Seit Oktober 2015 ist Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne) Bürgermeister für Stadtentwicklung, Bau, Verkehr und Liegenschaften. Die Redaktion von Pieschen Aktuell sprach mit ihm über wichtige Bauprojekte im Ortsamtsbereich Pieschen. Auf die Frage nach Fähre, Brücke oder Seilbahn zwischen Pieschen und dem Ostragehege hatte er mit dem Amphibienbus eine für ihn auf lange Sicht „spannende Variante“ ins Spiel gebracht. Darüber haben wir bereits berichtet. Im Interview konfrontierten wir den Baubürgermeister auch mit den Fragen aus vielen Leserkommentaren zu Bauprojekten.
Immer wieder gibt es Kritik an der Architektur der Neubauten in der Stadt. Welche Einflussmöglichkeiten haben Anwohner auf die Gestaltung neuer Häuser und Wohnensembles in ihrer Nachbarschaft?
Gar keine. Es gibt kaum rechtliche Möglichkeiten. Das Baurecht sieht dies nicht vor. Wir als Stadt bemühen uns um eine Diskussion mit den Bauherren. An sensiblen Standorten erwarten wir von den Investoren, dass Sie einen Fassaden-Wettbewerb durchführen. Auch der Stadtrat erwartet das und die Bürger. Bei vielen stoßen wir da auf offene Ohren. So auch bei den Entwicklern des Mika-Quartiers in Mickten, die bereit waren, Architekten-Wettbewerbe durchzuführen. An anderer Stelle gibt es diese Bereitschaft nicht. Die Beteiligung der Bauherren an solchen Gestaltungswettbewerben ist rein freiwillig. Wenn ich jetzt zum Beispiel eine Fassade hässlich finde, kann ich den Bauherren fragen, ob er das wirklich so bauen will. Wenn er mit „Ja“ antwortet, dann ist das leider so.
Es gibt also keine Reißleine?
Es gibt in der Sächsischen Bauordnung den sogenannten Verunstaltungsparagrafen. Aber die Hürden, nach diesem Paragrafen Beanstandungen vor Gericht durchfechten zu können, sind sehr sehr hoch. Wir sind auf den Dialog mit den Bauherren angewiesen.
Ähnlich kritisch sehen viele die Lückenbebauung. Wo liegen hier die Grenzen?
Wir diskutieren intensiv über die Nachverdichtungsflächen. Grundsätzlich ist es so, dass das Umweltamt bei allen Bauvorhaben die Folgen für das Mikroklima prüft. Es ist aber sinnvoller, in der Stadt zu verdichten, als auf die grüne Wiese auszuweichen und dort zusätzliche Flächen zu versiegeln. Auch die Aussicht auf weitere heiße und trockene Sommerperioden wird bei uns diskutiert. Wie können wir in der Stadtplanung darauf reagieren? Da geht es zum Beispiel um die Verpflichtung zur Begrünung von Dächern oder Fassaden. Diesen Maßstab legen wir auch an unsere städtischen Bauvorhaben an.
Seit mehreren Monaten wird in Mickten am Mika-Quartier gebaut. Was ist mit den anderen Baufeldern?
Für das gesamte Areal gibt es einen Bebauungsplan aus den 90er Jahren. Auf dessen Grundlage besteht Baurecht. Weil 2012 ein neues städtebauliches Konzept für das Gebiet entwickelt wurde, haben wir mit allen Eigentümern Gespräche geführt. Wir konnten uns mit ihnen einigen, dass die Bebauungspläne für die einzelnen Baufelder neu erarbeitet werden. Der erste Bauabschnitt im Mika-Quartier wurde noch auf der Grundlage des alten Baurechts begonnen. Für die weiteren Bauabschnitte bereiten wir jetzt entsprechende Beschlüsse vor.
Was geschieht an der Sternstraße?
