Der Treffpunkt „Schorsch“ in der Mohnstraße 43 bietet wohnungslosen Menschen einen Rückzugsraum. Hier finden sie Schutz und etwas Ruhe, hier können sie in entspannter Atmosphäre miteinander in Kontakt kommen. Seit fünf Jahren betreibt die Wohnungsnotfallhilfe der Diakonie Stadtmission Dresden dieses Angebot in Pieschen. In ihrer Kontaktstelle berät sie zudem Wohnungs- und Obdachlose sowie von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen. Auch eine Selbsthilfegruppe gehört dazu.
An drei Tagen in der Woche (montags 8-14 Uhr, mittwochs 8-18 Uhr und freitags 8-14Uhr) gibt es für die Gäste im „Schorsch“ einen heißen Kaffee oder Tee, aber auch Kekse und belegte Brötchen. Mindestens genauso wichtig ist die Chance, hier zu duschen und Wäsche zu waschen oder Angebote aus der Kleiderkammer nutzen zu können. In den Räumen des Treffpunkte gibt es einen Computer, bei Bedarf unterstützen die Sozialarbeiten bei Recherchen.
Der Treffpunkt „Schorsch“ entstand im Frühjahr 1998 im damaligen Sitz der Wohnungsnotfallhilfe in der Georgenstraße 3. Aus dieser Zeit stammt die Georg-Mundart, die dem Treffpunkt den Namen gab. Im „Schorsch“ arbeiten derzeit sieben Ehrenamtliche. Viele von ihnen haben eigene Erfahrungen mit Obdach- und Wohnungslosigkeit. „Bei den Beratungsgesprächen decken wir häufig Ressourcen der Klienten auf, die wir gern fördern möchten. Es ist für sie eine Anerkennung, gebraucht zu werden und nützlich zu sein“, beschreibt Michael Schulz, Bereichsleiter der Wohnungsnotfallhilfe, den Alltag in der Kontaktstelle.
Einer von ihnen ist Uwe Müller. Seine Geschichte zeigt, wie schnell man in diese Situation geraten kann und wie schwer es ist, wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Von 2010 bis 2015 war er wohnungslos. Die ersten fünf Jahre lebte er ganz auf der Straße, ehe er in verschiedenen Dresdner Übergangswohnheimen ein Dach über dem Kopf fand. Wie es dazu kam? Nach der Wende zog er nach Heilbronn. Als gelernter Hohlraumkonservierer hatte er keine beruflichen Perspektiven mehr.
In Westdeutschland verdiente Uwe Müller gut in der Firma „Südmilch“. Heirat und Hausbau folgten. Doch dann ging „Südmilch“ in Insolvenz und die Ehe in die Brüche. Beim nächsten Job verdiente er nicht mehr so gut. Durch den Hausbau ist er verschuldet. Seit 2006 ist er wieder in Dresden, ohne Arbeit und mit einer Wohnung im Hochhaus am Pirnaischen Platz, bis der neue Besitzer allen Mietern kündigte. Arbeitslos, dazu noch Alkoholiker und nun ohne Wohnung. „Ich hab mich irgendwann einfach aufgegeben, wollte nicht mehr kämpfen“, blickt der heute 53-Jährige zurück. Gesundheitliche Probleme häuften sich. Sein Leben hing manchmal am seidenen Faden. „Nachdem man mich einmal wiederbeleben musste, hab ich mich entschlossen etwas zu ändern“, sagt Uwe Müller. Unterstützung bekam er dabei von der Wohnungsnotfallhilfe. „Eine Mitarbeiterin, die auch Obdachlose betreut, kannte ich bereits aus meiner Zeit von der Straße. Sie half mir, eine Wohnung zu bekommen.“ Seit 2015 lebt er nun in seinen eigenen vier Wänden, erhält als EU-Rentner Sozialhilfe und ist über den Wandel in seinem Leben glücklich. Er nutzt das Angebot des sogenannten ambulant betreuten Wohnens der Wohnungsnotfallhilfe. „Die Sozialarbeiter helfen beim Lesen und Verstehen von Behördenschreiben oder auch bei der Schuldnerberatung“, erzählt er.
Zweimal in der Woche arbeitet Uwe Müller im „Schorsch“. Diese Beschäftigung ist ihm wichtig, nicht nur, weil er da eine Aufgabe hat, sondern weil er auch Freunde trifft, Menschen, die ein ähnliches Schicksal teilen, Menschen mit denen er sich austauschen kann. Er ist auch in der Selbsthilfegruppe der Wohnungsnotfallhilfe aktiv, die sich im Mai 1995 auf Initiative Betroffener gegründet hattte. Regelmäßig gestalten sie gemeinsam ihre Freizeit, gehen zum Beispiel Kegeln, Dartspielen oder Wandern.
Die Gemeinschaft im „Schorsch“ genießt auch Viola. „Ich komme gerne hierher. Hier sind nette Leute, nette Unterhaltung und es gibt leckere Kekse.“ Die 59-Jährige war seit der Wende obdachlos, zog von Dresden über Berlin nach Rostock und machte dort Erfahrungen sowohl auf der Straße als auch in Übergangswohnheimen. Wieder zurück in Dresden schlief sie zum Teil „im Busch“, wie sie sagte, bis sie von Mitarbeitern der Ordnungsbehörde in ein Übergangsheim gebracht wurde.
Seit 2015 ist sie wieder in Dresden und kam ebenfalls in Kontakt mit der Wohnungsnotfallhilfe. Seit März dieses Jahres hat auch sie eine eigene Wohnung, bekommt aber ebenso Unterstützung von einem Sozialarbeiter. Ihre „Sammelleidenschaft“ nehme zum Teil derartige Züge an, dass es hilfreich sei, wenn ein Sozialarbeiter regelmäßig in der Wohnung nach dem Rechten sieht und sie dann gemeinsam das eine oder andere wieder entsorgen und es zum Teil Bedürftigen zur Verfügung stellen.
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Wie bereits in Rostock verkauft Viola auch in Dresden die Straßenzeitung und verdient sich als EU-Rentnerin etwas dazu. „Während der Saison hab ich in Rostock sehr viele Zeitungen verkauft. Hier in Dresden ist es bedeutend schwieriger“, erzählt die lebhafte Frau. Auch Flaschensammeln sei nicht mehr so einfach. „Es gibt viele Rentner, die auch sammeln“, so ihre Erfahrung. Neben den Menschen im „Schorsch“ ist ihr Hund ein wichtiger Lebensbegleiter für sie geworden. „Ohne ihn gehe ich nirgendwo hin.“
Im vergangenen Jahr nutzten 1117 Menschen das Beratungsangebot der Wohnungsnotfallhilfe. 637 von ihnen waren Wohnungslose. Wiederum 93 konnten mit Hilfe der Wohnungsnotfallhilfe eine eigene Wohnung beziehen. Im Oktober feierte die Wohnungsnotfallhilfe der Diakonie Stadtmission Dresden ihr 25-jähriges Bestehen.
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