Hebammen Karkola Doreen

„Für uns sind Schwangere keine Patienten“ – Hebammenpraxis Altpieschen

Die Hebammenpraxis Altpieschen sieht im Innern so gemütlich aus wie ein Wohnzimmer. Durch die bunten Glasfenster fällt Sonnenlicht, draußen auf dem Spielplatz kreischen Kinder. „Mit den Räumen hatten wir richtig Glück“, erzählt Doreen Karkola. Gemeinsam mit Anke Uhlig gründete sie die Hebammenpraxis Altpieschen im Jahr 2008. Nunmehr sind die Frauen zu fünft, wobei eine sich momentan in Elternzeit befindet. Sie haben alle Hände voll zu tun, denn es herrscht großer Andrang im kinderreichen Pieschen. Alles super also? Nein. Wer mit Hebammen spricht, kommt an der Empörung über ihre Arbeitsbedingungen nicht vorbei.

Das Sofa von Opa Wolfram erlebt seinen zweiten Frühling in der Hebammenpraxis Altpieschen

Das Sofa von Opa Wolfram erlebt seinen zweiten Frühling in der Hebammenpraxis Altpieschen

Das Wort Hebamme stammt vom althochdeutschen Hevianna ab und bedeutet ‚Ahnin, die das Kind aufhebt.‘ Schon in der ursprünglichen Wortbedeutung zeigt sich die Intimität, in der die Hebamme mit Mutter und Kind verbunden ist. Zur Aufgabe der Hebamme gehört nicht nur die Betreuung während der Schwangerschaft und Geburt, sondern auch die Beratung und weitere Pflege im Wochenbett. „Der Unterschied zwischen dem Gynäkologen und der Hebamme ist, dass wir Schwangere nicht als Patienten betrachten“, erklärt Doreen Karkola. „Ein Arzt handelt problemorientiert. Wir betrachten die Phase der Schwangerschaft als etwas Physiologisches, Natürliches.“

Im Idealfall arbeiten Hebammen und Ärzte zusammen, um eine schwangere Frau optimal zu betreuen. Anke Uhlig schreibt in einem kritischen Brief nach einem Ärzte-Hebammen-Kongress: „Meine Gynäkologin hat wiederholt berichtet, dass auf Tagungen etc. im zunehmenden Maße davor gewarnt wird, mit Hebammen in der Schwangerenvorsorge zusammenzuarbeiten, weil es sonst vonseiten der Kassen zu Regressansprüchen kommen könnte, wenn der Arzt nicht alle Vorsorgen im Quartal allein erbracht hat.“

Es geht um Zeit und damit um Geld. Ersteres wollen sich die Hebammen für jede ihrer Schwangeren ausreichend nehmen, auf letzteres sind sie angewiesen. „Zwischen 2002 und 2017 haben sich die Haftpflichtversicherungsprämien mehr als verzehnfacht. Inzwischen muss eine Hebamme, die freiberuflich Geburtshilfe anbietet, über 7600 Euro nur für ihre Berufshaftpflichtversicherung zahlen“, wird auf der Website www.unsere-hebammen.de erklärt. Eingeleitete Geburten, Schichtsystem im Kreißsaal, zugeteilte Hebammen – der Akt der Geburt wird von Zeit- und Leistungsdruck pervertiert. „Ich habe Frauen im Kreißsaal erlebt, die mich mit großen Augen fasziniert angeschaut haben, weil ich die erste war, die den Bauch angefasst hat!“, schreibt Anke Uhlig fassungslos.

Altäre der Schwangerschaft. "Die Deko macht Anke", sagt Doreen Karkola und rückt die Lampe zurecht.

Altäre der Schwangerschaft. „Die Deko macht Anke“, sagt Doreen Karkola und rückt die Lampe zurecht.

Die Zeiten sind hart für Hebammen. Die Praxis Altpieschen wirkt wie ein paradiesischer Gegenentwurf. Auf einer überfüllten Fotowand grüßen und danken glückliche Familien mit ihren Kindern. Manche schreiben nach Jahren noch Karten aus dem Urlaub. Die Kinder auf den Fotos werden größer und wer weiß, vielleicht kommt auch die nächste Generation unter den fachkundigen Händen der Hebammen Altpieschen zur Welt. Schwangerschaft und Geburt sind hier Vertrauenssache. Die schönsten Momente, erzählt Doreen Karkola, sind die, wenn das Kind auf die Welt gekommen ist und die Eltern in dieser einzigartigen Freude innig miteinander verbunden sind, ohne sofort mit dem Smartphone ein Foto zu schießen.

„Wir Hebammen haben wie Ärzte eine Ausbildung und sind Fachleute auf unserem Gebiet“, sagt Doreen Karkola. „Wir stellen Mutterpässe aus, wir können die Position des Kindes durch Ertasten bestimmen, seine Herztöne abhören.“ Taping, Akupunktur, Massagen, homöopathische Medikation und Pilates werden ebenfalls in der Hebammenpraxis angeboten.

Schwangerschaft und Geburt als ganzheitliche Erfahrung für Mutter und Kind – ein aussterbendes Modell? Nicht, wenn die Notwendigkeit von Hebammen anerkannt und die Rahmenbedingungen für die Ausübung des Berufe geändert werden. Eine bundesweite Petition an die Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl unter dem Titel „Frauen brauchen Hebammen“ hat sich dies zum Ziel gesetzt.

Hebammenpraxis Altpieschen
Altpieschen 17
Telefonische Sprechzeiten: Montag bis Freitag 9.00 bis 18.00 UhrE
Sprechzeiten in der Praxis: Mittwoch 16.30 bis 18.30 Uhr
Link zur Website Hebammenpraxis Altpieschen

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