Soweit mir bekannt ist, wurde das Grundstück, nachdem der Stadtrat den Satzungsbeschluss verabschiedet hatte, an einen anderen Bauträger verkauft. Bisher liegt uns kein Bauantrag vor. Wir können niemanden zwingen, zu bauen. Die Situation ist je nach Eigentümer sehr unterschiedlich. Einige, wie die Bauherren des Mika-Quartiers, sind sehr weit, andere sind noch in dem Stadium, wo erst einmal Ideen entwickelt werden.
Was wird aus der geplanten Kita für die künftigen Bewohner der neugebauten Quartiere?
Die Kita wird gebaut, voraussichtlich im Zuge der Umsetzung des dritten Bauabschnittes im Mika-Quartier.
Auf dem Grundstück an der Kötzschenbroder Straße – zwischen Herbststraße und Franz-Lehmann-Straße – werden alte Industriegebäude abgerisssen. Was ist dort geplant?
Dort rechnen wir demnächst mit der Beantragung einer weiteren Baugenehmigung. An der Herbststraße sollen drei Gebäude entstehen. Dafür wurde bereits im Januar eine Baugenehmigung erteilt. Weitere drei Gebäude sind direkt an der Kötzschenbroder Straße geplant. Die Häuser sollen dort die Medienvilla einrahmen. Aufgrund der prominenten Lage hat sich der Bauherr hier einverstanden erklärt, einen Gestaltungswettbewerb durchzuführen. Ein Bauantrag wurde aber noch nicht eingereicht. Es gibt Investoren, die merken, dass es auch für sie ganz schön sein kann, wenn sie sich auf einen solchen Wettbewerb einlassen. Für den Innenbereich des Grundstückes soll es auf der Grundlage von Entwürfen jetzt weitere Gespräche geben.
Der Masterplan Leipziger Vorstadt ist verabschiedet. Hängt jetzt der weitere Fortschritt von der Suche nach einem alternativen Standort für Globus ab?
So wie ich den Stadtrat verstanden habe, ist es genau so. Der Stadtrat will einen alternativen Standort für Globus finden und dann am Alten Leipziger Bahnhof einen Wohnstandort entwickeln. Globus hat sehr hohe Maßstäbe an die Alternativen angelegt – Einzugsbereich, Verkaufsfläche, schnelle Realisierbarkeit, gute verkehrliche Anbindung – das soll mit dem alten Standort vergleichbar sein. Wir hoffen immer noch, dass wir Globus von einem anderen Standort überzeugen können. Das ist nicht einfach. Solange Globus Eigentümer der Fläche am Alten Leipziger Bahnhof ist, können wir dort nichts anderes entwickeln.
Machen die anderen Grundstückseigentümer ihre Wohnungsbaupläne von der Globus-Entscheidung abhängig?
So weit mir bekannt ist, ja.
Es gibt einen Masterplanentwurf für das Areal nördlich der Leipziger Straße. Ist er Ihnen bekannt?
Ja, wir haben den Plan bei einem Besuch im Büro von Barcode Architekten in Rotterdam gesehen. Der Entwurf ist sehr interessant, ich würde mir wünschen, dass er öffentlich gezeigt werden kann. Wir haben ihn aber nicht beauftragt. Das war wohl ein Projektentwickler, der ein Interesse an diesen Flächen hat, aber nicht Eigentümer ist. Aber der Planungsauftrag wurde von Barcode realisiert und der Auftraggeber hat bezahlt.
Für das Hafencity-Areal gibt es Baugenehmigungen für ein Wohngebäude und ein Hotel entlang der Leipziger Straße. Wie geht es hier weiter?
Wir arbeiten gegenwärtig an der Beschlussvorlage und dem zugehörigen städtebaulichen Vertrag. Für die Einbringung in den Geschäftsgang des Stadtrates avisieren wir das I. Quartal 2019.
Gibt es Neuigkeiten zum Grundstück von Regine Töberich?
Wir hören immer mal wieder, dass Frau Töberich Verhandlungen führt mit möglichen Erwerbern. Ob das stimmt, wissen wir nicht. Wir stehen derzeit in keinem direkten Kontakt mit Frau Töberich.
Vielen Dank für das Gespräch.
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