an der nun behördlich anerkannten und damit von der Kaditzer Kirchschule unabhängigen einstigen „Winkelschule“ den Unterricht erteilt. Das kleine Haus, in dem Wachtel nicht nur unterrichtete, sondern auch wohnte, brannte am 27. Juli 1805 bei einem „großen Feuer“ bis auf die Grundmauern nieder. An gleicher Stelle wurde noch 1805 ein erstes Pieschener Schulhaus erbaut. Anzufügen wäre, dass Wachtels Tochter mit Christian Gottlieb Mohn (1811-1881) den wohl bekanntesten Lehrer der Gemeinde Pieschen geheiratet hatte. Seit 1889 trägt die Mohnstraße seinen Namen.

Schulgeschichte Bürgerstraße 76

Das erste Pieschener Schulhaus, Bürgerstraße Nr. 76, wurde in den 1970er Jahren abgerissen. Foto: um 1960 / Archiv K. Brendler

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Der am 30. April 1832 ins Amt eingeführte Christian Gottlieb Mohn bestimmte fast 30 Jahre lang das Schulleben der Gemeinde. Bis 1856 unterrichtet er als alleiniger Lehrer in einer ‚Ober-Classe‘ und einer ‚Unter Classe‘ etwa 200 Schüler.[…] ) Ab 1856 kam eine ‚Mittel-Classe‘ dazu. Weitere Lehrkräfte wurden benötigt.“ (Zur Schulgeschichte von Pieschen – ein Einblick / Dresdner Hefte / 1990).

Als Ende der 1850er Jahre das auch von Trachauer, Trachenberger und Micktener Kindern besuchte einstöckige Schulhaus nicht mehr ausreichend Platz bot, entschloss sich die Gemeinde zu einem größeren Schulbau. Am 6. März 1861 wurde der Grundstein gelegt, am 15. April 1861 das Dach aufgesetzt und wenig später das Schulhaus von den Kindern bezogen.

Emmers

Das Schulhaus des Jahres 1861 ist seit zwei Jahrzehnten Domizil des Kinder- und Jugendzentrums Emmers. Foto K. Brendler

Im neuen Schulhaus (heute Bürgerstraße Nr. 68) konnte Lehrer Mohn allerdings nicht mehr unterrichten. Er hatte infolge Überanstrengung seine Stimme verloren und musste 1861 das Lehramt aufgeben. Er und sein Schwiegervater Johann Georg Wachtel fanden ihre letzte Ruhestätte auf dem Kaditzer Kirchhof, die Gräber sind nicht mehr vorhanden.

Schulgeschichte Urkunde

Kopie der am 19. Juni 1873 im Grundstein des dritten Schulhauses hinterlegten Urkunde (Auszug). Archiv K. Brendler

Vor 145 Jahren legte die Gemeinde Pieschen den Grundstein für ein weiteres Schulhaus. Die Urkunde nennt den Grund: „Nachdem durch die außerordentliche Vergrößerung des Dorfes Pieschen die Schulkinderzahl hier so gewachsen ist, daß trotz der in diesem Jahr erfolgten Ausschulung des Dorfes Trachau das im Jahre 1861 neuerbaute Schulhaus nicht mehr ausreicht, und die derzeit hier wirkenden drei Lehrer die circa 500 Schulkinder kaum zu bewältigen vermögen und nachdem der Gemeinderath beschlossen hat, das Schulziel höher, ähnlich dem der besseren Bezirksschulen Dresdens, zu normieren und deshalb vor der Hand noch zwei Lehrer mehr anzustellen; so hat die Schulgemeinde für nöthig befunden, ein zweites Schulhaus nebst einer Turnhalle zu erbauen, und legt dieselbe heute den Grundstein zu der neuen Unterrichtsstätte.“ Die in der Urkunde angekündigte Turnhalle wurde offensichtlich nicht gebaut.

26. Grundschule

26. Grundschule „Am Markusplatz“, Osterbergstraße Nr. 22, eröffnet 1879. Foto K. Brendler

Im Zusammenhang mit dem raschen Fortschreiten der Industrialisierung wuchs die Einwohnerzahl der stadtnahen Vorortgemeinde Pieschen in den 1870er Jahren um fast das Dreifache. Das hatte für die Schulbildung und damit für den Bau von Schulhäusern entsprechende Konsequenzen. Zu Ostern 1879 wurde an der Bergstraße Nr.2 (heute Osterbergstraße Nr. 22) ein neues Schulhaus eingeweiht. Es hatte zunächst 14 und nach einem Flügelanbau im Jahre 1885 insgesamt 19 Klassenzimmer.

Die 1861 und 1873 gebauten Schulhäuser befanden sich am Ende des Jahres 1878 in „…einem mangelhaften Bauzustand, Zahl und Größe der Unterrichtsräume waren völlig unzureichend.“ (Zur Schulgeschichte von Pieschen – ein Einblick / Dresdner Hefte / 1990). Nach Umbau- und Sanierungsarbeiten dienten sie ab 1879 bis zur Einweihung des Rathauses im November 1891 der Gemeindeverwaltung als „Amtssitz“. Danach wurden die Räume der beiden Schulhäuser auch zu Wohnzwecken vermietet, vor allem waren sie aber viele Jahrzehnte lang Kinderbewahranstalt und Kinderkrippe, Kinderheim und Kindergarten.

Oberschule Pieschen

Oberschule Pieschen, Robert-Matzke-Straße Nr.14, eröffnet 1890. Foto K. Brendler

Elf Jahre nach der Einweihung des Schulhauses an der heutigen Osterbergstraße konnte 1890 an der Moltkestraße ein weiteres Schulhaus seiner Bestimmung als einfache Volksschule für Mädchen übergeben werden. Im Jahre 1894 wurde es durch den Anbau um 12 Klassenzimmer und durch den Bau einer Turnhalle komplettiert. Die Moltkestraße wurde am 1. Juli 1946 nach dem Antifaschisten Robert Matzke (1884-1943) benannt.

Schulen Karte 1912

Die Schulhäuser der Vorstadt Pieschen (Stand 1912). Rot – von der Gemeinde vor 1897 erbaut, Grün – von der Stadt erbaut. Quelle: Archiv Brendler

Während die ehemaligen Schulhäuser an der heutigen Bürgerstraße sowie die an der Osterbergstraße und Robert-Matzke-Straße von der Gemeinde Pieschen geplant, zum Großteil mit Gemeindemitteln finanziert und von ansässigen Gewerken gebaut wurden, sind das 1902 fertiggestellte Schulhaus Wurzener Straße (heute Ärztehaus) und das an der Leisniger Straße, übergeben 1905 (heute Schule für Lernförderung „A.S. Makarenko“), städtische Bauten. Letztgenannte sind auf der Übersichtskarte grün hinterlegt.

Brendler’s Geschichten ist eine Serie, in der Klaus Brendler für das Onlinejournal Pieschen Aktuell in loser Folge an Orte, Ereignisse und Personen im Ortsamtsbereich Pieschen erinnert. Der Stadtteilhistoriker und Autor ist Vorsitzender des Vereins „Dresdner Geschichtsmarkt“ und Leiter der „Geschichtswerkstatt Dresden-Nordwest“. Er lebt in Dresden-Trachau.
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