Eine kleine Völkerwanderung bricht los – jeden Mittag zwischen Mälzerei und Weinbergstraße. Ihr Ziel: das Bistro „Lunch & More“ an der Ecke Trachenberger/Maxim-Gorki-
Auf dem Speiseplan des „bissel gehobenen Imbiss“, wie der Chef seinen Laden tiefstapelnd bezeichnet, stehen jeden Tag ein Pasta-Gericht, ein Tagesangebot und eine Wochensuppe. Alles ist frisch zubereitet, bunt und kreativ, international und oft vegetarisch. Als „individuell, nicht so stinkenormal“ beschreibt der Inhaber seine Küche. Einmal Mund wässrig machen gefällig? „Ofen-Schmortomate mit Bulgur-Buchweizen-
Doch keine Angst: Militanter Vegetarismus ist nicht Meiers Ding. Auch Gulasch, Geschnetzeltes und „Ost-Jägerschnitzel“ schreibt er regelmäßig an die Angebotstafel, und zu hohen Feiertagen auch mal Wild mit Klößen. Nur Linsen süß-sauer und Innereien wird es wohl nie geben, weil er davon „kein Fan“ ist. „Dann lieber nichts essen!“, verkündet Meier schmunzelnd.
„Schönen Miiiddag noch!“
Aber wahrscheinlich würde er sogar sächsische Flecke charmant anpreisen. Das ist nämlich neben dem Essen die zweite Besonderheit des „Lunch & More“. Der Chef höchstpersönlich steht hinterm Tresen, grüßt jeden Gast mit einem schwiizerdütschen „Serrrvus“ und erklärt in Ruhe, was zur Auswahl steht. „Das macht Spaß. Mal quatschen, wenn Zeit ist. Das Persönliche rein bringen, das ist mir wichtig. Im Restaurant sieht man den Chef oder den Koch ja sonst nicht.“ Und wenn die Gäste wieder in Richtung Arbeit aufbrechen, ruft er ihnen ein „Schönen Miiiddag noch!“ hinterher.
Die meisten kennt er inzwischen gut, weiß, ob sie bei den DVB, der gegenüberliegenden Berufsschule oder vielleicht bei T-Systems an der Mälzerei arbeiten. „Ich hab eine große Stammkundschaft“, sagt Meier. Die formt sich zwischen halb 12 und halb 1 zu einer beachtlichen Warteschlange, die bis vor die Tür reicht. Das „Lunch & More“ hat nämlich nur 40 Plätze. Erweiterungsmöglichkeiten Fehlanzeige – nebenan ist eine Wohnung. In den wärmeren Monaten entschärfen ein paar Tische und Stühle auf dem Bürgersteig den Platzmangel.
„Ich fang früh um 4, 5 Uhr an“
Weit über 100 Portionen täglich bereitet der Mann mit dem Kinnbart und den verschmitzten Augen zu. Als gelernter Koch arbeitet er nach Gefühl und Erfahrungswerten. „Ich koch einfach jeden Tag meine zehn Kilo Nudeln, und an manchen Tagen koch ich noch mal vier Kilo nach.“ Es gibt immer einen Tag in der Woche, an dem die Besucherzahl etwas abfällt, hat er inzwischen festgestellt, „aber man kann nicht wissen, welcher das ist, und man kann’s auch nicht erklären“.
Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin macht Jean-Claude Meier alles selbst. „Ich fang früh um 4, 5 Uhr an – das hängt davon ab, was es gibt. Hacksteak, Spätzle, Cannelloni oder Puffer dauern eben ihre Zeit.“ Lediglich mittags unterstützt die beiden eine „helfende Hand“ beim Abwasch, sagt der Unternehmer. Und dennoch staunen die Gäste über die vergleichsweise günstigen Preise: 3,10 Euro für die kleine Portion Pasta, meist knapp unter 5 Euro für das große Tagesgericht. „Das ist eben eine Mischrechnung“, erklärt Meier. „Mal verdient man am Nudelgericht mehr, wenn es eine einfache Soße dazu gibt. Das geht schon, es hängt ja keine Verwaltung hintendran.“
Nicht mal vom unausweichlichen Papierkram der Selbständigkeit lässt sich der Mann mit dem Ohrring ärgern. Er ist offensichtlich zufrieden mit seiner Entscheidung, nach 30 Jahren klassischer Gastronomie mal einen Gang runtergeschaltet zu haben. Jetzt kann er endlich reguläre Feierabende und Wochenenden genießen. Die verbringt er am liebsten mit „seiner Guten“ und Malteserhund Purzel daheim am Dresdner Stadtrand. „Ich bin einfach gern zu Hause. Wenn der Service durch ist, braucht man auch Ruhe, nicht das Getöse von der Stadt.“ Folglich steht er nach Feierabend auch nicht gern in der Küche. Dafür gehen die beiden mal auswärts essen oder erkunden die Umgebung. In Meiers Fall insbesondere Sachsens Musiklokale. Als Fan von „Musik der härteren Art“ opfert er seinen Schlaf schon mal für ein ordentliches Death-Metal-Konzert, etwa in Leipzig.
„Dresden erinnert mich ein bisschen an Zürich“
Seine Schweizer Heimat vermisst er nicht, „höchstens essenstechnisch vielleicht“, meint er. „Dresden erinnert mich ein bisschen an Zürich, zum Beispiel der Weiße Hirsch an den Züriberg.“ „Naja, Zürich vermissen wir schon ein bissel“, gibt Meiers Freundin zu, und er ergänzt: „Ein schöner See fehlt hier.“
Ein Andenken haben sie aber mitgebracht: den Namen samt Logo. „Lunch & More“ hieß Meiers letzte Arbeitsstätte in der Schweiz, und weil es den Laden inzwischen nicht mehr gibt, lebt der Name nun in Pieschen weiter. Aber das ist eigentlich egal, die Gäste gehen ohnehin „zum Schweizer“.
Bistro „Lunch & More“, Maxim-Gorki-Straße 34, Mo–Fr 11–15 Uhr
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Beim Schweizer kann man dann wohl in Trachenberge essen. Pieschen endet an der Großenhainer Straße.